EU-Gipfel EU-Sondergipfel findet kein Ende

SDA

20.7.2020 - 06:46

Die EU-Staats- und Regierungschefs verhandeln bereits seit Tagen um eine Einigung bei den Coronavirus-Hilfsgeldern und beim künftigen EU-Finanzrahmen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs verhandeln bereits seit Tagen um eine Einigung bei den Coronavirus-Hilfsgeldern und beim künftigen EU-Finanzrahmen.
Source: KEYSTONE/AP/John Thys

Am frühen Montagmorgen, knapp drei Tage nach Beginn der Verhandlungen in Brüssel am Freitag, scheinen die Fronten beim EU-Sondergipfel in Brüssel im Streit um Coronavirus-Hilfen und langfristigen EU-Haushalt noch immer verhärtet. Es wird weiter gerungen.

Nach rund sechsstündiger Unterbrechung für Gespräche in kleiner Runde sind die 27 EU-Staaten beim Sondergipfel um das Coronavirus-Hilfspaket wieder in grosser Runde zusammengekommen. Das Plenum mit den Staats- und Regierungschefs habe wieder begonnen, teilte der Sprecher von EU-Ratschef Charles Michel am Montagmorgen auf Twitter mit.

Erneute Vertagung

Michel hatte die verhakten Verhandlungen um kurz vor Mitternacht ursprünglich nur für eine 45-minütige Pause unterbrochen. In den folgenden Stunden berieten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs in kleineren Gruppen weiter.

Die Gespräche wurden dann aber nach erneuter Zusammenkunft am frühen Montagmorgen unterbrochen und sollen nun am Montagnachmittag um 16.00 Uhr wieder aufgenommen werden. Dies teilte der Sprecher von EU-Ratspräsident Michel auf Twitter mit. Damit läuft das Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs bereits zwei Tage länger als geplant.

Aber deutlich wurde bereits: Das geplante Konjunktur- und Investitionsprogramm dürfte deutlich schmaler ausfallen, als von Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewünscht. Wenn es denn überhaupt zustande kommt.

Kleinere Brötchen

Statt von Zuschüssen in Höhe von 500 Milliarden Euro ist am Morgen des vierten Gipfeltages nur noch von 350 Milliarden bis 400 Milliarden Euro die Rede. Die Regierungschefs von Österreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Finnland – die selbsternannten «Sparsamen Vier» sind kaum zu Kompromissen bereit. Sie sind die Nettozahler, die an Länder wie Italien und Spanien am liebsten gar keine Zuschüsse, sondern nur rückzahlbare Kredite vergeben würden.

Dass der Gipfel einer der schwersten in der Geschichte der EU werden würde, zeigt sich spätestens am Sonntagabend. Die Stimmung wird Stunde für Stunde angespannter. In einigen Delegationen liegen die Nerven blank. Schuldzuweisungen werden teils sogar mit persönlichen Angriffen auf einzelne Staats- und Regierungschefs verbunden.

So wird dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz vorgeworfen, nicht zuzuhören und sich lieber um Medienarbeit zu kümmern. Zudem instrumentalisiere er zusammen mit dem Niederländer Mark Rutte das Thema Rechtsstaatlichkeit, um die Verhandlungen zu blockieren.

Nerven liegen blank

Kurz gibt sich jedoch unbeirrt. Schon am Vormittag hatte er auf Anschuldigungen gegen Rutte reagiert: Er respektiere, dass nach «ein paar Tagen die Nerven blank liegen oder manche da vielleicht irgendwie Dinge sagen oder Aktionen setzen, die sie in ausgeschlafenem Zustand so nicht machen würden».

In der Nacht gegen 1.30 Uhr twittert Kurz ein Foto, auf dem er gut gelaunt wirkt und mit seinen Kollegen aus Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Finnland zusammensitzt. Man koordiniere die Positionen für die Verhandlungen über die noch ausstehenden Fragen, schreibt Kurz.

EU-Ratspräsident Charles Michel hatte kurz zuvor noch einmal Kompromissbereitschaft aller gefordert. Sein Appell las sich allerdings vor allem verzweifelt und gekränkt. Als Grund für eine notwendige Einigung nennt er unter anderem das erwartbar negative Medien-Echo im Fall des Scheiterns. «Mein Wunsch ist es, dass wir eine Einigung erzielen, und dass die FT («Financial Times») und andere Zeitungen morgen titeln, dass die EU erfolgreich eine «Mission Impossible» gemeistert hat», sagte er laut Redetext.

Vom längsten Gipfel in der Geschichte der EU ist man am Montagmorgen noch rund 24 Stunden entfernt. Damals, im Jahr 2000 im französischen Nizza, hatten die Staats- und Regierungschef einen neuen EU-Vertrag ausgehandelt, der ein weiteres Zusammenwachsen Europas ermöglichte. So wurden die Weichen für die Aufnahme der damals noch nicht zur EU gehörenden Länder Mittel- und Osteuropas sowie von Malta und Zypern gestellt. Erst am frühen Morgen des fünften Tages waren die Verhandlungen damals zu Ende gegangen – mit einem Happy End.

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