Frankreichs Botschafter«Die Schweiz muss sich bewusst sein, dass wir ein Problem haben»
SDA/uri
3.12.2021 - 10:21
Der Botschafter Frankreichs in der Schweiz sieht im geplatzten Kampfjet-Deal eine verpasste Chance für beide Länder. Im Verhältnis zur EU erwartet er vom Bundesrat ein klares Signal.
Keystone-SDA, SDA/uri
03.12.2021, 10:21
03.12.2021, 13:54
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Frankreichs Botschafter in der Schweiz, Frédéric Journès, bemängelt, dass sich der Bundesrat bei der Kampfjet-Beschaffung nicht für die Rafale aus Frankreich entschieden hat. Mit einem derartigen Grossprojekt hätte man «die Beziehungen zwischen unseren Ländern auf eine neue Stufe heben können», sagte Journès in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» (Freitagsausgabe).
Darauf, dass Frankreich womöglich doch noch zum Zuge kommen könnte, weil die F-35 durch eine Volksinitiative verhindert wird, wollte der Botschafter aber nicht setzen. Man könne die gegenseitigen Beziehungen «nicht auf ein hypothetisches Kalkül aufbauen». Nun sei wichtig zu zeigen, dass Frankreich ein beständiger und verlässlicher Partner der Schweiz sei.
Frankreich will Beziehungen zur Schweiz nicht thematisieren
Laut Journès werde Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Dezember die Prioritäten der EU-Präsidentschaft Frankreichs bekannt geben. Im EU-Rat sei indes nicht geplant, die Schweiz zu thematisieren. «Die Schweiz muss sich aber bewusst sein, dass wir ein Problem haben», sagt Journès. Nur weil sie die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen abgebrochen habe, seien die Fragen, die damit behandelt werden sollten, nicht verschwunden.
Ohne einen allgemeinen Governance-Rahmen mit Regeln für die Rechtsübernahme und Streitbeilegung erodiere der bilaterale Weg zusehends, so Journès weiter. Die sektoriellen bilateralen Abkommen seien in einer anderen Zeit entstanden. Einige der Abkommen würden die heutigen Beziehungen nicht mehr abdecken.
«Die EU ist heute nicht mehr bereit, die Bilateralen ohne eine Lösung der institutionellen Fragen zu aktualisieren. Im Binnenmarkt gibt es einheitliche Regeln, an die sich alle Teilnehmer halten müssen. Es darf keine Verzerrungen des Wettbewerbs geben», stellte der Botschafter unmissverständlich klar.
Schweiz hat sich von EU entfernt
Für ihn steht ebenso fest, dass sich die Schweiz in den letzten Jahren von Europa entfernt hat. Die EU nehme den europapolitischen Diskurs in der Schweiz als zunehmend kritischer wahr. Aber auch Europa habe sich verändert seit der Unterzeichnung der bilateralen Verträge. Insbesondere der Brexit sei für die EU ein Schock gewesen, der sich auch auf die Beziehungen zur Schweiz ausgewirkt habe.
Wichtig sei nun, dass sich beide Seiten rasch wieder an einen Tisch setzen würden, sagte Journès. «Wir erwarten vom Bundesrat ein klares Signal, dass er bereit ist, mit der EU über die wirklichen Fragestellungen zu sprechen.» Wirklich eine Beruhigung bringen würden die Lösung der institutionellen Fragen sowie regelmässige Kohäsionszahlungen, für die Regeln vorgesehen seien.