Lagebild Ukraine«Es ist hart, sie greifen an, aber alles hält»
Von Philipp Dahm
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17.02.2023
Russen in Nöten: Im Norden beissen sie sich an den Verteidigern die Zähne aus. Der Donbass wird zwar zerstört, doch die ukrainischen Stellungen halten. Im Süden fügt Kiews Artillerie den Angreifern schwere Verluste zu.
Von Philipp Dahm
17.02.2023, 17:56
Philipp Dahm
Es ist der 358. Tag der russischen Invasion der Ukraine: Im nördlichsten Frontabschnitt zwischen Charkiw und Luhansk kommt der russische Vorstoss nicht voran. Weil die Verteidigung zäh ist, deckt die russische Artillerie weiterhin das Dorf Hryanykivka nördlich von Kupjansk sowie die Schlüsselstadt selbst ein.
Ausserdem wird auf die Kontaktlinie bei Swatowe gefeuert, was impliziert, dass die ukrainischen Streitkräfte ein Vorrücken bis zum Fluss Oskil erfolgreich verhindern. Dort sind die 92. Mechanisierte Brigade sowie die 103. und 109. Brigade der Territorialverteidigung stationiert.
Das Artilleriefeuer um Kreminna herum ist ebenfalls vielsagend. Zum einen werden Stellungen an der Ziellinie des russischen Vorstosses am Oskil ins Visier genommen. Daneben werden im Norden die Dörfer Schytliwka und Tschernopopiwka beschossen, die nur 2 und 7 Kilometer von Kreminna entfernt sind.
«Biomasse» gegen Bachmut
Bei den beiden Dörfern im Norden scheinen ebenso ukrainische Streitkräfte zu sein wie im Wald südlich der Schlüsselstadt, der ebenfalls mit Granaten eingedeckt worden ist. Einen Vorstoss russischer Infanterie will Kiew hier zurückgeschlagen haben. Auch ein Angriff auf Bilohorwika im Süden von Kreminna ist fehlgeschlagen, obwohl er von drei Seiten erfolgt sein soll.
#Ukraine: A precise strike by a Ukrainian drone-delivered munition destroyed an abandoned Russian T-80BV tank in the east, having been lowered right inside the Gunner's hatch. pic.twitter.com/5jHTZxrLhv
Damit sind wir am Frontabschnitt von Bachmut angekommen: Die ukrainischen Verteidiger sehen sich weiter wütenden Angriffen der russischen Infanterie ausgesetzt, die der dort stationierte Soldat Kiyanyn als «Biomasse» bezeichnet. Sein Kollege sagt in die Videokamera: «Es ist hart, sie greifen an, aber alles hält.»
BAKHMUT AXIS /1320 UTC 16 FEB/ RU forces are assessed to have functionally interdicted the M-03 HWY North of Krasna Hora. RU units appear to have been driven back from the H-32 HWY S of Chasiv Yar, with UKR troops in contact in the vicinity of Klischiivka. pic.twitter.com/5hJ8hbJyVE
Das gilt zumindest für den Süden von Bachmut, wo ukrainische Truppen die russischen Angreifer weiter von der Verbindungsstrasse H-32 wegdrücken konnten. Doch im Norden der umkämpften Festung konnten die Angreifer Boden gutmachen. Nach der Eroberung von Blahodatne sind sie weiter nach Westen vorgestossen und unterbrechen dort nun die Autobahn M-03.
Trümmerfeld Marjinka und neue Verlustschätzung
Wer der Frontlinie weiter nach Süden folgt, kommt an Marjinka vorbei, das vor der Industriestadt Donezk liegt. Hier führen die Kriegsparteien einen erbitterten Kampf um einen Ort, der zu einem Niemandsland geworden ist, wie ein aktuelles russisches Video zeigt.
Weiter geht es nach Wuhledar, wo es nach den letzten blutigen russischen Verlusten nichts Neues gibt. Apropos: Der britische Geheimdienst schätzt, dass Wladimir Putin in diesem Krieg bisher 175'000 bis 200'000 Verluste zu beklagen hat, davon 40'000 bis 60'000 Tote.
Das Gros ist «fast sicher» der ukrainischen Artillerie zum Opfer gefallen. Bei den Wagner-Einheiten, die sich aus Sträflingen rekrutiert haben, soll die Verlustrate sogar bis zu 50 Prozent betragen, heisst es weiter.
Volltreffer in Saporischschja
Wir beenden die Frontvisite im Süden im Oblast Saporischschja, wo die Verteidiger Erfolge vorweisen können. Die ukrainische Artillerie hat dort nach Angaben Kiews erst einige russische Flugabwehrbatterien nahe der Siedlung Kalantschak ausgeschaltet.
Abschliessend war der Weg frei für weitere Raketenangriffe: Wie «Reporting from Ukraine» berichtet, wurde eine Basis in Skadowsk getroffen, in der auch Shahed-Drohnen stationiert sind. Eine weitere Attacke traf Tschaplynka, wo die russische Luftwaffe einen Stützpunkt unterhält, von dem aus sie regelmässig Ziele in Cherson anfliegt.
It is reported that an explosion occurred in the north part of Crimea, near Armyansk. pic.twitter.com/uJCF4Ni0ve
Und damit nicht genug: Auch die Basis in Armjansk wurde demnach getroffen. Die Stadt liegt bereits auf der Krim und ist ein Scharnier für den Nord-Süd-Truppenaustausch. Auf dem grossen Stützpunkt werden jede Menge Material und Munition gelagert.
Einen letzten Volltreffer landet die Artillerie, als sie einen Konvoi angreift, der von Wasyliwka Richtung Melitopol und womöglich weiter Richtung Wuhledar unterwegs war.
Waffen-Update
«Alles passiert schneller als erwartet»: Wie der «Spiegel» berichtet, kommt die Ausbildung der ukrainischen Crews des Luftabwehrsystems Patriot gut voran. Seit Anfang Februar werden 70 Soldat*innen an einem geheimen Ort in Deutschland trainiert.
France sent the first company of 14 AMX-10RC light tanks to Ukraine. It is reported that their crews have already completed their training. It is said Ukraine will receive 30. https://t.co/4s1bejOn5I
Womit üben Kiews Kräfte sonst noch? «Wir bilden an den Waffensystemen aus, die Deutschland der Ukraine übergibt», erklärt Heiko Diehl, Chef des Stabes Special Training Command bei der Bundeswehr. «Angefangen von der Panzerhaubitze 2000 über das Patriot-Flugabwehrsystem [bis zum Schützenpanzer] Marder und dem Leopard Kampfpanzer.»
Die Lehrlinge bringen unterschiedlich viel Erfahrung mit, heisst es weiter: Einige kämen direkt aus ihren Berufen, andere haben Kampferfahrung und wieder andere sind selbst Ausbilder. Sie müssen im Falle des Marders oder Leopards an verschiedenen Positionen wie Fahrer oder Kommandant geschult werden, wobei – wie in der Schweiz – auch ein Simulator zum Einsatz komme.
So fährt sich ein Leopard-Panzer
Der Leopard 2 ist durch den Krieg in der Ukraine in aller Munde: blue News hat im Januar 2023 das Ausbildungszentrum der Schweizer Armee in Thun besucht und sich den Panzer erklären lassen, in den Kiew grosse Hoffnung setzt.
02.02.2023
Die Ausbildung betrage vier, fünf Tage, wenn es um eine Drohne geht, so Diehl. Beim Marder und Leopard komme man auf fünf bis sechs Wochen. Neben dem «klassischen Handwerk» müsse insbesondere das «Zusammenwirken» trainiert werden, als das «Gefecht der verbundenen Waffen». Wichtig seien auch die Helfer der Truppe – also Soldaten, die Fahrzeuge instandsetzen oder etwa den Bergepanzer bedienen.