Potsdam Deutschland feiert die Einheit – unter Corona-Auflagen

dpa/toko

3.10.2020

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel posieren für ein Foto vor der Kirche St. Peter und Paul in Potsdam. 
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel posieren für ein Foto vor der Kirche St. Peter und Paul in Potsdam. 
Source: Christoph Soeder/dpa

Aus der einst geplanten grossen Einheits-Party mit Hunderttausenden wurde nichts – wegen Corona. Nun treffen in Potsdam weniger Besucher auf die Spitzen des Staates. Zum Jubiläum wird viel diskutiert: Wie sind Ost und West zusammengewachsen? Und: Was muss besser werden?

Deutschland feiert den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit unter Corona-Bedingungen.

Zum Auftakt der zentralen Feierlichkeiten in Potsdam nahmen am Samstag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel  und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble an einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul teil. Wegen der Pandemie durften nur 130 Gäste dabei sein, darunter Bürgerdelegationen der Länder. 

Merkel forderte von den Bürgern in Ost und West Zusammenhalt – gerade auch in der Corona-Krise. «Wir wissen, wir müssen heute wieder mutig sein», sagte Merkel in Potsdam. «Mutig, neue Wege zu gehen angesichts einer Pandemie, mutig, die noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West auch wirklich zu überwinden, aber auch mutig, den Zusammenhalt unserer ganzen Gesellschaft immer wieder einzufordern und dafür zu arbeiten.»



Die Kanzlerin würdigte das damalige Engagement aller auf dem Weg zur Deutschen Einheit. «Wir können uns alle freuen, heute in Frieden und Freiheit den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit zu begehen», sagte Merkel. «Es brauchte viel Mut, um dahin zu kommen, von Menschen in der damaligen DDR, die auf die Strasse gegangen sind, die friedliche Revolution in Gang gesetzt haben.» Mut hätten auch diejenigen in der alten Bundesrepublik gehabt, sich auf den Weg der Einheit einzulassen. Deutschlands Partner seien mutig gewesen, Deutschland zu vertrauen.

Gastgeber der Feiern in Potsdam unter dem Motto «Wir miteinander» ist Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) als amtierender Präsident des Bundesrats.

Beim Gottesdienst rief der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, zur gegenseitigen Unterstützung auf. «Wo geteilt wird, werden die Dinge nicht weniger, sie werden mehr», sagte Stäblein in seiner Predigt. Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch appellierte an alle, sich gegenseitig zu achten. Leben brauche das Miteinander. «Wir bauen Brücken, wir lassen niemanden stehen, erst recht nicht Minderheiten.»

In Teilen der brandenburgischen Landeshauptstadt ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zum Schutz vor dem Coronavirus angeordnet. Die Polizei will mit rund 2500 Beamten im Einsatz sein. Mehrere Demonstrationen sind angemeldet. Rund 200 Beschäftigte des Schaeffler-Werks Luckenwalde demonstrieren vor der Metropolishalle – der Auto- und Industriezulieferer will Stellen abbauen.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, mahnte, die Menschen sollten die Errungenschaften der Einheit mehr schätzen. «Wir leben jetzt 30 Jahre in einer der besten freiheitlichen Demokratien der Welt», sagte der CDU-Politiker MDR aktuell. Was man für selbstverständlich halte, müsse bewahrt werden: Demokratie, Frieden, Wohlstand.

Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, der bei den Feierlichkeiten dabei war, erinnerte an die Errungenschaften. Das wiedervereinigte Deutschland sei bei allen aktuellen Herausforderungen in einer guten Verfassung. «Keine Generation vor uns hat über eine so lange Zeit in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben dürfen, wie es uns heute vergönnt ist. Man muss nur auf die Lebenswege unserer Eltern und Grosseltern blicken, um sich dies bewusst zu machen», sagte er der «Passauer Neuen Presse». Die friedliche Wiedervereinigung sei ein historisches Glück gewesen und «ein starker Impuls für das weitere Zusammenwachsen Europas». Harbarth sagte: «Heute leben wir Deutschen von Freunden umgeben im Herzen eines in Frieden vereinten Europa. Dafür können wir sehr dankbar sein.»

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck sagte im ZDF am Freitagabend, im Osten gebe es noch einen Rückstand bei zivilgesellschaftlichen Aktivitäten. Das habe aber nichts mit Charakterschwäche zu tun. «Aber sehr wohl mit den längeren Möglichkeiten der Westdeutschen, sich an die freie und offene Gesellschaft zu gewöhnen.» Von daher gebe es im Osten eine gewisse Neigung, stärker auf Autoritäres zu reagieren. Das werde sich ändern.

Trotz Konflikten und Problemen hat sich einer neuen Umfrage zufolge die Zufriedenheit der Deutschen teils deutlich erhöht. Mit Blick auf das Einkommen sind die Bürger vor allem in Ostdeutschland glücklicher als noch vor 30 Jahren, in Westdeutschland etwas weniger. Das geht aus der Auswertung repräsentativer Umfragen von 1991 und 2020 hervor, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vorgenommen hat und die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In Ostdeutschland äusserte sich damals lediglich jeder Fünfte zufrieden oder sehr zufrieden mit seiner finanziellen Situation – in diesem Jahr nahezu jeder Zweite. In Westdeutschland sankt die Zufriedenheit leicht von rund 60 auf 55 Prozent.

Vielerorts in Deutschland wurde am Samstag an die Wiedervereinigung erinnert. Für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ist sie ein historisches Geschenk. «Die Deutsche Einheit ist in erster Linie den Menschen der ehemaligen DDR zu verdanken», sagte er bei einem Treffen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) an der ehemaligen innerdeutschen Grenze bei Weischlitz (Vogtlandkreis). «Denn ohne deren Mut, ohne deren Freiheitswunsch, ohne auch das Risiko zu demonstrieren, wäre das nie passiert.»

In Dresden kam der sächsische Landtag zu einer Feierstunde zusammen. Zahlreiche Abgeordnete von Linken und Grünen, aber auch des Koalitionspartners SPD blieben jedoch aus Protest gegen den konservativen Christdemokraten Arnold Vaatz als Festredner fern.

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