Seit Mai 13 Funktionäre verhaftet FSB säubert Schoigus Team – er bleibt trotzdem unantastbar

Von Philipp Dahm

13.8.2024

Alte Kumpel: Sergei Schoigu (r.) und Wladimir Putin am 19. Dezember 2023 in Moskau. 
Alte Kumpel: Sergei Schoigu (r.) und Wladimir Putin am 19. Dezember 2023 in Moskau. 
Bild: Keystone/EPA/Sputnik/Kremlin/Mikhail Klimentyev

Kaum hat Wladimir Putin seinen Verteidigungsminister entlassen, räumt auch schon der Inlandsgeheimdienst im Amt auf: Reihenweise werden Funktionäre aus Sergei Schoigus Umfeld wegen Korruption verhaftet.

Von Philipp Dahm

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  • Seitdem Sergei Schoigu am 12. Mai als Verteidigungsminister entlassen worden ist, wurden mindestens 13 hochrangige Militär wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet.
  • «Der FSB säubert Schoigus Team», bestätigt eine Quelle aus dem Kreml mit Blick auf den Inlandsgeheimdienst.
  • Während seine früheren Untergebenen im Gefängnis oder auf dem Friedhof landen, bleibt Schogu selbst als alter Freund Putins unantastbar.

Am 12. Mai 2024 geht im Kreml eine Ära zu Ende: Wladimir Putin entlässt Sergei Schoigu als Verteidigungsminister nach einer Dekade im Amt, doch neun Tage vor seinem 69. Geburtstag bekommt er prompt einen neuen Job: Schoigu ist jetzt Sekretär des russischen Sicherheitsrates.

Für seine Demission gibt es mehrere Gründe: Zum einen soll Andrei Beloussow, der Schoigu nachfolgt, die Wirtschaft auf Kriegskurs bringen. Zum anderen soll der Wirtschaftswissenschaftler die steigende Korruption in den Griff kriegen, weiss «Breaking Defense». Ein dritter Aspekt ist demnach eine bessere Zusammenarbeit mit China.

Schoigu hat weiterhin grossen Einfluss: Als Sekretär des Sicherheitsrates hat er sowohl bei der Verteidigungs- als auch bei der Aussenpolitik ein Wörtchen mitzureden. Er ist immer noch Mitglied der Militär-Industrie-Kommission und des föderalen Dienstes für militärisch-technische Kooperation, der sich um Waffenverkäufe ins Ausland kümmert.

Job und mitunter auch das Leben verloren

Und während Schoigu in seiner neuen Funktion etwa nach Teheran reist, um Waffen-Lieferungen mit dem Iran auszuhandeln, bleibt an seiner früheren Wirkungsstätte kein Stein auf dem anderen: Eine Säuberungswelle zieht über das Verteidigungsministerium hinweg, die bereits 13 Funktionäre den Job – und mitunter das Leben – gekostet hat.

Schon vor Schoigus Entlassung gerät einer seiner Stellvertreter ins Visier der Justiz: Timur Iwanow hat mit seinem Boss schon zusammengearbeitet, bevor er ins Verteidigungsministerium gekommen ist – als er 2012 dessen Stellvertreter als Gouverneur von Moskau war. Er soll rund zehn Millionen Franken kassiert haben.

Der 48-Jährige wird jedoch am 23. April unter dem Vorwurf verhaftet, er habe Bestechungsgelder angenommen. Einen Tag später muss Schoigu ihn entlassen. Offenbar wird ihm auch Hochverrat zur Last gelegt. Auch sein Untergebener Magomed Khandayev, der für militärische Bauvorhaben verantwortlich ist, wird im Juni festgenommen. Der 61-Jährige soll als Zeuge auftreten, stirbt im Juli aber überraschend im Juli in der Haft.

Bei Korruption drohen bis zu zehn Jahre Haft

Ein weiterer Kreml-Funktionär, der Ärger mit der Justiz haben soll, ist Alexej Kriworutschko: Der ehemalige Generaldirektor des Kalaschnikow-Konzerns ist im Verteidigungsministerium für das staatliche Beschaffungswesen zuständig. Der FSB ermittelt demnach gegen ihn wegen des Verdachts des Betruges beim Kauf von kugelsicheren Westen.

Nach Schoigus Entlassung kommt Bewegung in das Ministerium: Nur einen Tag später, am 13. Mai, bekommt Generalleutnant Juri Kusnetsow Besuch von der Polizei. Dem Chef der Kaderverwaltung wird Bestechung vorgeworfen: Er soll bis zu einer Million Franken kassiert haben

Am 17. Mai erwischt es Generalmajor Iwan Popow: Der Militärjustiz unterstellt dem früheren Kommandeur der 58. Armee Betrug. Er soll Materialverkauft haben, dass für die Befestigung von Saporischschja vorgesehen war. Der Schaden wird auf 100 Millionen Rubel, also knapp eine Million Franken beziffert. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Fünf hochrangige Militärs alleine im Mai verhaftet

Am 23. Mai klicken erneut die Handschellen: Diesmal trifft es Wadim Schamarin. Der 52-jährige Leiter der Hauptabteilung Kommunikation soll beim Abschluss von Verträgen hohe Bestechungsgelder kassiert hab. Am selben Tag wird auch Wladimir Werteletsky aus dem Beschaffungsamt verhaftet, der Schmiergelder in Höhe von 670'000 Franken angenommen haben soll.

Werteletsky soll ein enger Freund Schoigus sein und für die Anschaffung von Computern und Informationstechnologien zuständig gewesen sein. Der fünfte hochrangige Militär, der im Mai hinter schwedischen Gardinen landet, ist Suchrab Achmedow. Der Generalmajor soll inkompetent sein. behaupten seine Kritiker.

Auch im Juni kehrt der Kreml im Verteidigungsministerium eisern aus: Am 17. Juni werden Ruslan Zalikow, Nikolai Pankow, Pawel Popow und Tatjana Schewzowa von ihren Pflichten entbunden, die allesamt Stellvertreter von Schoigu waren. Letztgenannte war im Ministerium für die Finanz- und Wirtschaftsarbeit zuständig.

Schoigu steht seit Jahrzehnten an Putins Seite

Am 5. August bekommen Generalmajor Wladimir Schesterow und Wjatscheslaw Achmedow Besuch von der Polizei: Den Machern des Militärfreizeitparks Patriot in Kubinka bei Moskau wird vorgeworfen, Schmiergelder in Höhe von gut 384'000 Franken kassiert zu haben.

Kann es angesichts so vieler Festnahmen sein, dass Schogu nicht gewusst hat, was in seinem Amt passiert? Wohl kaum: Der Minister dürfte Teil des Korruptionsproblems sein. Tatsächlich schreibt die «Moscow Times» schon im Mai, dass eine «beispiellose Kampagne» gestartet sei.

«Eine harte Aufräumaktion ist im Gange: Der [Inlandsgeheimdienst] FSB säubert Schoigus Team. Die Sicherheitskräfte haben die Erlaubnis von ganz oben», sagt eine Quelle aus dem Kreml. Das sei nach dem Abgang des Verteidigungsminister allerdings erwartbar. Damals hiess es weiter: «Bis zur Vollendung der Säuberung ist es noch ein weiter Weg.»

Schoigu (l.) und Putin im Mai 2000 in Moskau.
Schoigu (l.) und Putin im Mai 2000 in Moskau.
Bild: Imago

Ein anderer Gesprächspartner betont, dass Putin einen Sündenbock für den schleppend verlaufenden Krieg in der Ukraine braucht. Schoigu selbst ist dem 71-Jährigen aber heilig: Die beiden sind schon seit Jahrzehnten befreundet. Das erklärt auch, warum der Ex-Minister prompt einen neuen Job bekommen hat: Mit ihm ist weiterhin zu rechnen.


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