Russland Mariupol: Vertriebener Bürgermeister beklagt Geiselnahme von Bürgern

SDA

3.6.2022 - 16:52

Der vertriebene Bürgermeister der von russischen Truppen eingenommenen Hafenstadt Mariupol, Wadym Boitschenko, spricht in der ukrainischen Hauptstadt bei einer Pressekonferenz. Foto: Ulf Mauder/dpa
Der vertriebene Bürgermeister der von russischen Truppen eingenommenen Hafenstadt Mariupol, Wadym Boitschenko, spricht in der ukrainischen Hauptstadt bei einer Pressekonferenz. Foto: Ulf Mauder/dpa
Keystone

Nach der russischen Einnahme der Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine hat der vertriebene Bürgermeister Wadym Boitschenko der Führung in Moskau eine Geiselnahme der dort verbliebenen Menschen vorgeworfen.

3.6.2022 - 16:52

Es seien noch etwa 100 000 Einwohner in Mariupol. «Sie werden dort festgehalten von den russischen Truppen und praktisch als menschliche Schutzschilde benutzt», sagte Boitschenko am Freitag in Kiew. Die Einwohner könnten nicht auf von der Ukraine kontrolliertes Gebiet fliehen. Vielmehr wollten die Russen die Zivilisten in der Stadt behalten, um der Ukraine eine Befreiungsoffensive zu erschweren.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte gesagt, dass Kiew auf die Lieferung von Waffen aus dem Westen warte, um ihre Gebiete zu befreien. Dabei solle aber nicht das Leben vieler Menschen gefährdet werden. Bürgermeister Boitschenko sagte, dass Mariupol nicht aufgegeben werde, obwohl die Stadt zu 95 Prozent zerstört sei.

Russland sei ein «Terrorstaat», der in der einst von fast 500 000 Menschen bewohnten Stadt Verbliebene zwinge, russische Pässe anzunehmen – «Lappen der Schande». Boitschenko sagte auch, dass bei den Kämpfen um Mariupol mehr als 20 000 Menschen getötet worden seien. «Das sind doppelt so viele wie im Zweiten Weltkrieg unter der deutschen Besatzung. Es ist das grösste Blutvergiessen in der Geschichte Mariupols», sagte er. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

In der ganzen Stadt verbreite sich Leichengeruch und die Gefahr von Infektionen, weil die Toten nur sehr oberflächlich in Vorgärten oder Hinterhöfen verscharrt worden seien. Angesichts der sommerlichen Hitze und zerstörten kommunalen Infrastruktur wie Strom- und Abwasserleitungen und Müllentsorgung verschärfe sich die Lage zusehends. «Der Gestank des Todes macht das Atmen schwer.»

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