IranEin Jahr Geiselhaft – Angehörige bangen um Entführungsopfer
SDA
7.10.2024 - 16:32
Die Strassen in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv sind an diesem Tag leerer als sonst. Vor allem in den öffentlichen Verkehrsmitteln machen sich die Passagiere rar. Es geht die Befürchtung um, dass nicht nur Raketen auf die Stadt zielen könnten, sondern dass sich – wie schon vor längerer Zeit – Selbstmordattentäter in Autobussen in die Luft sprengen.
Keystone-SDA
07.10.2024, 16:32
SDA
Es ist der Jahrestag des Terrorüberfalls auf den Süden Israels. Am 7. Oktober des Vorjahres hatten Bewaffnete der islamistischen Hamas und anderer Organisationen aus dem Gazastreifen im Süden Israels ein beispielloses Massaker verübt. Sie töteten rund 1.200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln in das abgeriegelte Küstengebiet. Rund 100 Geiseln befinden sich noch in der Gewalt ihrer Entführer.
Viele Angehörige der Entführten haben sich gleich am Anfang im Forum der Geiselfamilien organisiert. Sie übernahmen den Platz vor dem Tel Aviver Kunstmuseum, der nun «Hostage Square» – Platz der Geisel – heisst. Es ist ein öffentlicher Raum, in dem mit Installationen, Ausstellungen und Demonstrationen permanent auf das Los der Geiseln hingewiesen wird. Mit dem Gaza-Krieg gegen die Hamas, den das Massaker ausgelöst hatte, und dem nun offen ausgebrochenen Krieg gegen die proiranische Hisbollah im Libanon sind die Bemühungen um ihre Freilassung ins Hintertreffen geraten.
Gedrückte Stimmung auf dem «Platz der Geiseln»
So herrscht unter den Besuchern auf dem «Hostage Square» an diesem schwülen, sonnigen Herbsttag eine gedrückte Stimmung. Auf einer digitalen Anzeigetafel ist zu sehen, seit wann die Geiseln bereits im Gazastreifen sind: 366 Tage. Michal Mayo ist die Cousine von Doron Steinbrecher, eine der noch rund 100 Entführten. Die etwa 30-jährige Mayo trägt Brille und hat rot-blonde Locken, und sie wirkt erschöpft, während sie spricht. «Doron wurde aus ihrem Haus im Kibbuz Kfar Aza verschleppt», erzählt sie. «Sie war so mutig. Während ihrer Entführung schrieb sie WhatsApp-Botschaften – «Sie haben mich! Sie haben mich!» -, so erfuhren wir, dass sie entführt wurde.»
Irgendwann im Januar, berichtet sie weiter, veröffentlichte die Hamas ein Propaganda-Video, das ihr 30-jähriges Entführungsopfer am 107. Tag des Martyriums zeigt. «Sie sah furchtbar aus», sagt Mayo. «Man konnte sehen, dass sie leidet, dass sie abgemagert ist, dass ihre Haut ungesund aussieht. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihr.» Steinbrecher leide seit der Geburt an einer chronischen Erkrankung, sie benötige täglich Medikamente, die sie in der Geiselhaft mit Gewissheit nicht erhalte. «Die Zeit läuft ab.» Jedes Mal, wenn bekannt wird, dass wieder jemand in der Hamas-Gefangenschaft ermordet wurde, sei ein Schlag für sie und die anderen Geiselangehörigen, betont Mayo. Sie alle wollen ihre Lieben lebend zurückbekommen.
Ausweitung des Krieges
Israel steht an diesem Tag ganz im Zeichen des Jahrestages des Hamas-Massakers. Das Land hat sich seitdem grundlegend verändert. Mit unerbittlicher Härte treibt die israelische Armee die Zerschlagung der Hamas im Gazastreifen voran. Kritik wegen der vielen zivilen Opfer unter den Palästinensern prallt an den meisten Israelis ab. Der Hamas-Überfall war zugleich auch ein riesiger Schock, der den jüdischen Israelis das Sicherheitsgefühl nahm. Mit der Hisbollah im Libanon griff eine weitere mit dem Iran verbündete Miliz in das Kampfgeschehen ein. Israel ist nun bestrebt, auch die Gefahr, die von der Hisbollah ausgeht, ein für alle Mal auszuschalten. Der Iran selbst, der sich die Zerstörung Israels zum Ziel gesetzt hat, steht an der Schwelle zu einem Krieg mit seinem Erzfeind.
Das Schicksal der Geiseln droht ins Hintertreffen zu geraten. In der Regierung hofft man, sie durch die restlose Zerschlagung der Hamas befreien zu können. Dass das gelingt, ist zweifelhaft. Der Fokus richtet sich auf die militärische Konfrontation mit den Erzfeinden des jüdischen Staates, mit der vom Iran geführten «Achse des Widerstands», die die Hamas und die Hisbollah einschliesst. Staatspräsident Izchak Herzog nahm am Morgen dieses Jahrestages am Gedenken im Wald von Reim teil, wo die Islamisten am 7. Oktober die arglosen Besucher eines Musik-Festivals getötet, vergewaltigt und entführt hatten.
Herzog stellt bei diesem Anlass die Kriegsanstrengungen seines Landes in den Vordergrund. Israel schlage eine «Schlacht für die freie Welt», meint er unter Anspielung auf den autokratischen Iran. Die Welt solle Israel im Kampf gegen seine Feinde unterstützen, um der Region «Frieden und eine bessere Zukunft» bringen zu können, lautet seine Botschaft.
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