Doku über GeiselhaftInterview mit IS-Tätern endet für Journalisten in Tränen
phi
10.8.2023
Der Brite Sean Langan interviewt einen inhaftierten IS-Kämpfer, der an dem Mord an dem Fotografen James Foley beteiligt war. Weil sich die Journalisten persönlich kannten, wird das Gespräch emotional.
phi
10.08.2023, 18:09
11.08.2023, 07:14
phi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der IS hat 2014 in Syrien den Fotografen James Foley geköpft.
Eine ARD-Dokumentation spricht mit Beteiligten, Angehörigen und Opfern der Islamisten.
Die Doku zeigt ein Interview, das der Journalist Sean Langan 2018 mit dem IS-Täter Alexanda Kotey geführt hat.
Weil Langan mit Foley befreundet und einst selbst eine Geisel der Taliban war, wird das Gespräch sehr intensiv.
Es sind grausame Bilder, die im Jahr 2014 um die Welt gehen. Und genau das will die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS). Die Fanatiker haben 2012 in Syrien den amerikanischen Kriegsreporter James Foley entführt. Am 19. August zwei Jahre später statuieren sie an dem 40-Jährigen ein Exempel: Sie köpfen James Foley nach einem US-Luftangriff vor laufender Kamera.
Die ARD-Dokumentation «Die Geiselnehmer – Zeugnisse aus der IS-Hölle» zeichnet nun den Weg von westlichen Gefangenen der Terrororganisation nach und lässt Beteiligte und Angehörige zu Wort kommen. Der dänische Kriegsfotograf Daniel Rye Ottosen, der ein Jahr gefangen war, spricht etwa über Waterboarding, Stromschläge, Hunger und Erschiessungen.
Im Gedächtnis bleibt die Dokumentation aber auch wegen eines Interviews, das ein Journalist 2018 mit zwei IS-Mitgliedern führt, nachdem sie gefangen genommen wurden. Alexanda Kotey und El Shafee Elsheikh gehören zu einer Gruppe von vier britischen Dschihadisten, die in den Medien unter dem Namen «The Beatles» kursieren.
«Ich rede vom Blut an den Händen»
Für den britischen Journalisten und Filmemacher Sean Langan ist das Interview persönlich: Er ist Jahrgang 1964 und 2008 selbst in Pakistan von Taliban entführt und zwölf Wochen festgehalten worden. Er kannte Foley, an dessen Hinrichtung Alexanda Kotey und El Shafee Elsheikh beteiligt waren.
Im Interview gibt sich Langan zunächst freundlich, doch im Laufe der Gespräche kann er seine Emotionen kaum noch kontrollieren. Kotey etwa versucht, sich bloss als einen Verbindungsmann darzustellen. Hinrichtungen zu filmen, sei Teil von «Verhandlungen». Als Langan fragt, warum man einer Mutter so mitteilen müsse, dass ihr Sohne gestorben sei, widerspricht Kotey: «Jetzt vermischen wir die Themen.»
«Es geht nicht um Themen», regt sich Langan auf. «Du redest Juristensprache: Ich rede vom Blut an den Händen.» Kotey wehrt ab: «Darüber wollen wir nicht reden.» Er habe einen «Anteil» daran gehabt, was während der Haft geschehen sei. Und an den Lösegeldverhandlungen. «Alles andere», fährt Kotey fort, «die Entführungen, die ...» Langan springt ein: «IS-Verbrechen?»
«Gibt es ein korrektes Wort dafür, Jim die Kehle durchzuschneiden?»
Kotey stottert. «Ich suche nach einem bestimmten Wort.» Langan kontert: «Gibt es ein korrektes Wort dafür, Jim die Kehle durchzuschneiden? Wie heisst das auf Arabisch?» Kotey: «Bist du auf Streit aus?» Langan räumt ein, dass er mit IS-Opfer Foley befreundet war. «Das willst du nicht hören?»
Kotey entgegnet, er habe auch einem Freund helfen müssen, nach einem US-Luftangriff sein totes Kind zu bergen. «Wenn du emotional sein willst, kann ich das auch», sagt Kotey und schimpft über die US-Politik im Nahen Osten. Langan unterbricht: «Du sitzt hier voller verdammtem Selbstmitleid. Du willst über Guantánamo Bay reden? Ja, du hast recht, das sind Untaten.»
Die IS-Entführer hätten die Gefangenen für die Taten ihrer Regierungen verantwortlich gemacht – oder für das, was eine dänische Zeitung geschrieben habe. Gemeint sind die Mohammed-Karikaturen. «Warum übernimmst du keine Verantwortung? Für das, was du getan hast?» Warum hat ein Gefangener berichtet, wie Kotey ihn auf den Kopf geschlagen hat?
«Und du nennst dich einen verdammten Muslim?»
Kotey leugnet. «Über mein Bedauern oder meine Reue, ist das eine Sache zwischen mir und meinem Schöpfer.» Warum hat er den Geiseln nie etwas Gutes getan? «Und du nennst dich einen verdammten Muslim?» Langan flippt aus. «Ich habe 20 Jahre mit Muslimen verbracht. Was sind deine Werte?» Kotey bricht ab. «Warum verpisst du dich nicht einfach? Es reicht.»
Er nimmt das Mikrofon ab. Langan beschuldigt ihn, bei den Hinrichtungen dabei gewesen zu sein. «Du hast gefilmt, wie sie Foley die Kehle durchgeschnitten haben!» «Was weisst du schon?», antwortet Kotey im Gehen. «Verpiss dich, Idiot.» Das Interview ist vorbei, Langan atmet durch. Er setzt sich rauchend auf einen Stuhl – und bricht in Tränen aus.
Alexanda Kotey und El Shafee Elsheikh verbüssen in den USA achtfach lebenslange Haftstrafen. Langans Interview wurde bei den Verhandlungen gegen die Terroristen verwendet und habe bei ihrer Verurteilung geholfen.
Die Dokumentation ist noch bis zum 7. November in der ARD-Mediathek zu sehen. Im unten stehenden Video spricht Langan übrigens über seine Taliban-Geiselhaft.