Lega-Chef im Aufwind Italiens Innenminister Salvini - der Mann im Rampenlicht

Christian Brahmann und Simon Kremer, dpa

9.7.2018

taliens Innenminister Matteo Salvini setzt sich in Szene. 
taliens Innenminister Matteo Salvini setzt sich in Szene. 
Fabio Di Pietro/ANSA/dpa

Er schwänzt eine Kabinettssitzung für ein Pferderennen oder springt in den Pool einer toskanischen Villa, um zu zeigen, dass er keine Angst vor der Mafia hat. Matteo Salvini setzt sich gekonnt in Szene.

Er ist der Vorsitzende des Juniorpartners in der italienischen Regierung, aber Matteo Salvini gibt sich, als führe er das Land. Vor fünf Wochen übernahm der Chef der fremdenfeindlichen Lega das Amt des Innenministers. Wie der Vorsitzende der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi di Maio, ist Salvini stellvertretender Ministerpräsident. Doch seinen Rivalen von der stärksten Fraktion im Parlament stellt er in den Schatten.

Umfragen zeigen, dass Salvinis Politik gegen Migranten und die Europäische Union seit den Wahlen am 4. März deutlich an Zuspruch gewonnen hat. Damals wurde die Lega drittstärkste Partei, heute liegt sie gleichauf oder manchmal sogar vor der Fünf-Sterne-Bewegung. In seiner erst kurzen Zeit als Innenminister sorgte der 45-Jährige bereits international für Schlagzeilen. Unter dem Motto «Italiener zuerst» ordnete er die Schliessung italienischer Häfen für private Rettungsschiffe an. Die Folge: Hunderte in Seenot gerettete Flüchtlinge und Migranten mussten auf See bleiben. Die Boote legten später in anderen Ländern an.

«Er versteht sehr gut, was die Menschen von ihm erwarten», sagt Wolfango Piccoli von der Londoner Beratungsfirma Teneo Intelligence. «Sie wollen eine Veränderung sehen.» Tatsächlich ist Salvinis dreister, populistischer Stil etwas Neues in der italienischen Politik - und er selbst scheint sich in dieser Rolle zu gefallen.

Salvini scheint im Dauerwahlkampfmodus zu sein

Beim jährlichen Empfang des US-Botschafters in Rom, einer VIP-Veranstaltung vor Ort, verspeiste er seinen Burger mit den Händen, während andere Gäste der Etikette entsprechend Messer und Gabel verwendeten.

Als Ministerpräsident und Kabinett Di Maios ersten grossen Vorstoss als Arbeitsminister berieten, war Salvini in Siena, um sich das populäre Pferderennen Palio anzusehen. Und am nächsten Tag sprang er vor zahlreichen Medienvertretern öffentlichkeitswirksam in den Pool einer Villa, die die Behörden von einem Mafia-Boss beschlagnahmt hatten. Es sollte ein Zeichen sein, dass er keine Angst vor dem organisierten Verbrechen hat.

«Der letzte italienische Politiker, der so etwas meiner Erinnerung nach getan hat, war Benito Mussolini», sagt Piccoli. Der faschistische Diktator hatte ein Faible dafür, seine körperliche Fitness in der Öffentlichkeit zu demonstrieren.

Salvini scheint im Dauerwahlkampfmodus für seine Lega zu sein, die er von einer Regionalpartei aus dem Norden des Landes zu einer nationalen Kraft gewandelt hat. Die Lega ist zum vierten Mal an einer Regierung beteiligt, die ersten drei Mal hiess sie noch Lega Nord. Für die Fünf-Sterne-Bewegung ist eine Regierungsbeteiligung dagegen Neuland.

Nachdem aus der Wahl im März keine der Parteien mit einer absoluten Mehrheit hervorgegangen war, stellten Di Maio und Salvini ihre jeweiligen Ambitionen für den Posten des Ministerpräsidenten zurück. Stattdessen verständigten sie sich auf Giuseppe Conte, einen Rechtsanwalt, der den Fünf Sternen nahe steht und bislang keine öffentlichen Ämter vorweisen konnte. Conte hält sich seit seiner Vereinigung mit Auftritten zurück - anders als seine Vorgänger. Viel von diesem Vakuum hat nun Salvini ausgefüllt.

Risse in der Koalition «werden sich vertiefen»

Experte Piccolo glaubt, dass es von Di Maio nicht besonders klug war, das Amt des Arbeitsministers zu übernehmen, das sich auf einem «politisch umstrittenen und vergifteten» Terrain bewegt. Das habe es Salvini ermöglicht, seinen populistischen Rivalen in den Schatten zu stellen.

So verärgerte Di Maios Vorstoss zur Eindämmung befristeter Arbeitsverhältnisse viele Unternehmer, die Flexibilität fordern, um global wettbewerbsfähig zu sein. Zu Salvinis Anhängern zählen viele dieser Unternehmer. Er versprach, Di Maios Entwurf zu «verbessern», wenn dieser im Parlament diskutiert werde. Di Maio hielt dagegen, die Fünf-Sterne-Abgeordneten würden jegliche Verwässerung des Entwurfs verhindern.

Es sei schwer, die Risse in der Koalition zu verdecken, schrieb der politische Analyst Massimo Franco in der Tageszeitung «Corriere della Sera». Diese existierten - «und sie werden sich vertiefen», vermutet er. Die Lega hat sich über Jahrzehnte den Ruf erarbeitet, Städte im Norden des Landes führen zu können. Salvini verbrachte die meiste Zeit seit seiner Vereidigung damit, lokale Kandidaten bei Bürgermeisterwahlen zu unterstützen.

Der grösste Erfolg von Di Maios Fünf Sternen vor Regierungsantritt war der Sieg bei der Bürgermeisterwahl in Rom vor zwei Jahren. Doch auch unter der Führung von Bürgermeisterin Virginia Raggi kämpft die Stadt weiter mit einem kolabierenden Nahverkehr und der Bewältigung der Müllberge. Bei den jüngsten Regionalwahlen konnte die Lega gut punkten. Die Fünf-Sterne-Bewegung musste dagegen einige Rückschläge einstecken.

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