Schwere Gefechte, Tote und Verletzte Kosovos Polizei wehrt Angreifer im serbisch bewohnten Norden ab

dpa

25.9.2023 - 04:33

Gewalt im Kosovo – Regierung spricht von Terror

Gewalt im Kosovo – Regierung spricht von Terror

Im Kosovo ist es zur schwersten Gewalteskalation seit mehreren Monaten gekommen. Eine Gruppe von etwa 30 «schwer bewaffneten» Männern eröffnete am frühen Sonntag in einem Dorf das Feuer auf die kosovarische Polizei und tötete einen Polizisten.

24.09.2023

Maskierte und schwer bewaffnete Serben liefern sich heftige Gefechte mit der Kosovo-Polizei. Es gibt Tote, Verletzte und Festnahmen. Ohne aktives Zutun Serbiens wäre all das wohl nicht vorstellbar.

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  • Nach schweren Gefechten mit mindestens vier Toten hat die kosovarische Polizei ein im serbisch bevölkerten Norden aktives serbisches Kampfkommando weitgehend zerschlagen.
  • Der offenbar vom benachbarten Serbien unterstützte Trupp hatte am frühen Sonntagmorgen im Dorf Banjska bei Mitrovica kosovarische Polizisten angegriffen und ein serbisch-orthodoxes Kloster zeitweise unter seine Kontrolle gebracht.
  • Beim ersten bewaffneten Zusammenstoss töteten die Angreifer einen Polizisten und verletzten einen weiteren.
  • Die Gefechte zwischen den irregulären Milizionären und der mit Verstärkungen angerückten Polizei dauerten den ganzen Sonntag über an.
  • Bei den Kampfhandlungen am Sonntag handelte es sich um den schwersten Zwischenfall im angespannten Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien seit Jahren.

Nach schweren Gefechten mit mindestens vier Toten hat die kosovarische Polizei ein im serbisch bevölkerten Norden aktives serbisches Kampfkommando weitgehend zerschlagen. Dies teilte der kosovarische Innenminister Xhelal Svecla in Pristina mit. Der offenbar vom benachbarten Serbien unterstützte Trupp hatte am frühen Sonntagmorgen im Dorf Banjska bei Mitrovica kosovarische Polizisten angegriffen und ein serbisch-orthodoxes Kloster zeitweise unter seine Kontrolle gebracht.

Beim ersten bewaffneten Zusammenstoss töteten die Angreifer einen Polizisten und verletzten einen weiteren. Die Gefechte zwischen den irregulären Milizionären und der mit Verstärkungen angerückten Polizei dauerten den ganzen Sonntag über an. Nach kosovarischen und serbischen Angaben wurden drei Angreifer getötet. Ein weiterer kosovarischer Polizist erlitt leichte Verletzungen. Die Polizei nahm zwei bewaffnete Angreifer und vier mutmassliche Helfer fest. Die Staatsanwaltschaft in Pristina eröffnete gegen sie Verfahren wegen des Verdachts auf terroristische Straftaten.

Schwerster Zwischenfall seit Jahren

Bei den Kampfhandlungen am Sonntag handelte es sich um den schwersten Zwischenfall im angespannten Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien seit Jahren. Das heute fast ausschliesslich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 nach serbischen Kriegsverbrechen an der kosovo-albanischen Zivilbevölkerung mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos an, Serbien, Russland, China und fünf EU-Mitgliedsländer tun dies nicht. Belgrad fordert die Rückgabe seiner einstigen Provinz.

Wie Innenminister Svecla weiter ausführte, war die Lage in Banjska am Sonntagabend immer noch angespannt. Die Polizei sei dabei, weitere Mitglieder des ursprünglich 30-köpfigen Kommandotrupps ausfindig zu machen und festzunehmen. In der Umgebung des Klosters von Banjska habe die Polizei Waffenlager von enormen Ausmassen gefunden. Einige der festgenommenen Personen würden der kosovo-serbischen militanten Organisation «Zivilschutz» angehören. Diese wird nach Erkenntnissen kosovarischer Strafverfolger von der serbischen Regierung gelenkt, finanziert und grosszügig mit Waffen ausgestattet.

Polizisten aus dem Kosovo evakuieren eine verwundete Person an einer Kreuzung, die zum Banjska-Kloster führt (24. September 2023). 
Polizisten aus dem Kosovo evakuieren eine verwundete Person an einer Kreuzung, die zum Banjska-Kloster führt (24. September 2023). 
Bild: Keystone/AP Photo/Visar Kryeziu

Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti bezeichnete die Geschehnisse in Banjska als «Terrorakt». «Das organisierte Verbrechen greift mit der politischen, finanziellen und logistischen Unterstützung des offiziellen Belgrads unseren Staat an», sagte er am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Pristina.

Kosovo und Serbien verhandeln seit Monaten ohne Erfolg

Die kosovarische Regierung veröffentlichte Bilder, auf denen Männer mit Infanterie-Gefechtswaffen und schusssicheren Westen sowie ein Jeep und ein gepanzertes Transportfahrzeug zu sehen sind. Der Hergang des Vorfalls lässt auf dessen professionelle Vorbereitung und Lenkung schliessen. Offenbar hatte man zuerst eine Streife der Kosovo-Polizei in einen Hinterhalt gelockt. Die Beamten hatten auf einer Brücke zwei Lastwagen ohne Kennzeichen entdeckt, die den Zugang nach Banjska blockierten. Als weitere Polizisten dort eintrafen, eröffneten die Angreifer das Feuer auf sie.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic behauptete auf einer im Staatsfernsehen übertragenen Pressekonferenz am Sonntagabend in Belgrad, dass allein Kurti Schuld an der blutigen Konfrontation hätte. Er würde die Serben im Kosovo provozieren, und «bedauerlicherweise sind einige Serben auf diese Provokationen hereingefallen». Die Tötung des kosovarischen Polizisten sei «verwerflich», fügte er hinzu. «Niemand braucht so etwas, am wenigsten das serbische Volk.»

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell telefonierte am Sonntag mit Kurti und mit Vucic. In den Gesprächen verurteilte er die Aggression gegen die kosovarische Polizei aufs Schärfste, teilte der Auswärtige Dienst der EU in Brüssel mit. Gegenüber Vucic bekräftigte er seine Forderung, dass sich die Angreifer ergeben sollten.

Unter der Vermittlung Borrells und des EU-Sonderbeauftragten Miroslav Lajcak verhandeln das Kosovo und Serbien seit mehreren Monaten über eine Normalisierung ihres Verhältnisses. Die Gespräche blieben allerdings bislang ohne Erfolg. Die EU machte zuletzt die kosovarische Seite dafür verantwortlich, weil sie der von der EU und Serbien geforderten Bildung eines Verbandes der serbischen Gemeinden nicht zustimmen will. Pristina sieht darin jedoch den Versuch, die Grundlage für eine spätere Abspaltung des serbischen Nordens zu legen.

dpa