Nichte rechnet mit Trump ab «Ein autoritärer Möchtegern, der die Schwächen unseres Systems ausnutzt»

Von Gil Bieler

28.2.2024

Ex-Präsident Donald Trump will im November wieder ins Weisse Haus einziehen. 
Ex-Präsident Donald Trump will im November wieder ins Weisse Haus einziehen. 
Andrew Harnik/AP/dpa

Donald Trump musste vor Gericht mehrere Rückschläge einstecken. Am grössten ist die Schadenfreude darüber ausgerechnet bei seiner Nichte: Mary L. Trump kämpft gegen die Wiederwahl ihres Onkels.

Von Gil Bieler

28.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ex-US-Präsident Donald Trump will im November erneut ins Weisse Haus einziehen. Im Vorwahlkampf der Republikaner liegt er unangefochten an der Spitze.
  • Seine Wiederwahl wäre eine Horrorvorstellung, findet Mary L. Trump: Sie ist die Nichte des 77-Jährigen und seine womöglich schärfste Kritikerin. 
  • In einem Newsletter seziert die Psychologin nicht nur ihren Onkel, sondern kritisiert auch Medien und Comedians, die ihm zu viel durchgehen liessen.
  • Die Millionenstrafen, zu denen Donald Trump vor Gericht verurteilt wurde, feiert sie: «Das ist die Art von Urteilen, die für Donald besonders ruinös sind – finanziell und psychologisch.»

Im Kampf um seine Rückkehr ins Weisse Haus kommen Donald Trump die Frauen abhanden. Gattin Melania? Wurde schon länger nicht mehr bei seinen Wahlkampfauftritten gesehen. Lieblingstochter Ivanka geht ebenso auf Distanz zum Ex-Präsidenten.

Eine andere Trump-Frau ist dagegen sehr präsent – und zwar als schärfste Gegenspielerin des 77-Jährigen. Mary L. Trump, Nichte von Donald Trump und Psychologin, hat ihren Onkel schon in ihrem Buch «Zu viel und nie genug: Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf» regelrecht zerpflückt.

Jetzt, im Wahljahr 2024, legt sie eifrig nach: Die passionierte Trump-Kritikerin gibt einen Newsletter heraus, in dem sie Beobachtungen und Überlegungen teilt, manchmal aber auch nur über Trump herzieht. Ihr erklärtes Ziel: «Donald daran hindern, unsere Demokratie zu zerstören.»

Ob Gerichtsprozesse oder Wahlkampf: Zu jedem grösseren Ereignis reicht die 58-Jährige ihre Sicht der Dinge dar. Da sie in seinem engsten Umfeld aufgewachsen ist – als Tochter seines 1981 verstorbenen Bruders Fred –, hat die Psychologin eine einzigartige Sicht auf jenen Mann, der die halbe Welt in Atem hält. Eine Auswahl.

Die 350-Millionen-Dollar-Strafe

«Es hat über ein halbes Jahrhundert gedauert, aber Donalds Möglichkeit, ungestraft Betrug zu begehen, hat ein Ende – zumindest in New York», jubiliert Trump in ihrem Rundschreiben.

Zur Erinnerung: Ein New Yorker Gericht hat Donald Trump wegen Finanzbetrugs mit seiner Trump Organization zu einer Strafzahlung von mehr als 350 Millionen Dollar verurteilt.

«Das ist die Art von Urteilen, die für Donald besonders ruinös sind – finanziell und psychologisch», findet seine Nichte. Sein Ruf als erfolgreicher und steinreicher Immobilien-Tycoon sei alles, was für ihn zähle.

Dass das New Yorker Gericht offengelegt habe, «dass nicht nur Donalds Geschäftspraktiken, sondern auch die Angeberei mit seinem Geschäftssinn nur eine langanhaltende Betrugsmasche sind, macht dies zu einem der schlimmsten Tage in Donalds ganzem Leben», frohlockt sie. Mehr noch: «Es ist extrem wahrscheinlich, dass es sein schlimmster Tag ist.»

Mary L. Trump ist die Nichte von Ex-US-Präsident Donald Trump – und hofft, dass er nicht wieder an die Macht kommt.
Mary L. Trump ist die Nichte von Ex-US-Präsident Donald Trump – und hofft, dass er nicht wieder an die Macht kommt.
Peter Serling

Ihre Schadenfreude verteidigt die 58-Jährige damit, dass Trump zahlreiche Menschen geschädigt habe, von nicht bezahlten Auftragnehmenden über Immigrant*innen bis zu eigenen Verwandten.

Dabei sei die Leier vom erfolgreichen Businessman nie mehr als eine Mär gewesen: Von klein auf habe Donald nur dank Geschenken, Gratisleihgaben, Dividenden und weiterer Unterstützung von seinem Vater bestehen können, die über 400 Millionen Dollar ausgemacht haben sollen.

Der Vergewaltigungsprozess

Die New Yorker Millionenstrafe fiel nur kurz nach dem Schuldspruch im Verleumdungsprozess gegen E. Jean Carroll: Trump muss der Autorin 83 Millionen Dollar Entschädigung bezahlen. Carroll wirft Trump vor, sie 1996 in einer Umkleidekabine vergewaltigt zu haben.

«Donald beginnt endlich zu spüren, was es bedeutet, für seine Handlungen haftbar gemacht zu werden», freut sich Mary L. Trump. Auch wenn beide Urteile in Zivilprozessen und nicht in Strafprozessen gefällt worden seien, mache ihr das Hoffnung, dass auch ihr Onkel nicht über dem Gesetz stehe. Das sei für sie auch aus ganz persönlicher Sicht wichtig: «Als New Yorkerin, als E. Jeans Freundin und als Donalds Nichte.»

Kritik an den Medien

Auch über die Medien echauffiert sich Mary L. Trump öfter. Ihre Hauptkritik: Sie liessen ihrem Onkel zu viel durchgehen, bloss, weil man sich an dessen Art mittlerweile gewöhnt habe. So etwa, als er sich jüngst mit Alexej Nawalny verglichen hat, dem russischen Oppositionsführer und Putin-Kritiker, der in einer Strafkolonie in Sibirien nach Wochen unter härtesten Haftbedingungen verstorben ist.

Man könne nicht genug betonen, wie absurd dieser Vergleich sei.

Nawalny sei ein Freiheitskämpfer gewesen, der sich für sein Volk und gegen einen brutalen Diktator eingesetzt habe. «Donald Trump ist ein autoritärer Möchtegern, der einen Aufstand gegen sein eigenes Land angezettelt hat und die Schwächen unseres demokratischen Systems ausnutzt, um wieder an die Macht zu kommen, damit er zusammen mit seinen Helfershelfern die Demokratie zerstören kann», urteilt Mary L. Trump.

Kritik am Chef-Comedian der Nation

Neben der Medienkritik teilt die Psychologin auch gegen Comedians aus, genauer: gegen Jon Stewart. Der Miterfinder der «Daily Show» war nach neunjähriger Abwesenheit im Februar als Gastgeber der Satireshow zurückgekehrt. In seiner ersten Folge sezierte der Comedian genüsslich das voraussichtliche Präsidentschaftsduell zwischen den beiden betagten Topkandidaten, Amtsinhaber Joe Biden (81) und Donald Trump (77).

Kern seiner Ausführungen: Bei beiden seien Zweifel angebracht, ob sie dem «härtesten Job der Welt» wirklich gewachsen wären.

Das lässt Mary L. Trump nicht gelten. «Willst du mich auf den Arm nehmen?», fragt sie empört. Dieser witzig gemeinte Vergleich zwischen Biden und Trump sei völlig deplatziert. Ja, Biden sei alt. Doch für einen 81-Jährigen habe er vieles erreicht.

Was wäre die Alternative? «Ein grausamer, unfähiger Vergewaltiger, der nicht nur in vier Anklageschriften unter Anklage steht, sondern sich auch bei jeder Gelegenheit auf die Seite unserer Feinde stellt. Da gibt es keinen Vergleich.»

Woher kriegt Trump seine Millionen?

In ihrem neuesten Newsletter kommt Trumps Nichte erneut auf die dreistellige Millionenzahlung zu sprechen, die ein New Yorker Gericht dem Ex-Präsidenten auferlegt hat. Insgesamt belaufe sich die fällige Summe auf 464 Millionen Dollar. Denn zu den 350 Millionen Strafe kämen noch millionenschwere Zinsen hinzu.

Die Uhr ticke, die Zinsen stiegen, und Donald blieben nur zwei Optionen: Er könne das Geld selbst aufbringen oder er müsse eine Kaution hinterlegen. Doch beide Optionen brächten ihn ins Schwitzen.

«Er hat mit ziemlicher Sicherheit nicht genug Bargeld zur Hand, um das Urteil plus Zinsen zu bezahlen. Und wenn er keine legitime Einrichtung finden kann, die ihm das Geld leiht oder eine Kaution stellt, was dann?» Diese Frage stelle sich umso mehr im Fall seiner Rückkehr ins Weisse Haus.

Trump meldet sich nach Nawalnys Tod zu Wort und zieht Vergleich zu USA

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Trump ist nicht schüchtern, wenn es darum geht, seine Meinung zu sagen. Doch nach dem Tod des russischen Oppositionellen Nawalny hält er sich erst zurück – und zieht dann einen bizarren Vergleich.

20.02.2024

Es sei nicht ganz klar, wieso, aber ihr Onkel fühle sich Wladimir Putin gegenüber zu mehr Loyalität verpflichtet als dem amerikanischen Volk. Saudi-Arabien folge an zweiter Stelle, dank der engen Geschäftsbande zwischen Trump-Schwiegersohn Jared Kushner und dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Und: Auch China sei mit 5,5 Millionen Dollar mit Trump verbandelt.

«Woher das Geld kommt, ist damit sogar wichtiger als die Frage, ob er es zusammenkriegt», findet Mary L. Trump. Das sei eine «Frage der nationalen Sicherheit».

Es gebe aber auch eine andere Option: Donalds Social-Media-Unternehmen – der Ex-Präsident hat sich bekanntlich mit Truth Social eine Art Twitter-Alternative aufgebaut – könnte an ein Unternehmen namens Digital World Acquisition Corp. verkauft werden. Das könnte ihm theoretisch bis zu 4 Milliarden Dollar bringen, glaubt sie.

Ihr platze der Kopf bei dem Gedanken, «dass diesem Kriminellen immer wieder aus der Patsche geholfen wird, während er scheitert».

Natürlich hat Mary L. Trump auch Meinungen zum Vorwahlkampf in den USA und, und, und. Mit ihrem berühmten Onkel macht sie übrigens auch selber Geld, denn manche Inhalte ihres Newsletters gibt es nur gegen Bezahlung. Das Futter dafür wird ihr nicht so schnell ausgehen – der US-Wahltag ist erst im November.