Mehr Meer Die faszinierenden Folgen des Seerechts auf die Geopolitik

Von Philipp Dahm

4.10.2020

Ein chinesischer Bomber vom Typ H-6K über dem Südchinesischen Meer.
Ein chinesischer Bomber vom Typ H-6K über dem Südchinesischen Meer.
Bild: Xinhua News Agency

Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ist ein relativ junges Gesetz. Es kann jedoch immense Auswirkungen haben, wie diese fünf Beispiele veranschaulichen.

Das Seevölkerrecht ist eine spannende Angelegenheit: Staaten wie Dänemark oder Portugal versuchen derzeit, ihr Staatsterritorium um das zwanzigfache aufzublähen, was weitreichende Auswirkungen auf die Ökonomie der Länder haben dürfte.

Auch das Beispiel der Ägäis und den Folgen des Konflikts zwischen der Türkei und Griechenland zeigt die Brisanz des Seerechts auf – und ist wie die angespannte Lage im Südchinesischen Meer ein Paradebeispiel dafür, wie dieses Recht in der Machtpolitik der Grossmächte genutzt wird.

Es waren auch die Grossmächte, die im 20. Jahrhundert eine Revision der Regeln ins Rollen gebracht hatten. Zuvor galten die ersten drei nautischen Seemeilen vor einer Küste als Hoheitsgewässer: In dieser 5,5 Kilometer breiten Zone hatte eine Nation die volle Souveränität. Ihr gehörten Bodenschätze wie auch Lebewesen in dem Bereich, zudem konnte der Staat dort die Schifffahrt kontrollieren und einschränken.

Mehr Meer

Nachdem aber immer mehr Staaten wie die USA ihre Hoheitsgewässer ausgedehnt hatten und 1960 Zonen von drei, sechs, zwölf und mehr Seemeilen eingerichtet worden waren, bemühten sich die Vereinten Nationen um ein Regelwerk, das für alle gilt. 1982 mündeten diese Bemühungen in der United Nations Convention on the Law of the Sea. Die Schweiz ist dem Seerechtsübereinkommen 2009 beigetreten.

Von der Basislinie aus werden die Grenzen von Seezonen gemessen. Hier die Basislinie an der Nordseeküste im deutschen Schleswig-Holstein: Das Wattenmeer vor der Basislinie gilt im Seerecht als Inneres Gewässer.
Von der Basislinie aus werden die Grenzen von Seezonen gemessen. Hier die Basislinie an der Nordseeküste im deutschen Schleswig-Holstein: Das Wattenmeer vor der Basislinie gilt im Seerecht als Inneres Gewässer.
Grafik: WikiCommons/NordNordWest

Die veränderten Regeln haben es in sich: Die Hoheitsgewässer können von der sogenannten Basislinie aus auf zwölf Seemeilen oder 22,2 Kilometer ausgedehnt werden. Bis zu 200 Seemeilen oder 370,4 Kilometer von der Basislinie aus gesehen reicht die Ausschliessliche Wirtschaftszone. Auch hier gehören Bodenschätze und Fischfangrechte dem Staat, aber hier gilt das Recht der friedlichen Durchfahrt für die Schiffe anderer Nationen.

Einen wirklichen Unterschied macht es aber aus, wenn eine Nation den Festlandsockel beansprucht und seine Ansprüche auf 350 Seemeilen respektive 648 Kilometer ausdehnt. In dieser Zone hat der Staat zwar kein Anrecht mehr auf die Meerestiere, wohl aber das auf die Bodenschätze. Dafür muss das Land aber wissenschaftlich nachweisen, dass der Festlandsockel auch tatsächlich auf derselben kontinentalen Platte liegt.

Weil das etwa beim Nordpol und den Arktisanrainern Norwegen und den USA nicht der Fall ist, können diese keine Ansprüche anmelden. Und weil das notwendige Kartografieren des Meeresbodens und das erforderliche Bergen von Bodenproben aus der See so aufwendig ist, haben unterentwickelte Nationen kaum die Chance, ihr Recht geltend zu machen.

Welche Auswirkungen das konkret haben kann, veranschaulicht das ... 

... Beispiel Portugal

Wie Portugal im kommenden Jahr sein Territorium verzwanzigfachen will und wie die Meereszonen funktionieren, sehen Sie hier.

Beispiel Nordpol

Auch das kleine Dänemark hat Grosses vor und will sein Gebiet verzwanzigfachen. Im Gegensatz zu Portugal haben die Nordlichter aber Konkurrenz. Das Anmelden von Ansprüchen ist zwar ein wissenschaftlicher Vorgang, doch wenn mehrere Nationen valide Argumente vorbringen, lässt die entsprechende UN-Behörde den Fall in der Regel einfach fallen.

Beispiel Ägäis

Deutlich brisanter ist dieser Fall im Mittelmeer, denn zwischen der Türkei und Griechenland käme die unilaterale Ausweitung der Meereszonen einer Kriegserklärung gleich. Es gäbe jedoch auch in dieser pikanten Lage eine vernünftige Lösung – auf diplomatischem Wege.

Beispiel Neuseeland

Auch Neuseeland ist drauf und dran, auf der anderen Seite der Erdkugel sein Territorium deutlich zu vergrössern. Das Beispiel zeigt noch einmal gut die geologischen Voraussetzungen dafür und ...

... liegt quasi auf dem Weg zum ...

Beispiel Südchinesisches Meer

Mit Blick auf die Geopolitik kommen taktische und strategische Bedeutung der Meereszonen hier voll zum Tragen. Spannend ist hier auch die merkwürdige Konstellation der Kontrahenten. Auf der einen Seite China, das das Seerechtsübereinkommen zwar unterzeichnet hat, aber die Regeln unbedingt brechen will. Auf der anderen Seite die USA, die kein Teil des Abkommens sind, sich aber als Bewahrer seiner Gesetze gebärden.

Wenn etwa US-Kriegsschiffe ihr Recht auf friedliche Durchfahrt in von China beanspruchten Gewässern wahrnehmen, navigieren sie nicht direkt hindurch, wie es der Freedom of Navigation Act vorsieht. Sie fahren vielmehr absichtlich zickzack, um zu verdeutlichen, dass sie die Ansprüche Pekings in jener Meereszone nicht anerkennen.

Zurück zur Startseite