Französische TV-Duelle Momente, die alles verändert haben

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20.4.2022

Marine Le Pen und Emmanuel Macron vor dem TV-Duell im Mai 2017. 
Marine Le Pen und Emmanuel Macron vor dem TV-Duell im Mai 2017. 
Eric Feferberg/AFP POOL/AP/dpa

Es ist ein Abend, der den Kampf um die Macht entscheiden kann: Ab 21 Uhr stehen sich Marine Le Pen und Emmanuel Macron im französischen TV-Duell gegenüber. Dass dabei jeder Satz zählt, zeigt die Vergangenheit.

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20.4.2022

1974: «Sie haben nicht das Monopol des Herzens, Monsieur Mitterrand»

Die erste Fernsehdebatte zwischen zwei Kandidaten um die französische Präsidentschaft findet 1974 statt. Dabei tritt der Kandidat der Union der Linken, François Mitterrand, gegen den Wirtschafts- und Finanzminister der scheidenden Regierung, Valéry Giscard d'Estaing, an.

Nach einem langen Plädoyer gegen die gaullistische Politik, verkörpert von Giscard, wird Mitterrand von seinem Gegner getadelt, der antwortet: «Sie haben nicht das Monopol des Herzens, Monsieur Mitterrand.»

Diese Worte werden in Erinnerung bleiben. Darüber hinaus haben sie es Giscard möglicherweise ermöglicht, seinen sozialistischen Rivalen in einer Präsidentschaftswahl, die bis heute die knappste in der Geschichte der Fünften Republik ist (50,81 Prozent der Stimmen für Giscard d'Estaing), zu schlagen.

1981: «Sie sind der Mann der Passivität»

Sieben Jahre später fordert François Mitterrand erneut Valéry Giscard d'Estaing heraus. Müde von einer schwierigen siebenjährigen Amtszeit kämpft der scheidende Präsident darum zu überzeugen, während der sozialistische Kandidat scharfsinnig wirkt. Indem er Giscard als «den Mann der Passivität» präsentiert, ringt er ihn nieder und kommt zu seiner Revanche.

Am 10. Mai holt der Linke den Sieg, indem er 51,76 Prozent der Stimmen erhält. Dieser Sieg von François Mitterrand beendet eine 23-Jährige Machtära der Rechten. 

1988: «Sie haben völlig Recht, Herr Premierminister»

1988 kandidierte François Mitterrand für eine zweite Amtszeit und tritt gegen seinen rechtsgerichteten Premierminister Jacques Chirac an. Nach zwei Jahren oft turbulenter Zusammenarbeit will dieser den Präsidenten stürzen. Dafür versucht er, sich auf gleiche Höhe wie der Staatschef zu stellen. «Heute Abend bin ich nicht der Premierminister und Sie sind nicht der Präsident der Republik. Wir sind zwei gleichwertige Kandidaten. Sie erlauben mir also, Sie Herr Mitterrand zu nennen?», fragt er seinen Rivalen.

François Mitterrands Antwort sprudelt nur so aus ihm heraus und bringt Jacques Chirac in Bedrängnis: «Sie haben völlig recht, Herr Premierminister», erwidert er in spöttischem Tonfall. 

Der K.-o.-Schlag. Chirac wird vom Amtsinhaber geschlagen, der diese Wahl mit 54,02 Prozent der Stimmen gewinnt.

1995 und 2002: Die Ausnahmen

Nach zwei Siebenjahresperioden verlässt François Mitterrand 1995 den Élysée-Palast. In der Fernsehdebatte des zweiten Wahlgangs dieser Präsidentschaftswahlen stehen sich der Kandidat der rechten RPR, Jacques Chirac, und der sozialistische Kandidat Lionel Jospin gegenüber.

Diese Debatte, die weitaus höflicher war als die vorherigen, bringt keinen wirklichen Gewinner hervor. Mit 52,64 Prozent der Stimmen kommt Jacques Chirac an die Macht. 

Die Präsidentschaftswahlen 2002 sind dadurch gekennzeichnet, dass der rechtsextreme Kandidat Jean-Marie Le Pen in die zweite Runde vorstösst. Dies ist ein Novum in der Geschichte der Fünften Republik. Jacques Chirac, der ebenfalls für die zweite Runde qualifiziert ist, lehnt es ab, mit dem Anführer des Front National zu debattieren. «Angesichts von Intoleranz und Hass gibt es keinen möglichen Vergleich, keinen möglichen Kompromiss, keine mögliche Debatte», begründete der ehemalige Bürgermeister von Paris seine Entscheidung.

Jacques Chirac wird problemlos mit 82,21 Prozent der Stimmen für eine weitere Amtszeit wiedergewählt.

2007: «Man muss ruhig sein»

Fünf Jahre später treten Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy im französischen Fernsehen gegeneinander an. Die sozialistische Kandidatin ist die erste Frau, die in den Élysée-Palast einziehen sollte. Sie ist nervös und vielleicht zu aggressiv, als sie meint, ihr Rivale habe den «Gipfel der politischen Unmoral» erreicht.

Diese heftige Tirade erschüttert den Kandidaten der Rechten nicht, der ihr lediglich antwortete, dass man, um Präsident der Republik zu werden, «ruhig sein muss».

Am Abend des 16. Mai tritt Nicolas Sarkozy schliesslich mit 53,06 Prozent der Stimmen die Nachfolge von Jacques Chirac an. 

2012: «Ich, Präsident der Republik»

Im Jahr 2012 startet Nicolas Sarkozy eine neue Präsidentschaftskandidatur, aber der Kandidat der Rechten wird in der Debatte zwischen den beiden Wahlgängen von François Hollande in den Schatten gestellt. Als die Journalistin Hollande nämlich fragt, was er als Präsident der Republik tun würde, setzt der sozialistische Kandidat zu einer berühmt gebliebenen Anapher an, die mit «Ich, Präsident der Republik ...» beginnt.

Da Nicolas Sarkozy angesichts der Litanei des ehemaligen Bürgermeisters von Tulle stumm bleibt, ahnt er vielleicht schon, dass er den Kampf um eine zweite fünfjährige Amtszeit verloren hat. Und so kommt es auch am Abend des 5. Mai 2012, denn François Hollande wird mit 51,64 Prozent der Stimmen gewählt. Dieser Erfolg bringt die Linke 17 Jahre nach dem Abgang von François Mitterrand zurück an die Macht.

2017: «Was Sie vorschlagen, ist Perlimpinpin-Pulver»

Im Jahr 2017 kehrt die extreme Rechte in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zurück. Im Gegensatz zu Jacques Chirac im Jahr 2002 erklärt sich Emmanuel Macron bereit, mit Marine Le Pen zu debattieren. In einem sehr angespannten Wortgefecht verteilen die beiden Schlag um Schlag. Der Schlüsselmoment dieser Debatte ereignet sich, als die Kandidatin des Front National vorschlägt, Zöllner einzusetzen, um Terroristen an den Grenzen zu stoppen. «Was Sie vorschlagen, ist Perlimpinpin-Pulver», antwortet Emmanuel Macron in einer Replik, die in den sozialen Netzwerken schnell die Runde macht.

«Poudre de perlimpinpin», wie dieser Begriff auf Französisch heisst, bedeutet so viel wie Wundermittel. Gemeint ist aber: nur heisse Luft.

Macron wird schliesslich mit 66,10 Prozent der Stimmen gewählt.