USA Impeachment: Demokraten sollten «Recall» 2012 als Mahnung nehmen

AP

30.11.2019

Das von den Demokraten angestrebte Amtsenthebungsverfahren könnte durchaus auch nach hinten losgehen — und Donald Trump am Ende profitieren.
Das von den Demokraten angestrebte Amtsenthebungsverfahren könnte durchaus auch nach hinten losgehen — und Donald Trump am Ende profitieren.
Bild: Patrick Semansky/AP/dpa

Die Impeachment-Bemühungen von Trumps Gegnern könnten durchaus nach hinten losgehen. Experten verweisen etwa auf ein Verfahren zur Abwahl des republikanischen Gouverneurs Scott Walker im Jahr 2012. Der ging sogar gestärkt aus der Sache hervor.

Ein umstrittener Regierungschef treibt die Opposition zu ungewöhnlichen Massnahmen, das politische Klima ist vergiftet. Zivilisierte Debatten finden kaum noch statt. Am Ende kommt es zu einem Showdown, der auch die folgende Wahl erheblich prägt. Die Rede ist nicht vom aktuellen Geschehen in Washington. Sondern von einem Versuch vor gut sieben Jahren im US-Staat Wisconsin, den Gouverneur abzuberufen. Parallelen zu heute gibt es dabei aber sehr wohl.

Rückblickend urteilen viele, dass die Demokraten in Wisconsin 2012 übers Ziel hinausschossen – und dass die Partei den Misserfolg im Hinblick auf das mögliche Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump als Warnung nehmen sollte. «In beiden Fällen gingen sie davon aus, dass alle so entrüstet wären, wie sie selbst», sagt der Republikaner Scott Walker, der damals weiter Gouverneur bleiben durfte. «Nur weil deine Basis eine Sache sehr wichtig findet, gilt das nicht auch für die Mehrheit der anderen Wähler.»

Eine Amtsenthebung ist riskant

Die Demokraten ermitteln wegen mutmasslichem Amtsmissbrauch gegen Trump und sammeln Belege für ein etwaiges Amtsenthebungsverfahren. Sie werfen dem Präsidenten vor, er habe die Ukraine zu Ermittlungen gegen seinen demokratischen Rivalen Joe Biden und dessen Sohn bewegen wollen. Als Druckmittel soll er amerikanische Militärhilfe zurückgehalten haben.

Ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten und das Verfahren zur Abberufung eines Gouverneurs kommen in den USA nur äusserst selten vor. Nur zwei Präsidenten mussten bisher eine Impeachment-Anklage über sich ergehen lassen: Andrew Johnson 1868 und Bill Clinton 130 Jahre später – beide blieben im Amt. Richard Nixon trat 1974 zurück, als der Beginn eines Verfahrens absehbar war. Scott Walker in Wisconsin war erst der dritte Gouverneur, gegen den es zu einem «Recall» kam, also einer direkten Abstimmung der Wähler über eine Abberufung. Und er war der erste, der eine solche überstand.

2012 trieben die Demokraten seine Abberufung voran, weil Walker wenige Monate nach seinem Amtsantritt ein Gesetz unterzeichnet hatte, das Tarifverhandlungen für Angestellte im öffentlichen Dienst praktisch unmöglich machte. Eine entsprechende Absicht hatte der Republikaner erst nach seiner Wahl zwei Jahre zuvor bekannt gegeben. Der Schritt löste massive Proteste aus und machte Wisconsin zum Zentrum eines auch auf nationaler Ebene geführten Streits um die Rechte von Gewerkschaften.

Der Republikaner Scott Walker warnt die Demokraten vor einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump.
Der Republikaner Scott Walker warnt die Demokraten vor einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump.
Bild: Jim Matthews/The Green Bay Press-Gazette/dpa (Archivbild)

Stellvertreterschlacht

Die Abstimmung entwickelte sich zu einer Art Stellvertreterschlacht kurz vor der Präsidentschaftswahl, bei der Barack Obama damals um seine Wiederwahl ins Weisse Haus kämpfte. Viele Demokraten fürchteten, die Geschehen in Wisconsin könnten sich negativ auf Obamas Kandidatur auswirken. Dass der Republikaner sich denn im Amt halten konnte, war aus Sicht der Demokraten ein schlechtes Vorzeichen für Obama. Aber nur fünf Monate später erhielt der in Wisconsin eine klare Mehrheit, was den Ruf des US-Staats als «Swing State» festigte.

Gerade die Seltenheit von Amtsenthebungsverfahren und Gouverneurs-Abberufung sei womöglich ein Grund dafür, warum viele Wähler ihnen skeptisch gegenüber stünden, sagt Charles Franklin von der Marquette University in Milwaukee, der grössten Stadt in Wisconsin. Laut einer aktuellen Umfrage der Universität ist in dem US-Staat unter den nicht klar einer Partei zuzuordnenden Wählern eine Mehrheit von 47 zu 36 Prozent gegen ein Amtsenthebungsverfahren.

Von solchen Umfragen lasse sich mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2020 wenig ableiten, meint Mike Tate, der 2012 Vorsitzender der Demokraten in Wisconsin war. Bis zum kommenden Jahr habe seine Partei noch genügend Zeit, mit anderen Themen zu glänzen. Stephan Thompson hingegen, der damals die Republikaner anführte und 2014 als Wahlkampfleiter von Walker zu dessen Wiederwahl beitrug, sieht ein Impeachment-Verfahren als ein «solch monumentales Ereignis in Geschichte und Politik», dass es für die Demokraten schwer werde, gemässigte Wähler zurück auf ihre Seite zu holen. «Ich denke, das ist etwas, das ihnen nicht bewusst ist», sagt er.

Ein Scheitern der Impeachment-Bemühungen muss aber auch nicht heissen, dass Trump 2020 bessere Chancen hätte. Anders als bei dem «Recall» 2012 geht es heute nicht um einen politischen Streit, sondern um die Frage, ob der Präsident womöglich gegen die Verfassung verstossen hat, wie Jon Erpenbach erklärt. Er sitzt für die Demokraten im Senat von Wisconsin und hält die Entscheidung seiner Kollegen in Washington für richtig: In der Ukraine-Affäre sei der Kongress verpflichtet gewesen, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Zwar mache er sich Sorgen, dass die Sache für seine Partei nach hinten losgehen könne. «Aber das ist nicht der Punkt.»


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