Putin, Raisi und Erdogan Das Teheraner Treffen des Anti-Biden-Trios

Von Philipp Dahm

19.7.2022

Sie wollen über Syrien reden: Russlands Präsident Wladimir Putin (links) trifft am 19. Juli in Teheran den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi.
Sie wollen über Syrien reden: Russlands Präsident Wladimir Putin (links) trifft am 19. Juli in Teheran den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi.
Sputnik via AFP

Was haben die USA und der Iran gemeinsam? Beide sind gegen einen türkischen Einmarsch in Syrien. Doch wenn sich Wladimir Putin und Recep Tayyib Erdogan mit Ebrahim Rais im Iran treffen, soll Washington aussen vor bleiben.

Von Philipp Dahm

Noch bevor sich in Teheran der iranische Staatschef Ebrahim Raisi mit seinem  Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin trifft, hat der iranische Gastgeber mit seinem türkischen Gast gesprochen. Das Thema dieser Zusammenkunft: die Lage in Syrien.

Es ist kein Geheimnis, dass Erdogan eine neue Offensive im Grenzgebiet plant: Schon am 23. Mai hat Ankara angekündigt, eine Offensive im syrischen Grenzgebiet starten zu wollen, um eine 30 Kilometer breite Pufferzone zu errichten. Sobald das Militär vorbereitet sei, sollten so «Terroristen» davon abgehalten werden, die Grenze zur Türkei zu verletzen.

Beim Treffen von Raisi und Erdogan am heutigen Morgen ist auch Ajatollah Ali Chamenei dabei. Das religiöse Oberhaupt des Irans rät dem Besucher von einer Offensive ab: «Jeglicher Angriff der Türkei in Nordsyrien würde nur den Terroristen in Syrien helfen», zitiert ihn der staatliche TV-Sender Irib.

Sein Land werde der Türkei bei der «Bekämpfung von Terrorismus» jedoch «sicherlich helfen»: «Wir betrachten die Sicherheit in Syrien als unsere eigene Sicherheit und die Türkei sollte das auch tun.» Das hat noch einen anderen Hintergrund: Durch den Iran führt eine der Haupt-Fluchtrouten für Menschen aus Afghanistan auf dem Weg in die Türkei und nach Europa.

Erdogan wegen Kurden auf Konfrontation mit Biden

Präsident Erdogan wird über die Zurückhaltung in Sachen Syrien nicht erfreut gewesen sein, doch der 68-Jährige nimmt sich dennoch Zeit, in Teheran gegen den Westen zu schiessen. Die USA und Europa würden die «Terroristen» in Syrien mit Waffen ausstatten, moniert er laut Al Jazeera.

Wladimir Putin (rechts) empfängt am 5. März 2020 Recep Tayyip Erdogan in Moskau: Einerseits hält die Türkei die Nato-Norderweiterung auf, andererseits lässt sie keine russischen Kriegsschiffe ins Schwarze Meer fahren und versorgt die Ukraine mit Drohnen.
Wladimir Putin (rechts) empfängt am 5. März 2020 Recep Tayyip Erdogan in Moskau: Einerseits hält die Türkei die Nato-Norderweiterung auf, andererseits lässt sie keine russischen Kriegsschiffe ins Schwarze Meer fahren und versorgt die Ukraine mit Drohnen.
AP

Was Erdogan meint: Washington rüstet die Demokratischen Kräfte (SDF) Syriens aus, die vor allem aus Kurd*innen bestehen. Sie sind laut USA wichtig, um zu verhindern, dass der sogenannte Islamische Staat in Syrien und im Irak wieder Fuss fasst. Die SDF kontrollieren ausserdem die Geflüchtetencamps in al-Haul und al-Azraq in Syrien, wo fast 60'000 Menschen ausharren.

Weil die USA ausserdem die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) unterstützen, die laut Ankara von der verbotenen PKK geführt werden, hängt der Haussegen zwischen den USA und der Türkei schief. Auch beim Nato-Beitritt von Finnland und Schweden gibt es Dissens, weil sich Erdogan nach wie vor zieht, die Erweiterung durchzuwinken.

Iran wegen Atombombe im Fokus von US-Koalition

Obwohl Ankara dem Vorgang vor rund einem Monat zugestimmt hat, betont Erdogan nun erneut, die Kandidaten müssten ihre Versprechen hinsichtlich ihrer Kurden-Politik einhalten. Jetzt moniert der türkische Präsident wieder, Schweden gebe «kein gutes Bild ab». Laut Erdogan habe Stockholm zugestimmt, 73 Kurden auszuliefern, was Schweden jedoch bestreitet.

Irans Präsident Ebrahim Raisi (2. v. r.) und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan (2. v. l.) unterzeichnen am 19. Juli in Teheran Dokumente.
Irans Präsident Ebrahim Raisi (2. v. r.) und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan (2. v. l.) unterzeichnen am 19. Juli in Teheran Dokumente.
EPA

Vor diesem Hintergrund trifft nun also der türkische Staatschef die iranische Elite, die selbst mit den USA über Kreuz liegt. Ajatollah Chameneis Berater hat gerade verkündet, sein Land sei nun in der Lage, Atombomben zu bauen. Ein Unterfangen, das die USA so dringend verhindern wollen, dass sie eine gemeinsame Front mit Israel und Saudi-Arabien planen, um den Iran zu stoppen.

Fehlt nur noch Wladimir Putin, dessen Position zu Joe Biden kein Geheimnis ist. Der Kreml-Chef verfolgt auch wirtschaftliche Interessen im Iran: Angeblich hat Moskau Interesse an Drohnen aus iranischer Produktion, weil Russlands Produktion durch die Sanktionen im Hightech-Bereich gestört ist. Offiziell gab es für die Anfrage vorerst einen Korb, aber das könnte das heutige Treffen ändern.

Moskau und Ankara wollen Handel mit Teheran vertiefen

Auch auf anderer Ebene wollen die Türkei und Russland die Kooperation mit dem Iran stärken. Der russische Gaskonzern Gazprom und Irans staatliches Ölunternehmen haben eine strategische Zusammenarbeit vereinbart. Gazprom und die National Iranian Oil Company unterzeichneten heute angeblich eine Absichtserklärung. Auch die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna berichtete über das Vorhaben.

Demnach wollen die beiden Unternehmen Möglichkeiten einer Kooperation ausloten, etwa bei der Erschliessung von Öl- und Gasfeldern im Iran oder auch bei der Verflüssigung von Gas, beim Bau von Pipelines und im wissenschaftlich-technischen Bereich. Iran verfügt über eines der grössten Gasfelder der Welt. Durch die US-Sanktionen kommt das Land jedoch nicht an moderne Technik.

Die Türkei will ebenfalls näher an ihren Nachbarn heranrücken: Die beiden Länder bauen ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Ziel sei, das jährliche Handelsvolumen auf 30 Milliarden Dollar zu erhöhen, sagte Präsident Raisi heute. Aktuell liegt das Handelsvolumen bei 7,5 Milliarden Dollar. Erdogan ergänzt, er hoffe besonders auf einen Ausbau der Kooperation in der Verteidigungsindustrie. 

Mit Material von dpa und AP.