Ibiza-Affäre Enger Mitstreiter belastet Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz schwer

dpa

19.10.2022 - 05:43

Österreichs ehemaliger Kanzler Sebastian Kurz bei einem Auftritt beim Swiss Economic Forum SEF in Interlaken am 3. Juni 2022.
Österreichs ehemaliger Kanzler Sebastian Kurz bei einem Auftritt beim Swiss Economic Forum SEF in Interlaken am 3. Juni 2022.
Bild: Keystone/Anthony Anex

Hat Sebastian Kurz seiner politischen Karriere mit manipulierten Umfragen – finanziert mit Steuergeld – auf die Sprünge geholfen? Einer seiner engsten Mitstreiter hat dazu nun Erstaunliches preisgegeben.

Der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz wird von einem seiner engsten Mitstreiter in einer Korruptionsaffäre schwer belastet. Thomas Schmid, der ehemalige Chef der Staatsholding ÖBAG, habe seit Juni insgesamt fünfzehn Tage lang in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausgesagt, teilte die Behörde am Dienstag in Wien mit.

Laut Auszügen aus den Vernehmungsprotokollen, die mehrere Medien veröffentlichten, sagte Schmid, dass er von Kurz beauftragt wurde, die mit Steuergeld finanzierten geschönten Umfragen in Umlauf zu bringen.

Schon zuvor ging die Staatsanwaltschaft dem Verdacht nach, dass Schmid, Kurz und andere in eine Umfragen-Affäre verstrickt waren. Schmid, der einst auch als Kabinettschef im Finanzministerium arbeitete, hat nun laut den veröffentlichten Protokollen bestätigt, dass das Finanzministerium Anzeigen in einer Zeitung schaltete, die im Gegenzug manipulierte Umfragen veröffentlichte.

Auch die Umfragen seien teilweise vom Finanzministerium verdeckt finanziert worden. Diese als «Tool» (Werkzeug) bezeichnete Konstruktion wurde laut der Staatsanwaltschaft entwickelt, um Kurz 2017 den Weg an die ÖVP-Parteispitze und in das Kanzleramt zu ebnen.

«Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe», sagte Schmid laut Protokoll-Auszügen, die vom öffentlich-rechtlichen Sender ORF und vom Chefredakteur der Wochenzeitung «Falter» veröffentlicht wurden. Kurz' Anwalt Werner Suppan bestritt die Aussagen. «Seine Beschuldigungen sind falsch, und das wird auch noch bewiesen werden», sagte er.

Auslöser: Ibiza-Video

Die Ermittlungen der Korruptionsjäger wurden von einem verdeckt auf Ibiza gedrehten Video ausgelöst. Darin erweckte der damalige rechte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache den Eindruck von Käuflichkeit. Die Veröffentlichung des Videos führte 2019 zum Bruch der Koalition zwischen der konservativen Kanzlerpartei ÖVP und der FPÖ.

Schmids Aussagen führten laut Staatsanwaltschaft ausserdem am Dienstag zu Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts der Bestechung, der Bestechlichkeit und des Amtsmissbrauchs. Eine ÖVP-nahe PR-Beraterin bestätigte der österreichischen Presseagentur APA eine Durchsuchung ihres Büros. Ein grosses Immobilienunternehmen, das laut Medienberichten ebenfalls durchsucht wurde, antwortete nicht auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Neue Karriere in IT-Branche

Seit dem Ende seiner Polit-Karriere in Österreich hat sich Kurz als «Global-Strategist» mit US-Milliardär, Silicon-Valley-Investor und Trump-Anhänger Peter Thiel zusammengetan.

Vergangene Woche wurde ausserdem bekannt, dass der ehemalige Bundeskanzler, gegen den noch immer zwei Ermittlungsverfahren laufen, bei einer vom Ex-NSO-Chef gegründeten IT-Sicherheitsfirma anheuert. Kurz werde als «President und Vice President Business Development» für das vom israelischen Geschäftsmann Shalev Hulio gegründete Start-up Dream Security tätig sein.

Hulio war Mitgründer und bis zum vergangenen August CEO der NSO Group Technologies, die unter anderem Methoden für Cyberangriffe auf Smartphones anbietet. NSO ist Entwickler der berüchtigten Pegasus-Spyware, die für grossflächige Spionagekampagnen gegen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten in aller Welt eingesetzt worden ist.

Sebastian Kurz kündigt Rückzug aus der Politik an

Sebastian Kurz kündigt Rückzug aus der Politik an

Österreichs früherer Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz zieht sich aus der Politik zurück. Er werde das Amt des Parteiobmanns der ÖVP sowie des Fraktionschefs abgeben, sagte Kurz am Donnerstag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, er empfinde aber keine Schwermut. O-TON SEBASTIAN KURZ, EX-BUNDESKANZLER: «Ich war die letzten zehn Jahre mit hundertprozentiger Begeisterung dabei und ich hatte immer enorme Freude an der politischen Arbeit. Die letzten Monate, die letzten Wochen und die letzten Tage ist diese Begeisterung bei mir ein bisschen weniger geworden. [...] Und darüber hinaus steht man unter ständiger Beobachtung, wird täglich kritisiert und hat fast ein bisschen das Gefühl gejagt zu werden.» Beigetragen zu der Entscheidung hätten auch die Entwicklungen der letzten Monate. Er sei mit der Abwehr von Vorwürfen und Anschuldigungen beschäftigt gewesen, sagte Kurz. Seine Leidenschaft für Politik sei damit ein Stück weit weniger geworden. Kurz sagte weiter, er freue sich auf Zeit mit seinem Kind und seiner Familie. Im kommenden Jahr wolle er sich neuen beruflichen Aufgaben zu widmen. Bereits im Oktober war Kurz als Kanzler zurückgetreten, nachdem bekannt wurde, dass gegen ihn wegen Untreue und Betruges ermittelt wird.

02.12.2021