Das palästinensische Abu Dis wieder im Fokus Ein Dorf als Hauptstadt? Das palästinensische Abu Dis wieder im Fokus

Dusan Vranic, AP

12.7.2018

In Abu Dis rottet der Rohbau des palästinensischen Parlaments vor sich hin. Doch seit die USA Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannt haben, rückt das Dorf im Westjordanland wieder in den Fokus - als mögliche Hauptstadt der Palästinenser.

Der leere Plenarsaal ist voller Taubendreck, den streunenden Hund scheucht der Wächter mit einem Stock davon. Das Gebäude, das einst das palästinensische Parlament hätte werden sollen, steht da als bedrückende Mahnung für all das, was hätte sein können.

Der Bau begann 1996. Damals verhandelten Israel und die Palästinenser über jene vorläufigen Vereinbarungen, die zur palästinensischen Autonomiebehörde führten - ein Schritt hin zu einem unabhängigen Palästinenserstaat. Damals befanden einige das Dorf Abu Dis als elegante Lösung für den Streit um Jerusalem, das sowohl Israelis als auch Palästinenser als ihre Hauptstadt beanspruchen.

Zwar liegt Abu Dis ausserhalb der von Israel gezogenen Stadtgrenzen, doch sieht die palästinensische Behörde es als Teil der Gemeinde Jerusalem an. Und tatsächlich eröffnen Büros ganz oben in dem verlassenen Gebäude einen Blick auf die nur wenige Kilometer entfernte ehrwürdige Al-Aksa-Moschee in der Jerusalemer Altstadt. Es heisst, dass einer dieser Räume für den verstorbenen Palästinenserführer Jassir Arafat bestimmt gewesen sein soll.

Doch im Jahr 2000 scheiterten die Friedensgespräche über ein endgültiges Abkommen, ein Palästinenseraufstand brach aus. In Jerusalem brodelte es, und der Ort, der einst als Segen angesehen wurde, wurde plötzlich zum Fluch. Die Bauarbeiten stoppten, Israel baute seine Sperranlagen direkt neben dem Gebäude und schnitt es so von Jerusalem ab.

Eine Zeit lang arbeitete das Parlament von zwei Orten aus, an denen die Palästinenser die Kontrolle besitzen: in Gaza am Mittelmeer und Ramallah im Westjordanland. Doch nachdem die militante Hamas 2006 die palästinensischen Wahlen gewonnen und im Jahr darauf Gaza unter ihre Kontrolle gebracht hatte, stellte das Parlament seine Arbeit komplett ein. Der verlassene Bau in Abu Dis steht jetzt als Ruine da, Unkraut wuchert an seinem Eingang, im Keller stapeln sich staubige Stühle. Kabel baumeln von den Decken in Räumen, die auf die grauen Steinplatten der israelischen Grenzanlagen hinausgehen.

Jetzt das Dorf ist zurück in den Nachrichten. Es soll angeblich Teil eines Friedensplans werden, den die US-Regierung unter Donald Trump ausarbeitet.

Etwa um die Zeit, als die USA Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannten, begann Saudi-Arabien, sich bei den Palästinensern nach Abu Dis zu erkundigen. So entstanden Spekulationen, der Friedensplan werde die alte Idee wiederbeleben, das Dorf als Hauptstadt aufzubauen. Nach Jahren der Gewalt und Enttäuschung, die auf allen Seiten die Fronten verhärtet haben, wäre das allerdings schwer zu verhandeln. Zumal die Palästinenser in ihrer Wut über die US-Entscheidung zu Jerusalem die derzeitige Regierung in Washington als voreingenommen zugunsten Israels betrachten.

Der frühere palästinensische Aussenminister Nabil Schaath sagt, die USA könnten die Palästinenser nicht dazu zwingen, einen anderen Ort als Ost-Jerusalem als ihre Hauptstadt anzuerkennen. «Wer hat den Vereinigten Staaten das Recht gegeben, darüber zu entscheiden, wo unsere Hauptstadt sein soll?», fragt er. «Abu Dis gehört zu unserem Staat, aber es ist nicht unsere Hauptstadt.»

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