Putin trifft Xi Die Karten der Weltpolitik könnten neu gemischt werden

Von Herbert Aichinger

14.9.2022

Der russische Präsident Wladimir Putin und das chinesische Staatsoberhaupt Xi Jinping bei ihrem letzten Treffen im Februar. Am 15. und 16. September dürften Russland und China ihre Beziehungen auf einem Gipfel in Usbekistan vertiefen.
Der russische Präsident Wladimir Putin und das chinesische Staatsoberhaupt Xi Jinping bei ihrem letzten Treffen im Februar. Am 15. und 16. September dürften Russland und China ihre Beziehungen auf einem Gipfel in Usbekistan vertiefen.
Alexei Druzhinin, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP/KEYSTONE

Wladimir Putin und der chinesische Staatschef Xi Jinping treffen sich in Usbekistan, um ihre Partnerschaft zu intensivieren. Und dabei geht es nicht nur um Gas.

Von Herbert Aichinger

14.9.2022

Seit Beginn der Corona-Krise war Chinas Staatschef Xi Jinping nicht mehr im Ausland unterwegs. Jetzt reist er nach Usbekistan, um auf einem Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) unter anderem Wladimir Putin zu treffen.

Wie nah sind sich China und Russland wirklich?

Westliche Staaten tun sich bis heute schwer, den Standpunkt Chinas zum Ukraine-Konflikt einzuschätzen. Die chinesische Führung hat Putins völkerrechtswidrige Invasion in den Nachbarstaat weder gebilligt noch verurteilt und vermeidet den Begriff «Krieg». Stattdessen betonte China seine neutrale Haltung.

Trotzdem näherten sich die beiden Grossmächte in den letzten Jahren nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich an – und erneuerten zuletzt im vergangenen Jahr ihren Nachbarschaftsvertrag.

Mit ihrem Besuch in Taiwan sorgte Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, für diplomatische Verstimmungen mit China. 
Mit ihrem Besuch in Taiwan sorgte Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, für diplomatische Verstimmungen mit China. 
EPA/JIM LO SCALZO/KEYSTONE

Zudem vereint die beiden Grossmächte ihre ablehnende Haltung gegenüber den USA. Der Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses der USA, mag die Bereitschaft Chinas zu einer engeren Partnerschaft mit Russland zusätzlich gestärkt haben.

«China und Russland teilen die gleiche Haltung gegenüber der westlichen Praxis»

Auf dem SCO-Gipfel im usbekischen Samarkand könnten am 15. Und 16. September die Karten der Weltpolitik neu gemischt werden. Neben China und Russland werden auch Vertreter Usbekistans, Kasachstans, Kirgisistans, Tadschikistans, Pakistans und Indiens an dem Treffen teilnehmen.

Sorgte Anfang September schon das russisch-chinesische Militärmanöver «Wostock 2022» auf westlicher Seite für Irritationen, so wirken die Worte des Aussenbeauftragten der chinesischen Kommunistischen Partei, Yang Jiechi, in einem Gespräch mit Andrej Denissow, dem russischen Botschafter in Peking, nicht unbedingt beruhigend: China plane, die internationale Ordnung mit Russland «in eine gerechtere und rationalere Richtung» zu führen.

Gemeinsame Militärmanöver von Russland und China sind nichts Neues. Trotzdem sorgen sie angesichts der aktuellen angespannten Weltlage für Beunruhigung. Hier eine Szene aus der chinesisch-russischen "Peace Mission 2005" auf der chinesischen Halbinsel Shandong. 
Gemeinsame Militärmanöver von Russland und China sind nichts Neues. Trotzdem sorgen sie angesichts der aktuellen angespannten Weltlage für Beunruhigung. Hier eine Szene aus der chinesisch-russischen "Peace Mission 2005" auf der chinesischen Halbinsel Shandong. 
AP Photo/Xinhua, Li Gang/KEYSTONE

Das Regime in Peking sieht den engen Schulterschluss mit Russland auch als eine «globale Sicherheitsinitiative» gegen das Viererbündnis, das Washington, Japan, Australien und Indien in Reaktion auf die chinesische Machtpolitik geschlossen haben.

Li Xin, Direktor des Institute of European and Asian Studies an der  Shanghai University of Political Science and Law, schlägt ebenfalls klare Töne Richtung Westen an: «China und Russland teilen die gleiche Haltung gegenüber der westlichen Praxis, Sanktionen zu verhängen und die Regimes anderer Länder zu stürzen.»

Russland liefert Gas zum Schnäppchenpreis

Nachdem Russland den Gashahn Richtung Europa nun auch über die Pipeline Nord Stream 1 zugedreht hat, versucht man jetzt, in Asien willige Abnehmer für den Rohstoff zu finden – und bietet China laut Bloomberg Gas zur Hälfte des Spotmarkt-Preises an. Doch wird Russland damit die finanziellen Verluste durch westliche Embargos ausgleichen können?

Prof. Dr. Ralph Weber, China-Experte am Institute for European Global Studies an der Universität Basel, äussert sich gegenüber «blue News» skeptisch: «Kurz vor dem Angriff auf die Ukraine haben Russland und China eine Vereinbarung über eine weitere Gaspipeline abgeschlossen. Ab 2024/25 sollen für 30 Jahre über eine neue Pipeline jährlich 10 Milliarden Kubikmeter in Euro denominiertes Gas nach China geliefert werden. Auch wenn man bestehende Gaslieferungen mitberücksichtigt und nun noch zusätzlich schnell weitere  Kapazitäten aufbauen würde, läge man trotzdem vermutlich für längere Zeit unter der Kapazität von Nord Stream.»

Indien als Wackelkandidat zwischen den Welten

Der Gipfel in Shanghai wirft aber noch weitere Fragen auf: Wie wird sich Indien in nächster Zeit weltpolitisch positionieren? Dazu Prof. Ralph Weber: «Schon länger beobachtet man in sicherheitspolitischer Hinsicht das Entstehen zweier globaler Blöcke, die auch unterschiedliche Normenräume darstellen. Wie sich diese Blockbildung aber in einer gleichzeitig enorm verschränkten globalen Wirtschaft ausgestalten wird, bleibt höchst ungewiss. Besondere Aufmerksamkeit verdient Indien, welches auf beiden Seiten spielt.»

Der indische Premierminister Narendra Modi mit Wladimir Putin. Wie sich Indien künftig gegenüber Russland und dem Westen positionieren wird, ist nach wie vor unklar.
Der indische Premierminister Narendra Modi mit Wladimir Putin. Wie sich Indien künftig gegenüber Russland und dem Westen positionieren wird, ist nach wie vor unklar.
AP Photo/Xinhua, Li Gang/KEYSTONE

Wie könnte sich eine enge Freundschaft zwischen Russland und China auf Europa auswirken?

Angesichts der intensiven Verflechtungen Europas mit dem chinesischen Markt ist kaum absehbar, in welche Richtung die Entwicklung in den kommenden Monaten und Jahren gehen wird.

Ähnlich wie bei der Abhängigkeit der EU von russischem Gas gab es aber auch früher schon Stimmen, die davor gewarnt haben, sich zu eng an China zu binden. So sagte Bernhard Bartsch, Leiter External Relations des Mercator Institute for China Studies, bereits im April im phoenix Tagesgespräch: «Die Gefahr ist gross, dass China, genau wie Russland, diese Abhängigkeiten gegen uns ausnützen würde – beziehungsweise tut es das sogar schon. Wir müssen uns unsere Abhängigkeiten mit China ganz genau ansehen und müssen sie dort, wo sie uns wirklich sicherheitspolitisch bedrohen, reduzieren.»

Auch die Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz mit China stehen daher derzeit auf dem Prüfstand. Dazu Prof. Ralph Weber: «Was ein stärkeres Zusammenrücken von China mit Russland für die Schweiz und die EU letztlich bedeutet, hängt sicherlich auch vom Ausgang des Kriegs in der Ukraine ab. Ein potenziell geschwächtes Russland kommt China eigentlich nicht wirklich uneingeschränkt gelegen. So oder so haben die geopolitischen Entwicklungen der letzten Jahre die globalen Wirtschaftsbeziehungen deutlich verkompliziert.»