Überraschende Wahl Schweizerin wird Chefin der italienischen Sozialdemokraten

SDA/uri

27.2.2023 - 10:56

Elly Schlein, nach der Bekanntgabe der Parteiwahlen der Partito Democratico, PD.
Elly Schlein, nach der Bekanntgabe der Parteiwahlen der Partito Democratico, PD.
Bild: Keystone

Italiens grösste Oppositionspartei hat nun eine Vorsitzende mit Schweizer Pass: Die in Lugano geborene Elly Schlein fuhr bei der Basisabstimmung der Partito Democratico einen überraschenden Sieg ein. 

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Die in der Schweiz aufgewachsene Elly Schlein ist die neue Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei Italiens (Partito Democratico, PD). Die 37-jährige Parlamentarierin setzte sich überraschend gegen den Favoriten Stefano Bonaccini durch. SP-Politiker gratulierten auf Twitter

Schlein kam auf 54 Prozent der Stimmen, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa in der Nacht auf Montag meldete. An dem Urnengang beteiligten sich eine Million Mitte-Links-Wählerinnen und -Wähler.

Der Sieg der in Lugano geborenen Schlein gilt als Überraschung, denn der erfahrenen Polit-Profi Bonaccini wurde von Anfang an laut Umfragen als Favorit betrachtet. Bonaccini ist Präsident der norditalienischen Region Emilia Romagna.

Wahlkampf für Obama

Schlein hat neben der italienischen und schweizerischen Staatsbürgerschaft auch einen US-Pass. Sie arbeitete 2008 und 2012 im Wahlkampfteam des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Die italienischen Medien verglichen sie wegen ihres steilen Aufstiegs und ihres politischen Engagements mit der demokratischen US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez.

Im Wahlkampf für dem Parteivorsitz sagte Schlein, sie wolle ihre zersplitterte Demokratische Partei (PD) vereinen und sich für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft, mehr Fairness am Arbeitsmarkt und mehr Wohlstand einsetzen.

«Das sozialdemokratische Volk ist lebendig und bereit, sich zu erheben. Ich habe ein klares Mandat für einen echten Wandel in der Partei erhalten», sagte Schlein nach ihrem Wahlsieg. «Wir werden den Kampf gegen jede Art von Ungleichheit in den Mittelpunkt stellen», fügte sie hinzu.

20-Prozent-Partei

Die Demokratische Partei ist Italiens stärkste Oppositionspartei. Sie hatte bei den vergangenen Parlamentswahlen rund 20 Prozent der Stimmen erhalten und war auf Platz zwei hinter der postfaschistischer Gruppierung Fratelli d'Italia (FdI/Brüder Italiens) von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gelandet.

Zum ersten Mal in der Geschichte Italiens stehen zwei Frauen an der Spitze der beiden wichtigsten Parteien des Landes. Laut Umfragen verlor die Demokratische Partei zuletzt auch im Zuge des EU-Korruptionsskandals, in den einige italienische Linkspolitiker verwickelt sind, an Zustimmung.

Bei der Wahl der Sozialdemokraten-Führung war es am Sonntag zu einer regen Beteiligung gekommen. Wahlberechtigt waren alle Italiener unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gegen eine Gebühr von zwei Euro. In einer ersten Ausmarchung lediglich unter den eingeschriebenen Parteimitgliedern war Schlein Bonaccini noch mit 35 zu 53 Prozent unterlegen.

Schlein wird Nachfolgerin des bisherigen PD-Chefs und früheren Ministerpräsidenten Enrico Letta. Dieser hatte nach der Niederlage seiner Partei bei der Parlamentswahl im September seinen Rücktritt angekündigt.

SP Schweiz gratuliert

«Avanti!» – Die SP Schweiz freue sich schon sehr auf die Zusammenarbeit mit ihr, schrieb der Zürcher Nationalrat Fabian Molina in der Wahlnacht auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Auf demselben Weg gratulierte der Co-Präsident der SP Schweiz, Cédric Wermuth, der italienischen Parteikollegin zum Sieg.

Auch Gegenkandidat Bonaccini gratulierte Schlein noch vor Auszählung aller Stimmen. Nun liege es an ihr, «die Richtung der Partei» vorzugeben.

Die 37-jährige Schlein steht für einen Aufbruch der angeschlagenen italienischen sozialdemokratischen Partei. Sie gilt als progressiv, ökologisch und feministisch. Schlein steht offen zu ihrer Bisexualität, kämpft für eine neue Form der Leadership und plädiert für Solidarität mit Migranten. Damit hat sie sich in Windeseile als Gegenpol zu Regierungschefin Meloni positioniert.