Billionen-ProgrammeDie Zeit drängt für Bidens ehrgeizige Agenda
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18.10.2021 - 20:33
Der US-Präsident will den Sozialstaat ausbauen und die Infrastruktur modernisieren. Die teuren Investitionen drohen im auch im parteiinternen Streit zerrieben zu werden.
DPA, AP/toko
18.10.2021, 20:33
18.10.2021, 20:41
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US-Präsident Joe Biden stehen zwei schwierige Wochen bevor: Er muss seine Demokraten versöhnen, um ein überparteiliches Infrastrukturprogramm und ein noch grösseres Sozialpaket durch den Kongress zu bringen. Beides will der Präsident unter Dach und Fach bringen, bevor er mit der Air Force One am 28. Oktober in Richtung Europa abhebt, wo er eine Reihe anderer Staats- und Regierungschefs treffen wird, unter anderem zum Klimagipfel in Schottland.
Vor der Ziellinie warten jedoch noch einige Hürden. Da ist der Streit unter den Demokraten, der die zugesagten neuen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels gefährdet. Ausserdem blickt die Partei mit Sorge auf einen richtungsweisenden Wahlkampf um das Gouverneursamt in Virginia und die sich abzeichnenden Konflikte im Senat über die Schuldenobergrenze. All das sind Ablenkungen, die Biden im Moment nicht gebrauchen kann.
Turbulente Präsidentschaft
Er will sich derzeit eigentlich darauf konzentrieren, seiner Präsidentschaft wieder mehr Stabilität zu verleihen. Hinter ihm liegt eine anstrengende Zeit: zunächst der chaotische Truppenabzug aus Afghanistan, dann das diplomatische Zerwürfnis mit dem langjährigen Verbündeten Frankreich um den Bau von Atom-U-Booten für Australien und dazu eine steigende Anzahl von Corona-Infektionen, die die wirtschaftliche Erholung des Landes bremst und Bidens Zustimmungswerte abstürzen liess.
Das Team Biden hält in dieser schwierigen Zeit an einer bewährten Strategie aus dem Wahlkampf fest: Einwürfe von aussen werden ignoriert, alle konzentrieren sich auf eine Mission und das ist derzeit die Verabschiedung des zweiteiligen Pakets, mit dem die Demokraten vor den Zwischenwahlen im kommenden Jahr für sich und ihre Politik werben wollen.
«Bei diesen Gesetzesentwürfen geht es meiner Meinung nach buchstäblich um Wettbewerbsfähigkeit versus Selbstzufriedenheit, um Chancen versus Verfall und darum, die Welt anzuführen oder die Welt weiterhin an uns vorbeiziehen zu lassen», sagte Biden am Freitag, als er in Connecticut für das Vorhaben trommelte.
Weisses Haus mahnt zur Geduld
Das Weisse Haus mahnt zur Geduld und betont, dass schwierige Dinge eben ihre Zeit brauchen. Dennoch ist ein Gefühl der Dringlichkeit zu spüren. Mit neuem Nachdruck sandte die Regierung in den vergangenen Tagen Signale an den Kongress, dass es nun an der Zeit sei, eine Einigung zu erzielen, erklärten zwei Beamte des Weissen Hauses, die anonym bleiben wollten. Biden habe ebenfalls seine Ungeduld zum Ausdruck gebracht und wolle in dieser Woche verstärkt persönlich auf die Abgeordneten zugehen, um einen Kompromiss zu finden und die Gesetzesentwürfe zur Abstimmung zu bringen.
Selbst führenden Demokraten sind sich uneinig darüber, wie der Gesamtpreis des Pakets am besten gesenkt werden kann, um mehr Stimmen zu gewinnen. Biden erklärte am Freitag, er ziehe es vor, alle Vorschläge aufzunehmen, aber die Dauer der Programme zu kürzen, um die Kosten zu reduzieren. Ein künftiger Kongress könnte dann später über die Verlängerung von Programmen abstimmen, die in der amerikanischen Bevölkerung auf Zustimmung stossen. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte jedoch wenige Tage zuvor den genau umgekehrten Weg vorgeschlagen, nämlich eine engere Auswahl von Programmen, die für einen längeren Zeitraum gelten sollten.
Partei-Rebell macht. Pprobleme
Gerungen wird auch um schärfere Gesetze zum Klimaschutz. Hier kommt dem demokratischen Senator Joe Manchin aus West Virginia eine besondere Rolle zu. Er erhob Einwände gegen ein Programm, das die Abkehr der Nation von fossilen Brennstoffen beschleunigen soll und bedroht so den Kern von Bidens Plänen zur Bekämpfung des Klimawandels – und das ausgerechnet, bevor der Präsident die amerikanische Führungsrolle in dieser Frage auf der bevorstehenden Klimakonferenz in Glasgow bekräftigen will.
Die Demokraten verfügen in beiden Häusern des Kongresses nur über jeweils eine knappe Mehrheit gegenüber den Republikanern. Das stärkt einzelne Abgeordnete wie Manchin und Kyrsten Sinema aus Arizona, die mit ihren Einsprüchen das Weisse Haus verärgert haben. Die Regierung will das Programm für saubere Energie nicht aufgegeben, sucht aber nach Alternativen, um eine Mischung aus verschiedenen Massnahmen zur Emissionssenkung zusammenzustellen, wie aus dem Umfeld des Weissen Hauses verlautete.
Ein Verzicht auf die geplanten Klimaschutzvorhaben könnte Biden beim Gipfeltreffen in Glasgow in ein schlechtes Licht rücken. Die US-Regierung betrachtet den Gipfel nicht nur als Chance für den Klimaschutz, sondern auch als Möglichkeit, die Führungsrolle der USA in diesem Bereich wiederherzustellen. Ein Rückzug beim Klimaschutz in der Heimat würde die USA hinter die europäischen Staaten zurückfallen lassen, die konkretere Schritte zur Emissionssenkung unternommen haben.
Zuvor steht Anfang November noch der G20-Gipfel in Rom an. Doch die Entscheidung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, die Treffen ausfallen zu lassen und damit die erste persönliche Begegnung zwischen den Staatschefs der beiden Supermächte zu verschieben, könnte die Bedeutung des Gipfels schmälern. Dennoch wird erwartet, dass Biden in Italien mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammentrifft, um die Beziehungen zu kitten, nachdem ein U-Boot-Deal der USA mit Australien einen französischen Vertrag zunichte machte und die Franzosen aus Protest ihren Botschafter vorübergehend aus Washington abzogen.
Ausserdem wird am 2. November in Virginia ein neuer Gouverneur gewählt. Die Abstimmung gilt als Referendum über Bidens bisherige Amtsführung und die Chancen der Demokraten, die Kontrolle über den Kongress im nächsten Jahr zu behaupten. Der Demokrat Terry McAuliffe liefert sich dort ein unerwartet enges Rennen mit dem republikanischen Geschäftsmann Glenn Youngkin. Ein knappes Ergebnis oder gar ein Sieg Youngkins könnte die Demokraten verunsichern und würde den Republikanern vor den Zwischenwahlen Auftrieb geben.