Südafrikaner in der Ukraine Wie Lionel de Lange neun Löwen vor dem Krieg rettete

Von Andrea Moser

10.6.2022

Neun Löwen sind aus einem Zoo in Odessa von Lionel de Lange und seinem Team gerettet worden. (Symbolbild) 
Neun Löwen sind aus einem Zoo in Odessa von Lionel de Lange und seinem Team gerettet worden. (Symbolbild) 
KEYSTONE/Laurent Gillieron

Der südafrikanische Tierschützer Lionel de Lange rettet seit Jahren Tiere in der Ukraine. Russlands Angriffe stellen ihn vor neue Herausforderungen. Eine Geschichte über die Rettung von neun Löwen, die drei Tage dauerte. 

Von Andrea Moser

Der Südafrikaner und Tierparkbesitzer Lionel de Lange rettet regelmässig Tiere aus unzumutbaren Verhältnissen. Seit er vor acht Jahren eine Zeitlang in der Ukraine lebte, ist er dort regelmässig bei Rettungskationen im Einsatz. Auch während dem Krieg in der Ukraine. 

Eine seiner letzten Einsätze führte ihn zusammen mit zwölf weiteren Tierschützern nach Odessa. Der Weg zu einem Zoo, wo neun Löwen das Futter ausging, entpuppte sich als echte Odyssee. Das erste Hindernis kam bereits kurz nach dem Start der rund achtstündigen Fahrt. «Fünf Minuten später hatte unser erstes Fahrzeug eine Panne», erzählt de Lange im Gespräch mit dem »Guardian». 

Seine Pläne ändern musste de Lange bereits vor der Autopanne. Die Route, die er und sein Team ursprünglich wählten, war wegen russischen Angriffen zu gefährlich. Er beschloss, durch Moldawien zu reisen, was eine neue Reihe von Papieren im Rahmen des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten erforderte.

«Die Polizei war bereit, die Löwen zu erschiessen»

Ebenfalls nötig war eine Polizeieskorte. Aber: «Das war nicht, um uns vor den Russen zu schützen», sagt de Lange. «Die Polizei war bereit, die Löwen im Falle eines Unfalls zu erschiessen.» Er fügt hinzu, dass die Behörden an Grenzposten diverse Fragen zur Sicherheit gestellt hätten. «Bei einem Löwen stören sie sich nicht wirklich daran, und ich habe es schon mehrmals gemacht. Aber bei neun Löwen sind alle sehr vorsichtig geworden.»

Als das Rettungsteam, bestehend aus de Lange, einer Gruppe britischer Kriegsveteranen und einem Tierarzt, schliesslich in Odessa eintrafen, war Abend. De Lange erzählt, dass es zu spät gewesen sei, die neun Löwen zu betäuben und zu verfrachten. Der Besitzer der Tiere habe der Gruppe daher die Unterkunft in einem Hotel bezahlt. Damit russische Ziele das Hotel nicht treffen, seien um 21 Uhr alle Lichter gelöscht worden. «Das war wahrscheinlich das Ungewöhnlichste», sagt De Lange. «Wir assen unsere Mahlzeiten im Schein unserer Smartphones.»

Unterwegs mit neun Löwen in drei Fahrzeugen

Am nächsten Tag begann die eigentliche Rettung der neun Löwen. Alle mussten zuerst betäubt werden. Anschliessend erhielten sie einen Gesundheitscheck, wurden geimpft und in Transportkisten verfrachtet, wo sie schliesslich aus der Narkose erwachten. Vier der Kisten transportierte de Lange in einem Van, vier weitere auf einem ausgedienten Militärlastwagen. Der letzte Löwe wurde in seiner Kiste auf die Ladefläche eines umgebauten Krankenwagens geladen. 

Lionel de Lange und sein Team bei der Rettung von Löwen in der Ukraine.

Facebook/Lionel De Lange

Alle Löwen haben die Reise sicher überlebt – abgesehen von einigen Beulen und blauen Flecken durch die Transportkisten, ausgelöst durch die vielen Schlaglöcher in den Strassen. Eine Reise, die de Lange nur der Tiere wegen auf sich nimmt. Alles sei mit viel Stress verbunden, sagt er. «Man hat es mit wilden Tieren zu tun, die völlig unberechenbar sind. Ausserdem kann man auf der Reise jederzeit angegriffen werden, wenn die Russen beschliessen, dieses Gebiet zu dieser Tageszeit anzugreifen.»

Ein betäubter Löwe erhält einen Gesundheitscheck vor dem Transport.

Facebook/Lionel De Lange

Der schwierigste Teil ist nicht die Reise selbst

Als kniffligsten Teil der Rettungsaktion bezeichnet de Lange jedoch nicht die Fahrt selbst, sondern die Suche nach einem vorübergehenden Zuhause für die Löwen. Dort bleiben sie, bis de Lange eine dauerhafte Bleibe für die Raubkatzen organisiert hat. «Alles andere war einfach. Schwierig war es, ein vorübergehendes Zuhause für neun Katzen zu finden.»

Fündig wurde de Lange übrigens in Târgu Mureș, Rumänien. Die Stadt erklärte sich bereit, die neun Löwen bis am 1. September aufzunehmen. Bis dann hofft de Lange, ein dauerhaftes Zuhause in einer Auffangstation gesichert zu haben.