Nun liegt es in den Händen der SPD-Mitglieder, ob eine neue grosse Koalition unter Führung von Kanzlerin Merkel auch tatsächlich zustande kommt. Foto: Kay Nietfeld
Olaf Scholz wechselt vom Hamburgs Rathaus ins Finanzministerium in Berlin. Foto: Bernd von Jutrczenka
Der bisherige Bundesinnenminister Thomas de Maizière wird der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören. Foto: Bernd von Jutrczenka
Julia Klöckner (CDU) gilt als Favoritin für das Ressort Ernährung und Landwirtschaft. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
CDU, CSU und SPD hatten bis zuletzt um inhaltliche Details und Ressortzuschnitte einer künftigen grossen Koalition gerungen. Vorübergehend war nicht ausgeschlossen worden, dass die Verhandlungen noch scheitern könnten. Foto: Bernd von Jutrczenka
Mikrofone wartender Medienvertreter vor der CDU-Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus. Die Parteien haben sich auf die Ressortverteilung geeinigt. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
Einigung in Berlin: Grosse Koalition auf dem Weg
Nun liegt es in den Händen der SPD-Mitglieder, ob eine neue grosse Koalition unter Führung von Kanzlerin Merkel auch tatsächlich zustande kommt. Foto: Kay Nietfeld
Olaf Scholz wechselt vom Hamburgs Rathaus ins Finanzministerium in Berlin. Foto: Bernd von Jutrczenka
Der bisherige Bundesinnenminister Thomas de Maizière wird der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören. Foto: Bernd von Jutrczenka
Julia Klöckner (CDU) gilt als Favoritin für das Ressort Ernährung und Landwirtschaft. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
CDU, CSU und SPD hatten bis zuletzt um inhaltliche Details und Ressortzuschnitte einer künftigen grossen Koalition gerungen. Vorübergehend war nicht ausgeschlossen worden, dass die Verhandlungen noch scheitern könnten. Foto: Bernd von Jutrczenka
Mikrofone wartender Medienvertreter vor der CDU-Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus. Die Parteien haben sich auf die Ressortverteilung geeinigt. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
Es war ein quälender Prozess, aber jetzt ist es vollbracht: Union und SPD machen einen Riesenschritt in Richtung grosse Koalition. Die Einigung bringt die Genossen aber ins Rotieren - und am Ende kann noch alles schief gehen.
Viereinhalb Monate nach der Bundestagswahl sind die Weichen für eine neue grosse Koalition gestellt - und die SPD steht vor dem nächsten grossen personellen Umbruch. Martin Schulz will den Parteivorsitz an Fraktionschefin Andrea Nahles abgeben und Aussenminister unter Kanzlerin Merkel (CDU) werden.
Wichtigster SPD-Mann im Kabinett soll Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz als Vizekanzler und Finanzminister werden. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer soll ein neu zugeschnittenes Superministerium für Inneres, Heimat und Bau bekommen.
Das ist das
Ergebnis eines dramatischen Finales der 13-tägigen Koalitionsverhandlungen, das am Morgen erst nach 24 Stunden endete. «Es hat sich gelohnt», sagte Merkel anschliessend, die nun zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden könnte. Sicher ist aber noch nichts: Der Entscheid der 463 723 SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit CDU und CSU soll vom 20. Februar bis zum 2. März stattfinden. Das beschloss der Parteivorstand, wie die Deutsche Presse-Agentur am Mittwochabend in Berlin erfuhr. Seit Neujahr waren 24 339 Neumitglieder eingetreten, wie SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mitgeteilt hatte.
Grosse Skepsis an der Basis
Einsendeschluss für die Wahlbriefe ist der 2. März. Am Wochenende danach wird ausgezählt, so dass bis zum 4. März mit einem Ergebnis gerechnet wird. Stimmt die Mehrheit mit Ja könnte sich die seit 2005 amtierende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anschliessend im Bundestag erneut zur Regierungschefin wählen lassen - damit würde die bisher längste Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik enden.
2013 hatten die SPD-Mitglieder mit rund 75 Prozent der grossen Koalition zugestimmt, dieses Mal wird wegen der grossen Skepsis an der Basis mit einem knapperen Ergebnis gerechnet. Die SPD soll sechs Ministerien bekommen, darunter Aussen und Finanzen.
Neben den letzten inhaltlichen Knackpunkten wurde in der Schlussrunde auch schon die Postenverteilung weitgehend geklärt. Die SPD, die bei der Bundestagswahl nur 20,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte, schnitt dabei überraschend gut ab. Sie soll sechs Ministerien bekommen, darunter die prestigeträchtigen Ressorts Aussen, Finanzen und Arbeit. Hinzu kommen das Familien-, das Justiz- und das Umweltministerium.
Schulz sagte in einer Pressekonferenz mit Merkel und Seehofer, der Koalitionsvertrag trage «in einem grossen Masse sozialdemokratische Handschrift». Zu seinen Rückzugsplänen äusserte er sich zunächst nicht öffentlich. Für den Nachmittag war eine Sitzung des Parteivorstands geplant.
Schulz wird nicht nur auf den Parteivorsitz, sondern auch auf den Posten des Vizekanzlers verzichten. Er war erst vor elf Monaten mit dem Rekordergebnis von 100 Prozent an die Spitze der Sozialdemokraten gewählt und im Dezember im Amt bestätigt worden. Seit der verlorenen Bundestagswahl gab es aber massiven Unmut in der Partei über seine Amtsführung. Sein Eintritt ins Kabinett ist innerparteilich umstritten, weil Schulz einen solchen Schritt nach der Wahl zunächst kategorisch ausgeschlossen hatte.
Die erste Frau an der SPD-Spitze
GroKo-Gegner werfen ihm deswegen mangelnde Glaubwürdigkeit vor. Das Aufgeben des Parteivorsitzes könnte mit Blick auf den Mitgliederentscheid auch ein Zugeständnis an die Kritiker sein. Nahles wäre die erste Parteivorsitzende in der mehr als 150-jährigen SPD-Geschichte.
Die personelle Neuaufstellung hat vor allem einen Leidtragenden: den bisherigen Vizekanzler und Aussenminister Sigmar Gabriel. Der langjährige frühere Parteichef wird dem neuen Kabinett möglicherweise gar nicht mehr angehören und wäre dann nur noch Hinterbänkler im Bundestag ohne einen Führungsposten - und das, obwohl er in allen Ranglisten der beliebtesten deutschen Politiker ganz oben dabei ist.
Die CDU kommt bei der Postenverteilung relativ schlecht weg. Die Partei verliert mit dem Innen- und dem Finanzressort zwei der wichtigsten Ministerien. Der bisherige Innenminister Thomas de Maizière zieht sich ganz aus der Bundesregierung zurück. Merkel räumte ein, dass der Verzicht auf diese beiden Ressorts vielen schwer falle. «Dass die Frage, wer bekommt welches Ressort, eine nicht ganz einfache war, das will ich gerne hier verraten», sagte die Kanzlerin.
Es bleiben der CDU Wirtschaft, Gesundheit, Verteidigung, Bildung und Landwirtschaft. Die CSU übernimmt neben dem Innenministerium Verkehr und Entwicklungshilfe.
Parteichef Seehofer zeigte sich zufrieden. «Passt scho», kommentierte er das Ergebnis auf Bayerisch. Ob der wichtigste Posten des Kanzleramtschefs, der die Regierungsarbeit koordiniert, an CSU oder CDU geht, blieb zunächst noch offen.
Das Bündnis aus Union und SPD wäre das vierte dieser Art in der bundesdeutschen Geschichte und die dritte grosse Koalition unter Merkel. Der 177-seitige Koalitionsvertrag trägt den Titel «Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land». Darin heisst es: «Wir wollen sichern, was gut ist, aber gleichzeitig den Mut zur politischen Debatte, zu Erneuerung und für Veränderung beweisen.»
Das war strittig
Inhaltlich war vor allem die Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik bis zuletzt strittig. Die SPD hatte sich zum Ziel gesetzt, die Ungleichbehandlung von Privat- und Kassenpatienten zumindest einzudämmen. Dafür soll nun eine Kommission eingesetzt werden, die eine Angleichung der Arzthonorare für gesetzlich und privat Versicherte prüfen soll. Aus SPD-Sicht ist das weniger als von vielen erhofft.
Union und SPD einigten sich auch auf ein Aus für lange Ketten befristeter Arbeitsverhältnisse und eine Eindämmung sachgrundloser Befristungen. Das von der SPD ursprünglich geforderte Verbot dieser Arbeitsverhältnisse wird nicht kommen.
Der Wortführer der Groko-Gegner in der SPD, Juso-Chef Kevin Kühnert, kritisierte das Zustandekommen der Einigung auf Twitter: «NoGroko bedeutet auch die Absage an den politischen Stil, der heute aufgeführt wird», schrieb er. Die Jusos starten am Freitag ihre Nein-Kampagne zum Mitgliederentscheid, die Parteiführung will erst ab nächster Woche für den Koalitionsvertrag werben.
Dass im Bundesinnenministerium künftig der Bereich «Heimat» angesiedelt werden soll, stellt auch die Sprecher der geschäftsführenden Bundesregierung vor Probleme. Auf die Frage, welches Ministerium aktuell für Heimat zuständig sei, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter: «Kann ich Ihnen nicht sagen, habe ich mich noch nicht mit beschäftigt.» Nach dem zwischen Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag soll die CSU ein Ministerium für die Bereiche Innen, Bau und Heimat übernehmen. Eine Sprecherin aus dem Innenministerium sagte auf Nachfrage: «Das müsste ich erheben, ob in den Jahren seit Gründung der Bundesrepublik das Bundesinnenministerium irgendwann im entferntesten mal eine Zuständigkeit im Bereich Heimat hatte.» Ein Sprecher des Agrarministerium verwies immerhin darauf, dass es in seinem Haus eine eigene Abteilung für den ländlichen Raum gebe. «Wenn Sie den Begriff Heimat so auslegen, dann ist das Thema ländliche Räume aktuell im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit angesiedelt.»
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