«Umwelt-Armageddon»Klima-Hilferufe an die Weltgemeinschaft
AP/toko
29.9.2020
Bei der UN-Vollversammlung appellieren Staats- und Regierungschefs in ihren Videos, Corona dürfe den Kampf gegen den Klimawandel nicht ausbremsen: Es ist «keine Zeit mehr für Versprechen auf dem Papier».
Das «Umwelt-Armageddon» hat begonnen, es bleibt keine Zeit mehr für «Versprechen auf dem Papier»: Mit eindringlichen Appellen mahnen Staats- und Regierungschefs bei der UN-Vollversammlung mehr Einsatz fürs Klima an – inmitten und trotz Corona.
«Wir beobachten schon eine Art Umwelt-Armageddon», erklärte der Ministerpräsident von Fidschi, Frank Bainimarama, in seiner Rede. Wenn er bei der – wegen der Corona-Pandemie weitgehend virtuellen - Versammlung der Weltgemeinschaft Bezug nimmt auf den US-Katastrophenfilm «Armageddon», hat er nicht nur die Bedrohung des Klimawandels für die Südsee im Blick. Bainimarama verweist auch auf die verheerenden Wald- und Buschbrände im Westen der USA und auf die Eisschmelze im Polarmeer.
Eigentlich hätte dieses Jahr das Jahr sein sollen, in dem «wir uns unserem Planeten wieder zuwenden», sagte Bainimarama. Das Klima hätte eine Hauptrolle bei der UN-Versammlung spielen können, würde nicht die Corona-Krise Aufmerksamkeit und Ressourcen auf sich ziehen. Umso dringlicher bringen Bainimarama und andere Staats- und Regierungschefs – von bedrohten Inselstaaten ebenso wie von afrikanischen Ländern, die von Dürre und Überschwemmungen geplagt sind – ihre Appelle vor die Vereinten Nationen.
Corona-Pandemie darf Klima-Engagement nicht stoppen
«In 75 Jahren könnten viele Mitglieder keinen Sitz mehr bei den Vereinten Nationen haben, wenn die Welt an ihrem derzeitigen Kurs festhält», erklärte das Bündnis aus kleinen Inselstaaten und den am wenigsten entwickelten Ländern. Wissenschaftler bezweifeln, dass selbst das Klimaziel von Paris noch erreicht werden kann, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die Weltgemeinschaft hatte es sich dort vor fünf Jahren gesetzt.
Mit Blick auf den befürchteten erheblichen Anstieg des Meeresspiegels bei weiterer Klimaerwärmung betonte der Präsident des Pazifikinselstaates Palau, Tommy E. Remengesau Jr., dass die Corona-Pandemie das Klima-Engagement nicht stoppen dürfe. In seinem Land sei keine einzige Corona-Infektion bekannt, aber am steigenden Meeresspiegel entscheide sich die Überlebensfrage.
Die Weltmächte dürften jetzt nicht in der Pandemie von ihren finanziellen Zusagen für den Kampf gegen den Klimawandel abrücken, auch wenn die Volkswirtschaften litten, forderte Remengesau. Auch der kurzzeitige Rückgang des Kohlendioxidausstosses angesichts der Corona-Beschränkungen in diesem Jahr dürfe zu keiner Selbstgefälligkeit führen, mahnte er.
«Die grösste Bedrohung für das Leben»
Der Regierungschef von Tuvalu, Kausea Natano, unterlegte seine Video-Botschaft an die UN mit Bildern von türkisfarbenem Wasser und im Wind schwingenden Palmzweigen. Seine Worte standen aber in völligem Gegensatz zu der Idylle. Der höchste Punkt des Corona-freien Inselstaates liegt gerade einmal ein paar Meter über dem Meer, und mit steigendem Meeresspiegel wird der Anbau von Nahrungsmitteln nach Worten Natanos immer schwieriger. Die Einschränkungen im Warenverkehr in der Corona-Pandemie hätten die Lebensmittelunsicherheit deutlich gemacht.
«Auch wenn die unmittelbare Krise Covid-19 heisst, so bleibt der Klimawandel auf Dauer doch die grösste Bedrohung für das Leben, die Sicherheit und das Wohlergehen des Pazifiks und seiner Völker», betonte Natano.
Der Präsident der – ebenfalls Corona-freien – Marschallinseln in Ozeanien, David Kabua, zog in seiner Rede Parallelen zwischen Corona- und Klimakrise: Der Schutz der Verletzlichsten sei geboten, sagte er. Und: «Die in der ersten Reihe – seien es Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die gegen die Pandemie kämpfen, oder kleine Inselstaaten, die wegen des Klimawandels Alarm schlagen – sind entscheidend für unser aller Überleben.» Kabua fuhr fort: «Kleine Insel- und Atollstaaten wie meiner haben keine Zeit mehr für Versprechen auf dem Papier.»
Eindringliche Appelle kommen auch aus Afrika, dem Kontinent, der am wenigsten zum Klimawandel beiträgt, aber massiv von seinen Folgen betroffen ist. Präsident Issoufou Mahamadou aus Niger betonte, dass ein Vorgehen mit Respekt vor der Natur der Gesundheit der Völker diene. Die Welt, auf der sich einst Millionen Arten aus Gottes Schöpfung getummelt hätten, sterbe langsam ab, beklagte der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta. «Unsere Welt sehnt sich danach, dass wir aufhören, sie zu ruinieren.»