Lagebild Ukraine Es läuft für Putin – ausnahmsweise

Von Philipp Dahm

16.3.2023

FSB-Gebäude in russischer Stadt Rostow in Brand geraten

FSB-Gebäude in russischer Stadt Rostow in Brand geraten

Bilder einer Überwachungskamera in der russischen Grossstadt Rostow am Don zeigen den Moment, in dem es in einem Gebäude der Grenzschutztruppen des Inlandsgeheimdienstes FSB zu einer Explosion kommt. Anschliessend brach in dem Gebäude ein Feuer aus. Nach Angaben von russischen Nachrichtenagenturen wurde bei dem Vorfall mindestens ein Mensch getötet, zudem soll es zwei Verletzte gegeben haben.

16.03.2023

Russland vermeldet Erfolge: Soldaten dringen aus drei Richtungen weiter ins umkämpfte Bachmut ein. Und 50 Kilometer südlich ist ein Durchbruch bei Awdijwka gelungen, das zum nächsten Bachmut werden könnte.

Von Philipp Dahm

16.3.2023

Es geht langsamer zu und her in diesem Krieg. Das gilt für die Maschinen, die dieser Tage im aufgeweichten ukrainischen Boden versinken. Und es gilt für die Menschen, die sich bekämpfen. «Die Offensiven des Feindes sind im Vergleich zur letzten Woche deutlich zurückgegangen», erklärt Armee-Sprecher Oberst Oleksiy Dmytrashkivsky im ukrainischen TV.

Statt 90 bis 100 Versuchen pro Tag seien es nun nicht mehr als 20 bis 29 am Tag und 2 bis 9 in der Nacht. Moskaus Taktik beschreibt Dmytrashkivsky so: «Nachts führen sie Angriffsoperationen durch, um unsere Feuerstellungen ausfindig zu machen, damit sie diese tagsüber mit Artillerie eindecken können.»

Russlands Angriffskraft ebbt zum Beispiel bei Wuhledar ab, konstatiert auch der britische Geheimdienst – in Folge «wiederholter, extrem kostspieliger fehlgeschlagener Angriffe in den letzten drei Monaten». Weil die Verteidiger Mienen mit Artilleriegranaten verschiessen, kommen Moskau Kampfverbände nicht voran.

In Bachmut kann der Kreml jedoch taktische Erfolge vermelden, heisst es weiter. Doch auch dort werden die russischen Reihen durch das Vorrücken in der Breite dünner: Moskau braucht mehr Männer – und hat nun angeblich die Regionen des Landes angewiesen, sich auf eine Mobilisierung von weiteren 400'000 Soldaten vorzubereiten.

Bachmut ohne Ende

In Bachmut sind russische Truppen von Osten her über den Fluss Bachmutka weiter in die Stadt vorgerückt. Im Norden ist es Wagner-Söldnern offenbar gelungen, einen Fluss zu queren und das Industriequartier einzunehmen, während russische Fallschirmjäger im Süden von Bachmut erstmals Siedlungen erreicht haben.

Lagebild Bachmut: Die Lücke für einen ukrainischen Rückzug ist auf wenige Kilometer zusammengeschrumpft.
Lagebild Bachmut: Die Lücke für einen ukrainischen Rückzug ist auf wenige Kilometer zusammengeschrumpft.
Karte: Militaryland

Nur dank ukrainischer Gegenoffensiven hat sich die russische Schlinge um die Stadt nicht weiter geschlossen: Nach Süden hin wird aus erhöhter Position das vorgelagerte Dorf Ivaniske verteidigt. Nach Norden hin haben Kiews Kräfte beim Dorf Khromove attackiert. Die russischen Angreifer konnten entlang der Autobahn M03 alias E40 Boden gutmachen.

Die Lage für die Verteidiger bleibt brandgefährlich: Russische Truppen im Norden und Süden sind an der engsten Stelle weniger als fünf Kilometer voneinander entfernt. Das Risiko, eingeschlossen zu werden, bleibt bestehen.

Der Fall von Krasnohoriwka

«Ich habe mich selbst gefragt, ob wir Bachmut weiter verteidigen sollen», sagt ein Ukrainer an der Front der BBC. «Die Alternative ist, dass wir Bachmut aufgeben und in eine andere Siedlung ziehen.» Sein Kamerad ergänzt: «Wir können uns nach Tschassiw Jar zurückziehen, von Taschassiv Jar nach Slowjansk, und dann ziehen wir uns nach Kiew zurück.»

Mit Blick auf die Gruppe Wagner ergänzt der Erstgenannte: «Sie lernen, sie werden klüger, und es regt mich wirklich auf.» Und was sagt der Soldat zur Taktik, Sträflinge zu verheizen? «Ich werde ehrlich sein: Es ist genial. Eine grausame, unmoralische, aber effektive Taktik. Sie hat funktioniert. Und in Bachmut funktioniert sie immer noch.»

50 Kilometer südlich von Bachmut liegt Awdijwka. An diesem Frontanschnitt wie im gesamten Donbass wird nicht erst seit dem 24. Februar 2022 gekämpft. Die Stellungen sind seit der Krim-Annexion 2014 immer weiter befestigt und ausgebaut worden. Umso bemerkenswerter ist, dass Russland hier ein Durchbruch gelungen ist – siehe obige Bildergalerie.

Was plant Kiew an der Saporischschja-Front?

Fehlgeschlagen ist dagegen offenbar ein Versuch russischer Truppen, von Kreminna aus im nördlichen Frontabschnitt nach Westen vorzurücken. Die russische Armee hat dort ihre besten Panzereinheiten stationiert, doch Bilder in sozialen Netzwerken zeigen, dass die Offensive mit T-90M-Panzern zurückgeschlagen werden konnte.

Die ukrainischen Streitkräfte machen dagegen im Süden Druck auf die Front. Zum einen nimmt die Artillerie weiter russische Kasernen und Nachschublager im Hinterland in Melitopol und Berdjansk unter Beschuss. Zum anderen werden auch Dörfer nahe der Front beschossen – und bei Polohy sollen sogar gepanzerte Fahrzeuge vorgerückt sein. Ob das der Aufklärung dient oder doch eine Offensive ist, muss sich erst noch zeigen.

Grössere ukrainische Offensiven sind allerdings erst zu erwarten, wenn mehr westliche Waffen eingetroffen sind: «Wir arbeiten derzeit 50 Leopard 2 und 100 Leopard 1 auf», berichtet dazu Armin Papperger, Chef der deutschen Rheinmetall, der NZZ. «Zusätzlich wollen wir 36 Leopard 2 von der Schweiz kaufen.» Laut «Kyiv Independent» haben inzwischen neun Nationen der Ukraine mehr als 150 Leopard 2 versprochen.

Auch in der Luft legen die Kriegsparteien nach. Israel liefert der Ukraine erstmals Waffen und verkauft Kiew ein Anti-Drohnen-System, das angeblich eine Reichweite von 40 Kilometern hat. Polen wird seinem Nachbarland ausserdem vier Mig-29-Kampfjets überlassen.