Indizien kontern Kreml Gefangene an Bord? Was gegen Putins Version des Crashs spricht

phi

25.1.2024

Selenskyj – Russland spielt mit Leben ukrainischer Gefangener

Selenskyj – Russland spielt mit Leben ukrainischer Gefangener

Beim gemeldeten Abschuss einer russischen Transportmaschine mit ukrainischen Kriegsgefangenen spielt Russland nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit dem Leben gefangener Soldaten und den Gefühlen ihrer Angehörigen. Zunächst gelte es nun alle Fakten zu dem Vorfall vom Mittwoch zusammenzutragen, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache. «Und 'Fakten' ist dabei das Schlüsselwort. Ich habe einen Bericht über den Einsatz der Luftwaffe gehört.

25.01.2024

Wladimir Putin versucht, den Absturz einer Il-76 als «Friendly Fire» zu verkaufen, bei dem auch noch 65 ukrainische Kriegsgefangene getötet worden sind. Doch die Indizien sprechen eindeutig gegen den Kreml-Chef.

P. Dahm

25.1.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Es gibt mehrere Gründe, die gegen die russische Darstellung des Crashs einer Il -76 bei Belgorod am 24. Januar sprechen.
  • Eine Geolokalisierung zeigt, dass das Flugzeug abgeflogen und nicht gelandet ist.
  • Es war vom Iran aus nach Belgorod geflogen und reiste weiter nach Russland hinein.
  • Kriegsgefangene entweder vom Iran oder von Belgorod aus nach Russland hineinzufliegen, macht keinen Sinn.
  • Eine Passagierliste, die kursiert, wurde im Nachhinein angefertigt, verrät die Sprache. Zudem sollen Namen von Soldaten darauf sein, die bereits ausgetauscht wurden.
  • Die Opferzahl suggeriert, dass 65 Kriegsgefangene von nur drei Wächtern begleitet wurden, was unrealistisch ist.
  • Auch die Opferzahl von 74 soll unwahrscheinlich sein: Es sind keine Leichen auf dem Trümmerfeld des Absturzes zu sehen.

Der Absturz einer Iljuschin Il-76 am 24. Januar nahe Belgorod schlägt weiter hohe Wellen. 74 Passagiere sollen dabei den Tod gefunden haben: 65 von ihnen sollen ukrainische Kriegsgefangene gewesen sein, wie der Kreml behauptet.

Nachdem Kiew eingeräumt hat, dass ein Austausch von Gefangenen geplant war, der jedoch gescheitert ist, wirkt es so, als stimme die Version, die Wladimir Putin über den Absturz verbreiten lässt. Gleichzeitig liess der ukrainische Militärgeheimdienst mitteilen, dass die «ukrainische Seite nicht über die Notwendigkeit informiert [wurde], die Sicherheit des Luftraums im Gebiet um die Stadt in einem bestimmten Zeitraum zu gewährleisten».

Doch es gibt diverse Indizien, die nahelegen, dass der Kreml lügt. Was also ist mit Flug RA-78830 passiert? Laut Moskau war die Maschine mit den vermeintlichen Kriegsgefangenen im Anflug auf Belgorod. Die Geolokalisierung der vorhandenen Aufnahmen des Absturzes spricht jedoch eine andere Sprache: Offenbar war die Il-76 nicht am Landen, sondern ist Richtung Nordost abgeflogen.

Kriegsgefangenen-Transport macht keinen Sinn

Youtuber Suchomimus hält fest, dass es keinen Sinn machen würde, Kriegsgefangene von Belgorod aus tiefer nach Russland hineinzufliegen. Selbst bei einem geplatzten Austausch würden sie in der Region verbleiben, um später übergeben zu werden. Weiter analysiert Suchomimus, dass der Flug laut FlightRadar24 aus dem Iran gekommen war: Es mache keinen Sinn, dass ukrainische Kriegsgefangene in den Nahen Osten verbracht und dann zurück nach Russland gebracht würden.

Auch eine Liste, die scheinbar die der Passagiere sein soll, entlarvt der Youtuber als Fake: Auf ihr stehen 65 Namen von Leiten, die an Bord gewesen «waren». Eine echte Passagierliste wird jedoch nicht im Perfekt abgefasst, fällt Suchomimus auf. Inzwischen wurden auch einige der Namen darauf identifiziert: Es handelt sich demnach dabei um Ukrainer, die bereits ausgetauscht worden sein sollen.

Hier ergibt sich eine weitere Ungereimtheit: Wenn es 74 Opfer gab, von denen 65 Gefangene gewesen sein sollen, und sechs weitere Piloten und Flugbegleiter sind, bleiben bloss drei Wächter übrig. Drei Aufpasser für 65 Veteranen? Das Verhältnis erscheint unrealistisch. Weiter fragt sich, warum keine Leichen auf dem Trümmerfeld zu sehen sind, sondern einzig und alleine Flugzeugteile.

Propaganda gegen die Schmach

Was ist also wirklich geschehen? Die Il-76 hat Waren in den Iran gebracht oder von dort abgeholt. Entweder wurde ein Teil der Fracht in Belgorod gelöscht oder der Flug RA-78830 hat zum Auftanken Halt in der Provinz-Hauptstadt gemacht. Wie Videos des Crashs suggerieren, ist die Maschine von einer Flugabwehr-Rakete getroffen worden. Auch die Fotos der durchlöcherten Wrackteile sprechen dafür.

Infrage kommen dafür die Systeme S-300 und Patriot, die von der ukrainischen Region Charkiw aus die Reichweite haben, um ein Flugzeug in dem Gebiet zu treffen. Die Raketen können bei Annäherung ans Ziel gezündet werden, was erklären würde, warum die Flugzeugteile aussehen, als habe man sie mit einer überdimensionierten Schrotflinte getroffen.

Die Reichweite einer Patriot-Batterie im Raum Charkiw. Rot markiert: die Absturzstelle.
Die Reichweite einer Patriot-Batterie im Raum Charkiw. Rot markiert: die Absturzstelle.
YouTube/Suchomimus

Der Kreml versucht offenbar, mit Propaganda von der Schmach abzulenken, die der Abschuss für das russische Militär bedeutet. Um dem Gegner ja keinen Erfolg zu gönnen, verbreitet Moskau sogar, dass «Friendly Fire» die Ursache des Absturzes war. Ähnlich wurde auch argumentiert, als im Oblast Cherson russische Su-34-Bomber abgeschossen worden sind.