Proteste Myanmars Militär lässt die Muskeln spielen

dpa/tpfi

15.2.2021 - 20:05

Die neue Junta in Myanmar greift mit zunehmender Härte gegen Demonstranten durch. Trotzdem protestieren Zehntausende unermüdlich. Die entmachtete Regierungschefin muss derweil bald vor Gericht – per Videoschalte.

Mit dem Mut der Verzweiflung protestieren Zehntausende Menschen in Myanmar trotz wachsender Militärpräsenz gegen den Putsch und die neue Junta. Einsatzkräfte gingen erneut brutal gegen friedliche Demonstranten vor. In der nördlichen Stadt Mandalay fielen Berichten zufolge Schüsse.

Auch in vielen anderen Landesteilen, darunter in der grössten Stadt Rangun, trotzten Menschen den Drohungen der Armee. Sie forderten, die zivile Regierung von Aung San Suu Kyi wieder einzusetzen. Eine Anhörung der entmachteten und festgesetzten Regierungschefin wurde auf Mittwoch verschoben – geplant ist offenbar eine Videoschalte.

Die Angst vor einer Eskalation der Militärgewalt wächst. Das Nachrichtenportal «Frontier Myanmar» zitierte einen Reporter, wonach Polizisten und Soldaten in Mandalay auch in Häuser geschossen hätten. Auf Fotos in sozialen Netzwerken waren blutende Menschen zu sehen. Ob scharfe Munition oder Gummigeschosse benutzt wurden und ob es Tote gab, war unklar. Der Reporter berichtete auch von Festnahmen.

Bereits am Sonntag hatten Sicherheitskräfte in Myitkyina im Norden des Landes auf Teilnehmer einer Kundgebung geschossen, die in Panik flüchteten. In Rangun waren am Wochenende Panzer aufgefahren, auch in anderen Landesteilen waren Militärfahrzeuge auf den Strassen – offensichtlich, um die Bevölkerung einzuschüchtern. In der Nacht zum Montag war zudem das Internet gesperrt worden, ebenso in der Nacht zum Dienstag. Die erneute Sperre sollte bis Dienstagmorgen, 9.00 Uhr (Ortszeit) andauern.

Unzählige Bürger riefen die internationale Gemeinschaft auf, ihrem Land zu helfen. «Bitte hört die Stimme des Volkes von Myanmar», «Helft uns» und «Tagsüber schiessen sie, nachts kidnappen sie», war auf Schildern von Demonstranten zu lesen.

«Die Brutalität, mit der die Putschisten in Myanmar nach wie vor gegen den friedlichen Widerstand der Bevölkerung vorgehen, ist absolut inakzeptabel», erklärte der aussenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Bijan Djir-Sarai. Deutschland und die EU müssten endlich konsequent handeln, «anstatt das Vorgehen der Militärs in Myanmar lediglich verbal zu verurteilen». Djir-Sarai forderte Sanktionen und eine Wiederaufnahme der Waffenembargos.

Schon in der Vergangenheit schlug das Militär, das das südostasiatische Land fast fünf Jahrzehnte lang mit eiserner Hand regiert hatte, jeden Widerstand brutal nieder. Erst vor zehn Jahren wurden zaghafte demokratische Reformen eingeleitet – bis zum Putsch in der Nacht zum 1. Februar. Angeblicher Auslöser sollen Unregelmässigkeiten bei der Parlamentswahl im November gewesen sein, die Suu Kyi klar gewonnen hatte. Im Zuge des Putsches setzte das Militär die frühere Freiheitsikone gemeinsam mit vielen weiteren Politikern fest. Die Friedensnobelpreisträgerin soll sich im Hausarrest befinden.

Eine für diesen Montag geplante Gerichtsanhörung Suu Kyis wurde auf Mittwoch verschoben, wie das Nachrichtenportal «Frontier Myanmar» unter Berufung auf den Anwalt Khin Maung Zaw schrieb. Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) hat ihn zum Verteidiger der 75-Jährigen und des ebenfalls festgenommenen Staatspräsidenten Win Myint ernannt. Die Anhörung soll offenbar per Videoschalte stattfinden. Ob Suu Kyi anschliessend freikommt, gilt als fraglich.

Ihr wird vorgeworfen, gegen die Import-Export-Gesetze des Landes verstossen zu haben. Bei einer Hausdurchsuchung kurz nach dem Putsch sollen Funkgeräte in ihrem Haus gefunden worden sein. Es werde geprüft, ob diese illegal ins Land gebracht worden seien, hiess es. Win Myint wird beschuldigt, gegen Corona-Auflagen verstossen zu haben.

Berichten zufolge drohen beiden Politikern bis zu drei Jahre Haft. Die Junta soll zudem die ohnehin strenge Strafgesetzgebung bezüglich Vorwürfen wie «Aufruhr» und «Hochverrat» verschärft haben, um härter gegen Politiker, Aktivisten und Demonstranten vorgehen zu können.

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dpa/tpfi