Vertrauter PutinsVom Reformer zum Scharfmacher – der radikale Wandel des Dmitri Medwedew
mmi
17.9.2023
Russlands Ex-Präsident Dimitri Medwedew galt im Westen als Reformer. Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine gehört er zu den grössten Scharfmachern des Kremls.
mmi
17.09.2023, 18:00
17.09.2023, 18:04
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew fällt immer wieder mit radikalen Wortmeldungen auf.
Sein Gesinnungswandel vom liberalen Präsidenten zum grössten Scharfmacher des Kremls irritiert.
Gemäss Beobachtern will Medwedew so seine Loyalität zu Putin beweisen.
Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew galt einst als liberaler Reformer. Spätestens seit der russischen Invasion auf die Ukraine am 24. Februar 2022 fällt der 57-Jährige immer wieder mit bizarren und radikalen Wortmeldungen auf.
Von «Wenn die Nato unsere Atomkraftwerke angreift, müssen wir Angriffe auf ukrainische Kernkraftwerke sowie auf kerntechnische Anlagen in Osteuropa erwägen. Da gibt es nichts, wofür man sich schämen müsste» über «Mit einer entnazifizierten Ukraine kann man ein Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok bauen» bis «Wir kämpfen gegen einen Haufen verrückter Nazi-Drogensüchtiger und ein Rudel bellender Hunde aus dem westlichen Zwinger»: Mit seinen teils aggressiven Statements, die er meist über den Messanger-Dienst Telegram verbreitet, ist Medwedew zu den lautesten Scharfmachern des Kremls avanciert.
Noch vor knapp zehn Jahren galt er als liberaler Reformer Russlands. Während seiner Amtszeit als russischer Präsident (2008-2012) versuchte er, Wirtschaft und Sicherheitsapparat des Landes zu modernisieren sowie die Korruption einzudämmen. Und 2010 unterzeichnete er einen Vertrag mit US-Präsident Barack Obama zur atomaren Abrüstung.
Nicht nur sein Annäherungskurs, auch seine lockeres Auftreten machten ihn für den Westen zugänglich. Nicht nur sein Ausflug in eine Burgerbude mit dem damaligen amerikanischen Präsidenten Obama, sondern auch das unübliche Geschenk an die Stadt Bern blieben in guter Erinnerung: Medwedew schenkte der Bundesstadt nämlich zwei kleine Bären.
Das Tauwetter zwischen dem Westen und Russland veränderte sich, als 2012 Putin wieder in den Präsidentensessel zurückkehrte. Es folgten eisige Zeiten.
Gemäss Russland-Experte Calum MacKenzie vom «SRF» werde Medwedews Amtszeit teilweise verklärt. Denn ein echter Demokrat sei er nie gewesen. Und als Oberbefehlshaber verantwortete er die russische Invasion auf Georgien 2008.
Vom Gemässigten zum Radikalen
Sein Gesinnungswandel vom Gemässigten zum Radikalen sei für viele in Russland unerwartet gekommen, so MacKenzie. Medwedew selbst sieht sich so: «Ich werde oft gefragt, warum meine Beiträge auf Telegram so harsch sind. Meine Antwort ist, dass ich unsere Feinde hasse. Sie sind Bastarde, Abschaum.»
Diese heftige Art gehört zum System Putin: Seine Gefolgsleute übernehmen seine Rhetorik und treiben sie ins Extreme, offenbar als Loyalitätsbeweis.
Demnach ist Medwedew in der nationalistischen Propaganda des Kremls kein Einzel-, aber ein Spezialfall. Sein Ruf als Liberaler ist für Medwedew zur Hypothek geworden. In Zeiten des Krieges und der zunehmenden Repression soll kein Verdacht aufkommen, dass er von Moskaus Linie abweiche, so Beobachter zu den starken Wortmeldungen. Damit wolle Medwedew Putin signalisieren, dass der Kreml-Chef über jeden Zweifel erhaben sei.