Thailand Mit Harry Potter gegen die Monarchie

dpa/toko

9.10.2020

Pro-demokratische Demonstranten nehmen an einer Kundgebung im August am Demokratie-Denkmal gegen die militärisch dominierte Regierung Thailands teil und fordern Neuwahlen.
Pro-demokratische Demonstranten nehmen an einer Kundgebung im August am Demokratie-Denkmal gegen die militärisch dominierte Regierung Thailands teil und fordern Neuwahlen.
Adryel Talamantes/ZUMA Wire/dpa

Die Proteste gegen die thailändischen Royals werden immer kreativer. Der König weilt derweil meist in den bayerischen Alpen und lebt im Luxus. Wer Rama X. kritisiert, riskiert lange Haft. Vor allem die Jugend begehrt dagegen auf — auch mit Hilfe von Harry Potter.

Die Jugend in Thailand ist wütend. Ihr Land — bislang ein Touristen-Traumziel — ächzt unter den strengen Beschränkungen durch die Corona-Pandemie. Viele fürchten um ihre Existenz. Der König aber weilt in der Krise fern der Heimat. Maha Vajiralongkorn, oder Rama X., lebt schon seit einiger Zeit im deutschen Bundesland Bayern ein Luxusleben. Der 68-Jährige besitzt eine Villa am Starnberger See, wohnt aber seit Monaten samt Entourage in einem Hotel in Garmisch-Partenkirchen. Nur zu besonderen Anlässen kehrt er ins alte Siam zurück. Der Ärger speziell unter den thailändischen Studenten ist so gross, dass sie offen ein uraltes Tabu brechen.

15 Jahre Haft für die Beleidigung des Königs

Immer wieder gehen sie auf die Strasse und fordern eine Reform der Monarchie — speziell was jene Gesetze betrifft, die drakonische Strafen für Kritik an den Royals vorsehen. Die jungen Aktivisten verlangen dabei nicht einmal eine Abdankung des Regenten, sondern schlicht mehr Demokratie und das Recht auf freie Meinungsäusserung. Bislang riskiert man in Thailand 15 Jahre Haft für die Beleidigung des Königs oder seines Hofes. Das südostasiatische Land hat das wohl härteste Lèse-Majesté-Gesetz der Welt.

Die Protestbewegung ist jung, modern und kreativ - und ein krasser Widerspruch zu den starren Regeln, die im heutigen Thailand überholt wirken. So hat sich der Dreifingergruss der Rebellen aus der Science-Fiction-Filmreihe «Die Tribute von Panem» längst zum Symbol des Widerstands entwickelt. Und im August wurde gar Harry Potter für eine Kundgebung herangezogen. König Vajiralongkorn war plötzlich «Er, dessen Name nicht genannt werden darf», in Anlehnung an Lord Voldemort, den Bösewicht aus der Saga von J.K. Rowling.



«Der Stil der Demonstrationen ist neu, so etwas hat es vorher noch nicht gegeben», sagt Kevin Hewison, emeritierter Professor für Asien-Studien an der Universität von Chapel Hill in North Carolina. «Das spiegelt wider, dass hier eine neue Generation am Start ist, um eine bessere Politik zu fordern.»

Der Menschenrechtsaktivist Anon Nampa, eines der bekanntesten Gesichter der Bewegung, betonte bei der Demo vor Tausenden Aktivisten: «Wir haben das Thema seit vielen Jahren unter den Teppich gekehrt!» Viele hätten aber heute Fragen bezüglich der Befugnisse der Monarchie. Es gehe nicht darum, diese abzuschaffen, sondern darum, ihr nicht immer mehr Macht einzuräumen. Das klingt tatsächlich weniger nach Umsturz als nach einem potenziellen Dialog.

Noch immer grosse Anhängerschaft der Monarchie

Aber das Vorhaben dürfte schwierig werden, wird Rama X. doch von der amtierenden Militärregierung unterstützt. Der ehemalige Putsch-General und heutige Regierungschef Prayuth Chan-ocha steht derweil bei den Protesten selbst im Kreuzfeuer: Die Demonstranten wollen seinen Rücktritt und verlangen Neuwahlen.

Zudem hat die Monarchie auch weiterhin eine grosse Anhängerschaft. «Die Thai Bevölkerung ist diesbezüglich gespalten», meint auch Paul Chambers, Militärexperte und Dozent an der Naresuan-Universität im Norden des Landes. Das sind vor allem noch Nachwehen der Regentschaft Bhumibols, des 2016 gestorbenen Vaters von Vajiralongkorn. Bhumibol wurde landesweit respektiert und fast gottgleich verehrt.

Thailands König Maha Vajiralongkorn nimmt an der jährlichen königlichen Zeremonie in Sanam Luang teil. Wer Rama X. kritisiert, riskiert lange Haft.
Thailands König Maha Vajiralongkorn nimmt an der jährlichen königlichen Zeremonie in Sanam Luang teil. Wer Rama X. kritisiert, riskiert lange Haft.
Chaiwat Subprasom/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa

«Vajiralongkorn scheint hingegen an Thailand und an seinen Untertanen relativ uninteressiert zu sein», sagt Asien-Experte Hewison. Der Kontrast zu seinem Vater sei krass. Das gilt auch für das Privatleben des Monarchen, der als Playboy gilt. Im vergangenen Jahr hatte er seine Geliebte überraschend zur offiziellen Zweitfrau gemacht. Im Herbst zerbrach das Idyll jäh, die amtliche Konkubine verschwand von der Bildfläche, soll gar im Gefängnis gelandet sein. Kürzlich wurde «Koi» begnadigt. Angeblich soll sie jetzt beim König in Bayern sein.

Transparenz gefordert

Bei den Protesten geht es auch um mehr Transparenz bezüglich der Finanzen. 2018 hatte der König die direkte Kontrolle über die royalen Besitztümer übernommen. Bis dahin war das Vermögen von der königlichen Finanzverwaltung betreut worden, dem Crown Property Bureau. Der Lebemann Vajiralongkorn gilt mit einem geschätzten Vermögen von bis zu 60 Milliarden Euro ohnehin als reichster Monarch der Welt. Im September war bekannt geworden, dass der flugbegeisterte Regent 38 Jets sowie zwei Dutzend Helikopter besitzen soll.

Dass die Kundgebungen gegen die Regierung und den Monarchen abflauen werden, scheint unwahrscheinlich. Im Gegenteil. Im September war es der Bewegung bei einem Massenprotest in Bangkok gelungen, der Polizei einen Brief an den König mit zehn Vorschlägen für eine Reform der Monarchie zu übergeben. Auch hatten Aktivisten auf dem riesigen Platz Sanam Luang unweit des alten Königspalastes eine Messingtafel einzementiert. Die Inschrift: «Dieses Land gehört dem Volk und nicht dem Monarchen.» Aber nur einen Tag später war die Plakette verschwunden. Die Behörden hatten sie entfernt und beschlagnahmt.

Die Studentenbewegung liess das unbeeindruckt. Die Menschen tragen den Inhalt der Tafel sowieso längst in ihren Herzen, wie die Anführer sagen. Einer lud eine Replica im Internet hoch. Die Folge: Die Demokratie-Plakette ist jetzt überall präsent und ziert T-Shirts, Smartphonehüllen und Schlüsselanhänger.

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