Corona-Pandemie Der globale Siegeszug der Gesichtsmaske

AP/toko

26.7.2020

Der französische Präsident Emmanuel Macron mit einem Mund-Nasen-Schutz.
Der französische Präsident Emmanuel Macron mit einem Mund-Nasen-Schutz.
Olivier Matthys/AP Pool/dpa

Anfangs überwog die Skepsis. Doch inzwischen haben die meisten Menschen das kleine Stück Stoff als Teil des Alltags akzeptiert – und das weltweit. Das Tragen einer Maske ist für viele ein Gebot der Vernunft, für einige auch ein Mittel des modischen Ausdrucks.

Schlüssel, Handy, Portemonnaie – ach ja, und die Gesichtsmaske. Die Coronakrise hat Routinen verändert. Für Milliarden Menschen zählt auch die Schutzmaske heute zu den Dingen, ohne die man besser nicht aus dem Haus geht. Seit Erfindung des Schuhs oder der Unterwäsche hat sich wohl kein Kleidungsstück so schnell verbreitet. Ob in Peking oder Paris, in Melbourne oder Mexiko-Stadt – fast überall prägt sie das öffentliche Leben.

Noch immer gibt es Gegner und Verweigerer. Aber nach weltweit 600'000 Toten und mehr als 15 Millionen Infektionen sind sie in den meisten Ländern inzwischen in der Minderheit. «Es hat vielleicht noch nie eine so schnelle und drastische Veränderung des globalen menschlichen Verhaltens gegeben», sagt Jeremy Howard, Mitgründer der Initiative #Masks4All. «Die Menschheit sollte sich selbst auf die Schulter klopfen.»

Gerade in demokratischen Gesellschaften war der Widerstand gegen Vorgaben zum Tragen von Masken lange gross. Zum Teil ist er das bis heute, vor allem in den USA. Verpflichtende Regeln werden mitunter als Bevormundung oder gar als Eingriff in die persönliche Freiheit empfunden. Wissenschaftliche Erkenntnisse, laut denen Masken tatsächlich das Ausbreitungsrisiko verringern, werden dabei oft pauschal angezweifelt.

Bei einer Demonstration in London gegen eine neue Maskenpflicht in britischen Geschäften sagte einer der Redner am vergangenen Sonntag: «Jedes Jahr sterben Menschen. Das ist nichts Neues.» Im Libanon zählt Mohammed al-Burdschi zu den Skeptikern. «Es gibt kein Coronavirus, Bruder. Sie machen den Leuten nur etwas vor», sagt der 42-jährige Verwaltungsbeamte, der die in seinem Land geltenden Regeln einfach ignoriert und etwa ohne Maske zur Arbeit geht.

Menschen in Wuhan, dem ersten Epizentrum der globalen Corona-Pandemie.
Menschen in Wuhan, dem ersten Epizentrum der globalen Corona-Pandemie.
Bild: -/kyodo/dpa

Die Haltung zum Thema wirkt sich leicht auch darauf aus, welches Bild sich Menschen nach einem ersten Eindruck voneinander machen – ähnlich wie bei Kleidungsstilen oder Frisuren. Wenn sie Leute ohne Maske sehe, weiche sie instinktiv zurück, sagt die in Mexiko-Stadt lebende Estima Mendoza. «Ich fühle mich wehrlos. Einerseits mache ich mir ein Urteil über sie, andererseits frage ich mich selbst: 'Warum?'», sagt die Mexikanerin.

Mit ähnlichen Reaktionen hat Maria Dabo, die als schwarze muslimische Frau in Frankreich lebt, schon länger Erfahrung. Für sie hat die pandemie-bedingte Maskenpflicht einen durchaus positiven Nebeneffekt:
Auf den Strassen des Landes, in dem in den vergangenen Jahren viel über religiöse Verschleierung diskutiert wurde, sticht sie nicht mehr so sehr hervor. «Ich fühle mich ein bisschen besser verstanden», sagt sie. Nun sei «jeder verpflichtet, das Gleiche zu tun wie wir».

Trump vollzieht Kehrtwende

Dass die Debatten über eine Maskenpflicht mitunter sehr hitzig geführt wurden, hat wohl auch viel damit zu tun, dass führende Politiker lange keine klare Linie vorgaben. Der prominenteste unter den eher planlos agierenden ist Donald Trump. Erst nachdem 134 000 Amerikaner mit dem Coronavirus gestorben waren, bezeichnete er das Tragen einer Maske diese Woche per Twitter als «patriotisch». Der US-Präsident vollzog damit eine Kehrtwende – zuvor hatte er monatelang dagegen gewettert.

Für viele Chinesen war Trumps Widerstand gegen Masken schwer nachvollziehbar. «Menschen in anderen Ländern fordern Freiheit, aber tatsächlich verlieren sie sie, weil die Zahl der Infektionen schnell gestiegen ist», sagt die bei einer Versicherung arbeitende Liu Yanhua.

Auch in Asien, wo das Tragen von Gesichtsmasken seit Jahren weit verbreitet ist, gibt es in der Corona-Krise allerdings unterschiedliche Herangehensweisen – zum Teil sogar innerhalb von Familien. Die Südkoreanerin Yu Jungyul sagt, sie müsse ihren eigenen Mann immer wieder ermahnen. Sie betone dann, dass man aus Rücksicht auf andere Menschen eine Maske aufsetzen sollte und nicht nur zum eigenen Schutz.

In Australien wurde diese Woche in der Metropole Melbourne eine Maskenpflicht eingeführt. Der Regierungschef des Bundesstaates Victoria, Daniel Andrews, rief dazu auf, die Schutzmassnahme in die Routinen des Alltags zu integrieren. «Die meisten von uns würden nicht ohne Schlüssel aus dem Haus gehen, wir würden nicht ohne unser Handy aus dem Haus gehen», sagte er. In Zukunft werde es nicht mehr möglich sein, ohne Maske rauszugehen.

Die Mode-Expertin Kimberly Chrisman-Campbell betont, wie wichtig Vorbilder seien. «Mode verbreitet sich durch Nachahmung», sagt die Historikerin, die das Buch «Worn on this day: The clothes that made history» geschrieben hat. Über das Internet würden Trends manchmal innerhalb von Minuten um die ganze Welt gehen. «Zu sehen, dass mehr bekannte Persönlichkeiten – etwa Schauspieler, Models, Social-Media-Stars oder Politiker – im Fernsehen oder in den sozialen Netzwerken welche tragen, würde eine enorme Wirkung haben», sagt sie.

Zu arm für Masken

In manchen Ländern verhindern derweil nicht ablehnende Haltungen, sondern eher rein praktische Hürden das allgemeine Tragen von Masken. In Pakistan hätten viele Menschen kein Geld dafür, sagt der Dorfbewohner Wasim Abbas. «Einige Leute sind arm. Und man hat ihnen keine Masken gegeben.» Im nigerianischen Lagos wiederum verzichtet manch einer wegen der Hitze lieber auf das Stück Stoff im Gesicht – so auch der Strassenhändler Jibola Costello. Er habe mal ein wenig Abkühlung gebraucht, sagt er. «Deswegen habe ich sie abgelegt.»



Aus Rücksicht auf andere tragen viele Menschen die Masken aber auch trotz empfundener Einschränkung oder mangelnder Bequemlichkeit. «Dies ist nicht die Zeit, egoistisch zu sein», schreibt die Social-Media-Freelancerin Marsha Dita aus Jakarta. Die Französin Laure Estiez, die in einem Stoffladen arbeitet, nimmt die Umstände zugleich als kreative Herausforderung. Sie habe eine stetig wachsende Sammlung von derzeit etwa 30 selbstgemachten Masken – und es mache ihr Spass, jeden Morgen passend zur sonstigen Kleidung oder zur Stimmung eine davon auszusuchen, sagt sie. «Man gewöhnt sich an alles.»

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