Soleimani-Tötung USA liquidieren «James Bond, Erwin Rommel und Lady Gaga in Einem»

Von Philipp Dahm

3.1.2020

Die Scharmützel mit dem Iran haben sich zur veritablen diplomatischen Krise hochgeschaukelt. Die Tötung Qassem Soleimanis, die ein dominanter Schlusstrich sein sollte, könnte zur Lunte eines Flächenbrandes werden.

Die neuerliche Eskalation zwischen den USA und dem Iran hat sich angekündigt. Am 27. Dezember stirbt ein amerikanischer Söldner beim Beschuss eines US-Stützpunktes nahe Kirkuk im Irak, die Tat wird proiranischen Milizen zugeschrieben. Washington beantwortet die Attacke mit dem Einsatz von F-15-Kampfflugzeugen.

Diese bombardieren – ebenfalls im Irak ­­– Stellungen der Hisbollah, laut «France24» werden 25 Personen getötet und 51 verletzt. Die irakische Regierung wird 30 Minuten vor dem Einsatz informiert, bittet darum, ihn abzublasen und verurteilt anschliessend ausdrücklich den «bösartigen Angriff».

Die Schiiten-Miliz schwört Rache: Ihr lokaler Ableger, die Kataib Hisbollah, wird von einem der mächtigsten Männer des Landes angeführt: Abu Mahdi al-Muhandi. Er ist gleichzeitig ein irakischer Befehlshaber, stellvertretender Kommandeur der Popular Mobilization Forces, einem Sammelbecken irakischer Milizen.

Auch in Syrien, im Libanon oder Libyen hat die Hisbollah eigene Sektionen, deren Fäden wiederum in Teheran zusammenlaufen: bei General Qassem Soleimani, dem Führer der Kuds-Brigaden, also der Auslandtruppen des Iran. Seit 1998 ist der 62-Jährige im Amt: Der vierfache Familienvater ist eine feste Grösse im Iran, gilt als Volksheld und hat mehrere Attentatsversuche durch arabische Staaten, des Westens und von Israel überlebt.

Mann des Volkes: Qassem Soleimani war im Iran auch wegen seines Kampfes gegen den sogenannten Islamischen Staat hochangesehen. 2014 verhinderte er den Durchmarsch der Fanatiker nach Baghdad.
Mann des Volkes: Qassem Soleimani war im Iran auch wegen seines Kampfes gegen den sogenannten Islamischen Staat hochangesehen. 2014 verhinderte er den Durchmarsch der Fanatiker nach Baghdad.
Bild: Keystone

Der Zeitpunkt für Rache an Uncle Sam kommt an Silvester: Demonstranten stürmen die US-Botschaft in Baghdad. US-Präsident Donald Trump beschuldigt Teheran, die Aktion orchestriert zu haben. Tatsächlich sind Angehörige der Populat Mobilization Forces an vorderster Front mit dabei. Doch gleichwohl ist die Wut auf Washington in der ganzen Bevölkerung gross.

US-Helikopter schiessen Leuchtraketen ab, um Protestanten vor der Botschaft in Baghdad zu zerstreuen.

US-Marineinfanteristen aus Kuwait müssen nach Baghdad zu Hilfe kommen. Am Neujahrstag wird die Verlegung eine Luftlandedivision in den Irak verkündet: 750 zusätzliche Soldaten laufen einmal mehr Trumps Versprechen zuwider, US-Soldaten aus dem Nahen Osten zurückzuholen. Am 2. Januar treffen einige Hisbollah-Raketen jene Teile des Flughafens von Baghdad, die US-Militärs nutzen. Es entsteht kaum Schaden.

Auf die harte Tour

Am 3. Januar steht Donald Trump vor einer Wahl: Der Geheimdienst hat ihn informiert, dass sich in Baghdad General Qassem Soleimani, Abu Mahdi al-Muhandi und weitere Personen am Flughafen Baghdad treffen, um hochrangige Gäste zu empfangen.

Als der Konvoi den Airport verlässt, gibt der US-Präsident grünes Licht. Eine Drone vom Typ MQ-9 «Reaper» feuert eine Rakete ab, berichtet die «New York Times», die Explosion tötet Soleimani und al-Muihandi, wie deren Organisationen später bestätigen werden.

Donald Trump tweetet im Anschluss:

Amerikaner sicherer, sollen Irak aber sofort verlassen

Der Jubel ist nach dieser Aktion verhalten – auch wenn es US-Offizielle gerne anders darstellen. Angeblich steckte Soleimani mitten in Plänen für einen Angriff auf die USA. Aussenminister Mike Pompeo bleibt am Freitagmittag auf «CNN» dabei, dass die Welt für «Amerikaner in der Region sehr viel sicherer geworden» sei.

Gleichwohl fordert die US-Botschaft alle Amerikaner nach der Liquidierung auf, den Irak sofort zu verlassen. Beinahe zwei Drittel des Landes gehörten zur Glaubensgemeindschaft der Schiiten, als deren Führer sich der Iran begreift. Die Aufforderung, das Land zu verlassen, kommt auch darum, weil Iraks Regierung vor Wut schäumt, da mit al-Muhandi einer der eigenen Befehlshaber getötet worden ist.

Das sei «eine Aggression gegen den Staat selbst», teilt Premier Adel Abdul Mahdi mit. «Operationen physischer Liquidierung gegen führende irakische Figuren oder welche aus Bruderländern auf irakischem Boden durchzuführen, ist eine offensichtliche Verletzung der irakischen Souveränität und eine gefährliche Eskalation.»

«James Bond, Erwin Rommel und Lady Gaga in Einem»

Im Iran ist indessen die Trauer um Qassem Soleimanis Tod gross. Dieses Zitat aus dem «Time»-Magazin verdeutlicht dessen Popularität wohl am besten: «Als die ‹Time› Soleimani 2017 in ihre Liste der 100 Einflussreichsten aufnahm, schrieb der frühere CIA-Analyst Kenneth Pollock, dass er ‹für Schiiten im Mittleren Osten James Bond, Erwin Rommel und Lady Gaga in Einem› sei.» 

Das erklärt auch die Trauer-Demonstrationen, die sich dieser Stunden im Iran bilden: Dort ist eine dreitägige Staatstrauer angesetzt worden. Und während nicht zu erwarten ist, dass Teheran offiziell auf diese Attacke reagieren wird, wächst die Angst vor asymetrischer Kriegsführung.

Zu Recht: Die anti-amerkanische Al-Mahdi-Armee im Irak will nun den Kampf wieder aufnehmen und auch andere Milizen-Kommandeure schwören ihre Truppen auf Kampf ein. Pessimistisch macht auch der Blick auf die Märkte: Der Ölpreis ist spürbar angezogen.

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