Proteste im Iran Teheran und Berlin bestellen Botschafter ein

dpa

27.10.2022 - 18:34

Demonstrierende protestieren in der Innenstadt von Teheran mit Parolen gegen den Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini.
Demonstrierende protestieren in der Innenstadt von Teheran mit Parolen gegen den Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini.
Uncredited/AP/dpa

Im Iran sind nach der Trauerzeit um die Kurdin Mahsa Amini wieder Zehntausende auf den Strassen, aus den Kurdengebieten werden Ausschreitungen gemeldet. Zwischen Teheran und Berlin gibt es diplomatische Scharmützel.

Angesichts der anhaltenden Demonstrationen in vielen iranischen Städten hat sich der Ton zwischen dem Iran und Deutschland weiter verschärft. Nach der Ankündigung eines härteren Vorgehens durch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock bestellten beide Länder am Donnerstag gegenseitig ihre Botschafter ein – eine scharfe Form des diplomatischen Protests. Dies verlautete am Abend aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Unterdessen versuchten Demonstranten im Nordwesten des Irans nach verschiedenen Berichten, die Gebäude von staatlichen Behörden zu besetzen.

Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna hatte zunächst berichtet, der deutsche Botschafter Hans-Udo Muzel sei einbestellt worden. Demnach wirft der Iran Deutschland vor, die seit Wochen dauernden systemkritischen Proteste zu unterstützen. Gleichzeitig machte das Aussenministerium in Teheran europäische Länder auch für eine Unterstützung terroristischer Handlungen verantwortlich. Aus dem Auswärtigen Amt wurde die Einbestellung am Abend bestätigt. Zugleich wurde bekannt, dass der iranische Botschafter in Berlin ebenfalls zum Gespräch gebeten wurde.

Am Mittwoch hatte Baerbock angekündigt, den Kurs gegen Teheran wegen des harten Vorgehens der Behörden gegen die dortige Protestbewegung zu verschärfen. Es könne «kein «Weiter so» in den bilateralen Beziehungen» geben. Über die auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen hinaus sollen demnach zusätzliche nationale Einreisebeschränkungen verhängt werden. Die ohnehin eingeschränkten Wirtschaftskontakte sollen weiter reduziert werden, auch mit Blick auf noch bestehende Geschäftsbeziehungen iranischer Banken.

Auslöser der systemkritischen Massenproteste war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstossen haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem.

Auf Videos, die in sozialen Medien kursierten, waren Szenen zu sehen, die aus der kurdischen Stadt Mahabad stammen sollen. Unklar war zunächst, ob die Demonstranten – wie behauptet – auch das Büro des Gouverneurs besetzen konnten. Zudem wurde über Schüsse in der Stadt berichtet. Die Umstände waren unklar. Die Videos liessen sich zunächst nicht verifizieren. Die Menschenrechtsorganisation Hengaw mit Sitz in Oslo, die Kontakte in die Region unterhält, berichtete über Zusammenstösse mit Sicherheitskräften. Dabei soll in Mahabad mindestens ein Demonstrant getötet worden sein.

Bei einem Terroranschlag in der südiranischen Millionenstadt Schiras wurden am Mittwoch nach Angaben staatlicher Medien mindestens 15 Menschen getötet. In der Stadt sollen an der schiitischen Heiligstätte Schah Tscheragh zudem Dutzende weitere Menschen verletzt worden sein, berichtete das Staatsfernsehen.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Attacke auf einem Telegram-Kanal für sich. Immer wieder verüben die sunnitischen Dschihadisten etwa in Afghanistan Angriffe auf schiitische Muslime, die sie als Abtrünnige des Islam verachten. Im Iran sind solche Anschläge sehr ungewöhnlich. Präsident Ebrahim Raisi verurteilte den Anschlag und kündigte eine konsequente Reaktion an. Religionsführer Ali Chamenei schwor Rache.

Der Stabschef der iranischen Streitkräfte, Mohammad Bagheri, machte nach dem Attentat Teilnehmer von Protesten mitverantwortlich. «Sie sind mitschuldig an diesem grossen Verbrechen», zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Bagheri. Er drohte: «Die ausländischen und einheimischen Drahtzieher und Verursacher dieses schrecklichen Verbrechens werden bald von Sicherheitskräften und dem Geheimdienst überfallen.»

Die EU hat unterdessen vom Iran angekündigte Strafmassnahmen gegen europäische Politiker, Journalisten und Einrichtungen scharf verurteilt. Die Sanktionen gegen zwölf Einzelpersonen und acht Einrichtungen seien offensichtlich rein politisch motiviert, sagte ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell in Brüssel. Anstatt sich auf politische Vergeltung zu konzentrieren, sollte der Iran lieber die Grundfreiheiten der eigenen Bevölkerung wie Meinungsfreiheit gewährleisten.