Wieder wurden in Istanbul Studierende bei Protesten gegen einen von Erdogan eingesetzten Direktor festgenommen. Zuvor gab es Gerangel mit Sicherheitskräften.
Bei Protesten von Studierenden an der Bogazici-Universität in Istanbul sind erneut mehrere Menschen festgenommen worden. Es habe mindestens 30 Festnahmen in Istanbul gegeben, teilten Studentenvertreter am Montag mit. Die Polizei nahm vor dem Eingang der Universität mehrere Menschen in Gewahrsam, wie eine dpa-Reporterin berichtete. Der Abgeordnete der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Ömer Faruk Gergerlioglu, der zur Unterstützung vor Ort war, sagte der dpa, es habe etwa 100 Festnahmen gegeben.
Auf dem Campus, zu dem nur Studierende Zugang haben, gab es Gerangel mit Sicherheitskräften, wie auf Videos zu sehen war. Die Polizei sperrte die Gegend um die Universität grossräumig ab und hinderte die Studenten nach deren Angaben daran, den Campus zu verlassen und eine Presseerklärung zu verlesen. Die Studenten hatten zu dem Prozess aufgerufen, nachdem am Sonntag zwei Studierende in Zusammenhang mit einem umstrittenen Kunstwerk verhaftet worden waren.
Die Studierenden der Bogazici-Universität protestieren seit Anfang Januar gegen den neuen Direktor Melih Bulu, der der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP nahesteht. In dem Rahmen hatten die Studenten auch eine Ausstellung auf dem Campus organisiert, auf der unter anderem das umstrittene Bild ausgestellt wurde. Darauf ist nach Medienberichten eine Szene rund um das muslimische Heiligtum in Saudi-Arabien, die Kabaa, zu sehen: Die Kabaa ist fast vollständig von einem mythischen Wesen verdeckt. Den Rand des Bildes zieren LGBTQ*-Flaggen. LGBTQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und queere Menschen – und das Pluszeichen als Platzhalter für weitere Identitäten.
Das Bild wurde unter anderem von der islamischen Gruppe der Studentinnen und Studenten der Bogazici-Universität als beleidigend kritisiert. Der Anwalt der Studierenden, Levent Piskin, sagte der Deutschen Presse-Agentur, den verhafteten Studenten sei zunächst «Herabwürdigung religiöser Werte», später dann aber «Aufwiegelung des Volkes zu Hass und Feindschaft» vorgeworfen worden. Nach Ansicht des Juristen liegt «überhaupt keine Straftat» vor. Präsident Recep Tayyip Erdogan ging am Montag bei einer Rede indirekt auf den Vorfall ein und warf der LGBTI-Bewegung Vandalismus vor.