Betrügen leicht gemacht In Deutschland bereichern sich Testzentren in Wildwest-Manier

Von Andreas Fischer

2.6.2021

Weil sich mit Corona-Schnelltests in Deutschland gutes Geld verdienen lässt, werden überall im Land Partyzelte zu Testzentren umfunktioniert. (Symbolbild)
Weil sich mit Corona-Schnelltests in Deutschland gutes Geld verdienen lässt, werden überall im Land Partyzelte zu Testzentren umfunktioniert. (Symbolbild)
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Kostenlose Schnelltests haben Deutschland dabei geholfen, die dritte Corona-Welle zu brechen. Einige kriminelle Betreiber von Testzentren haben lasche Kontrollen für einen gross angelegten Abrechnungsbetrug genutzt.

Von Andreas Fischer

Das Geschäft ist lukrativ. Pro Corona-Schnelltest zahlt der deutsche Staat den Betreibern von Testzentren bislang 6 Euro für das Testmaterial und 12 Euro für den Aufwand – insgesamt also 18 Euro. Ganz davon abgesehen, dass schon die Materialkosten üppig entschädigt werden – im Einkauf sind die Schnelltests für ungefähr 2 Euro zu haben – lässt sich in Deutschland mit «Bürgertests» ordentlich verdienen.

Wo eine Gelegenheit ist, sind Geschäftemacher nicht weit: Mehr als 15’000 Testzentren sind landesweit in kürzester Zeit entstanden. Auf Parkplätzen, in Stripclubs, vor Drogeriemärkten. Nicht alle rechnen wohl korrekt ab: Journalisten haben aufgedeckt, dass einige Betreiber in grossem Stil betrügen und mehr Tests abrechnen, als sie tatsächlich durchgeführt haben. Das geht offenbar ziemlich einfach.

Der Aufschrei beim Nachbarn ist gross. Schliesslich geht es um Milliardensummen, wie «tagesschau.de» und «Süddeutsche Zeitung» schreiben – allein im Mai seien geschätzt bis zu 60 Millionen Tests abgerechnet worden. Genaue Zahlen lassen sich aufgrund der föderalen Flickschusterei in Deutschland nicht erheben. Das Problem ist aber ohnehin ein anderes: Nämlich, dass die Regierung, insbesondere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), erneut keine gute Figur beim Management der Pandemie macht.

Kontrollen nicht vorgesehen

Anstatt sich auf die guten Nachrichten konzentrieren zu können, anstatt sich angesichts einer zunehmenden Entspannung in der Pandemie mit allfälligen Zukunftsmassnahmen zu beschäftigen, versinkt Deutschland nach der Masken-Affäre einmal mehr in einem Corona-Betrugsskandal.

Überraschend ist das nicht: Im Prinzip konnte bislang jeder ein Testzentrum eröffnen. Qualifikationen wurden selten überprüft. Die Devise der Regierung war: schnell und flächendeckend kostenlose Tests anzubieten, um die dritte Welle zu brechen. Das hat funktioniert, nur dass die Kosten für die Steuerzahler offenbar höher sind, als sie sein müssten.

Kontrollmechanismen waren von vornherein so gut wie ausgeschlossen: Dafür hatte Jens Spahn in seiner entsprechenden Verordnung gesorgt. Persönliche Daten von Getesteten durften bei der Abrechnung nicht weitergegeben werden. Der «Kniefall vor dem Datenschutz», wie die niederländische Zeitung «De Telegraaf» kommentiert, öffnete Betrügern Tür und Tor.

In der Schweiz werden anonymisierte Daten übermittelt

In der Schweiz, der Bund bezahlt den Testzentren 54 Franken pro Antigen-Schnelltest, ist man diesbezüglich nicht so zimperlich. «Falls eine Person sich individuell testen lässt, werden die anonymisierten Daten sowohl der positiven als auch negativen Resultate via Meldesystem an den Bund gemeldet», antwortet Jonas Montani vom Bundesamt für Gesundheit /(BAG) auf eine Anfrage von «blue News». Bedeutet: Wer sich individuell testen lässt, muss sich mit der Krankenversicherungskarte ausweisen.

Die Tests können in der Schweiz, so der BAG-Sprecher, «in Apotheken, Arztpraxen, Betrieben, Schulen und Testzentren durchgeführt werden, verantwortlich für die Umsetzung sind die Kantone. Der Bund bezahlt die Tests, die Abrechnung wickeln die Krankenversicherer ab». So weit, so nachvollziehbar.

In Deutschland hingegen können die Testzentren mangels Kontrollmechanismen im Prinzip Strichlisten führen und am Ende des Tages eine Fantasiezahl an die Abrechnungsstelle übermitteln. Überprüfung unmöglich: «Die Politik brauchte ganz dringend grosse Mengen, es war Wildwest, viele Glücksritter und Betrüger drängten in den Markt, und es gab keine vernünftige Kontrolle», räumt ein nicht namentlich genannter hochrangiger Funktionär ein.

Eine Taskforce soll es nun richten

Und das wird erst mal so bleiben. Das Krisenmanagement in Deutschland besteht derzeit aus pauschaler Kritik der Opposition und reflexartigem Wegducken: Jens Spahn wies sogleich vorsorglich jede Verantwortung von sich, ein Bundesministerium könne schliesslich nicht auf Landkreis-Ebene kontrollieren. Finanz- und Gesundheitsämter fühlen sich überrumpelt, alle anderen nicht zuständig oder aus Personalgründen nicht in der Lage.

Bleibt die goldene deutsche Regierungsregel: «Wer einmal nicht weiterweiss, gründet einen Arbeitskreis.» Mittlerweile gibt es also eine Taskforce. Die darf immerhin die Vorschläge für die Anpassung der Testverordnung machen. Zur Debatte steht zum Beispiel, geltend gemachte Sachkosten mit der Zahl der abgerechneten Tests zu vergleichen. Dabei würde dann zumindest auffallen, wenn mit 200 Testkits mehr als 400 angeblich vorgenommene Testungen abgerechnet werden.