USA «Dieser Mann ballert auf ihn, während die Kinder auf dem Rücksitz schreien»

AP/phi

25.8.2020 - 12:45

In Wisconsin hat ein Polizist einem Schwarzen offenbar mehrmals in den Rücken geschossen. Joe Biden schaltet sich in den Fall ein, die Republikaner warnen vor voreiligen Schlüssen.

Empörung über einen mutmasslichen weiteren Fall von Polizeigewalt gegen einen Schwarzen hat im US-Staat Wisconsin die zweite Nacht in Folge zu Protesten und Ausschreitungen geführt. Die Polizei setzte erneut Tränengas gegen Hunderte Demonstranten ein, die eine Ausgangssperre missachteten und die Beamten mit Flaschen und Feuerwerkskörpern bewarfen.

Protest vor dem Gericht Kenosha County am Montag.
Protest vor dem Gericht Kenosha County am Montag.
AP

Auslöser der Proteste war ein Handyvideo, das zeigt, wie ein Schwarzer von Polizeikugeln getroffen wird – offenbar in den Rücken. Bereits in der Nacht zum Montag hatten Demonstranten Autos in Brand gesteckt und sich Zusammenstösse mit der Polizei geliefert.

Aus Furcht vor einer Eskalation rief Wisconsins Gouverneur Tony Evers am Montag 125 Mitglieder der Nationalgarde in die Stadt Kenosha, um die Infrastruktur zu bewachen und für den Schutz von Feuerwehrleuten und anderen Kräften zu sorgen. Zudem wurde ab 20 Uhr eine Ausgangssperre verhängt.

Schläge und Elektroschocker

Die Handyaufnahmen zeigen einen Polizeieinsatz vom Sonntagnachmittag gegen den 29-jährigen Jacob Blake: Zu sehen ist, wie dieser vom Trottoir zur Fahrerseite eines Geländewagens geht und dabei von Beamten mit gezogenen Waffen verfolgt wird. Sie brüllen ihm etwas zu. Als Blake die Tür öffnet und sich in den Wagen hineinbeugen will, packt ihn einer der Polizisten am Oberhemd und feuert, während Blake ihm den Rücken zugekehrt hat.

Schreckliches Video: Der Moment der Schussabgabe.
Schreckliches Video: Der Moment der Schussabgabe.
Screenshot: YouTube

Sieben Schüsse sind zu hören, doch ist nicht klar, wie viele Kugeln den Afroamerikaner getroffen haben. Blake kam in ernstem Zustand in ein Krankenhaus. Die Handyaufnahmen sollen von einem Zeugen stammen, der sich als Raysean White zu erkennen gab. Vor den Schüssen, berichtete der 22-Jährige, habe er in einem gegenüberliegenden Haus aus dem Fenster geschaut und bis zu sieben Frauen lautstark auf dem Fussweg miteinander streiten sehen. Kurz darauf sei Blake vorgefahren.

White sagte, er sei ein paar Minuten nicht am Fenster gewesen, wieder zurück habe er gesehen, wie drei Beamte sich mit Blake auf der Strasse ein Handgemenge geliefert hätten. Einer habe Blake in die Rippen geboxt, ein anderer habe ihn mit einem Elektroschocker traktiert. Blake habe sich loswinden können und sei weggegangen.

Angeblich unbewaffnet

Doch die Beamten hätten gebrüllt: «Lassen Sie das Messer fallen!», sagte White. Dann seien die Schüsse gefallen. Er habe kein Messer in Blakes Händen gesehen. Auch Gouverneur Evers sagte, er habe keine Hinweise, dass Blake ein Messer oder eine andere Waffe getragen hätte. Er verurteilte die Schüsse auf ihn. Zu dem Fall ermittele Wisconsins Justizministerium.

Blakes Lebensgefährtin Laquisha Booker sagte dem Lokalsender WTMJ-TV, dass ihre gemeinsamen drei Kinder auf dem Rücksitz des Geländewagens gesessen hätten, vor dem ihr Freund angeschossen worden sei. «Dieser Mann packt ihn einfach buchstäblich am Hemd, schaut weg und ballert einfach auf ihn, während die Kinder auf dem Rücksitz schreien», sagte Booker.

Tagsüber waren die Demonstrationen in der Stadt noch friedlich.
Tagsüber waren die Demonstrationen in der Stadt noch friedlich.
EPA

Die Polizei von Kenosha teilte mit, die Beamten seien am Sonntag einem Notruf wegen eines häuslichen Streits nachgegangen. Ob Blake bewaffnet war, wurde nicht gesagt – auch nicht, warum das Feuer eröffnet wurde. Die beteiligten Polizisten wurden beurlaubt. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden forderte «eine sofortige, vollständige und transparente Untersuchung». Die Beamten müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Polizei wehrt sich

Die Republikaner und die Polizeigewerkschaft warfen den Demokraten vor, vorschnell ein Urteil zu fällen. «Wie immer fängt das Video, das gerade die Runde macht, nicht all die Vielschichtigkeiten eines höchst dynamischen Zwischenfalls ein», sagte der Präsident der Polizeigewerkschaft von Kenosha, Pete Deates. Die Stellungnahme des Gouverneurs nannte er unverantwortlich.

Der Bürgerrechtsanwalt Ben Crump, der Blakes Familie vertritt, sagte, dieser habe einfach nur das Richtige tun wollen, indem er bei einem häuslichen Zwischenfall eingeschritten sei. Das Vorgehen der Beamten sei «unverantwortlich, rücksichtslos und unmenschlich.» Blakes Familie bitte aber darum, dass die Proteste friedlich bleiben.

Crump vertrat auch die Familie von George Floyd, jenem schwarzen Mann, dem ein weidsser Polizist Ende Mai in Minneapolis minutenlang das Knie in den Hals drückte. Floyds Tod wühlte die USA auf, in der Folge kam es zu teils gewaltsamen Protesten im ganzen Land.



Die beteiligten Beamten wurden nach Angaben des zuständigen Justizministeriums vom Montag beurlaubt. Die Ermittlungen laufen noch. 

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