BelarusNeue EU-Sanktionen gegen Belarus wegen erzwungener Landung
SDA
25.5.2021 - 00:05
Die EU-Staaten verhängen nach der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Minsk neue Sanktionen gegen die frühere Sowjetrepublik Belarus.
25.5.2021 - 00:05
SDA
Darunter ist auch ein Flug- und Landeverbot für belarussische Fluggesellschaften, wie ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel am Montagabend beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel mitteilte.
Michel nannte das Vorgehen von Belarus einen «internationalen Skandal». Dagegen verteidigte Russland als Verbündeter das Vorgehen der autoritären Führung in Minsk. Das belarussische Innenministerium bestätigte offiziell die Festnahme des Bloggers Roman Protassewitsch. Der Aktivist meldete sich auch selbst zu Wort – womöglich unter Zwang.
Die Behörden der autoritär regierten Republik hatten am Sonntag ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mit Hilfe eines Kampfjets zur Landung in Minsk gebracht – angeblich wegen einer Bombendrohung. Nach EU-Angaben waren 171 Menschen an Bord, darunter Protassewitsch. Die meisten übrigen Passagiere reisten nach stundenlanger Verzögerung weiter nach Vilnius.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem «beispiellosen Vorgehen der belarussischen Autoritäten». Vor Beginn des Gipfels forderte sie die sofortige Freilassung des Bloggers und seiner Partnerin, die ebenfalls im umgelenkten Flug sass.
Diese Forderung wurde dann auch in den offiziellen EU-Beschluss für Strafmassnahmen aufgenommen. Zudem sollen belarussische Fluggesellschaften nicht mehr den Luftraum und die Flughäfen der EU nutzen dürfen. Die EU erweitert darüber hinaus die bestehende Liste mit Personen und Unternehmen, gegen die Vermögenssperren und Einreiseverbote gelten. Fluggesellschaften mit Sitz in der EU werden aufgefordert, den Luftraum über Belarus zu meiden. Die Lufthansa teilte schon vor der Entscheidung in Brüssel mit, dass sie «aufgrund der aktuell dynamischen Lage» die «Operation im weissrussischen Luftraum» vorerst aussetze. Über den für Mittwoch geplanten Flug zwischen Frankfurt und Minsk solle noch entschieden werden. Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation soll den Vorfall in Minsk dringend untersuchen, forderte der EU-Gipfel.
Wegen der gewaltsamen Unterdrückung von Protesten hatte die EU bereits in den vergangenen Monaten Sanktionen gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko und dessen Unterstützer verhängt. Betroffen sind Dutzende Personen, aber auch Firmen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, die EU werde so lange Druck «auf das Regime» Lukaschenko ausüben, «bis es die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Medien respektiert». Sie sprach von einem himmelschreienden Verhalten, das strenge Konsequenzen nach sich ziehen werde.
Das Schicksal und der Verbleib des festgenommenen Bloggers waren mehr als 24 Stunden unklar. Der junge Mann war nach Angaben seines Vaters auf der Rückreise von einem Griechenland-Urlaub nach Litauen gewesen, als Lukaschenko das Flugzeug zur Landung zwingen liess. Dmitri Protassewitsch sprach von einem staatlichen «Terrorakt».
In einem regierungsnahen Nachrichtenkanal bei Telegram bestätigte der Blogger, dass er im «Untersuchungsgefängnis Nr. 1» in der Hauptstadt Minsk sei. Zu Berichten über einen angeblichen Krankenhausaufenthalt wegen Herzproblemen sagte er: «Ich kann erklären, dass ich keine gesundheitlichen Probleme habe, auch nicht mit dem Herzen und anderen Organen.» Er werde gesetzeskonform behandelt. Er arbeite mit den Ermittlern zusammen und wolle weitere Geständnisse ablegen.
Nach Einschätzung der Opposition ist das Video unter Druck zustande gekommen. «Roman hat nie freiwillig gesagt, was er jetzt in die Kamera gesagt hat», hiess es bei Telegram. Er sehe zudem «ziemlich gefoltert» aus. «Sein Gesicht ist geschminkt, Spuren von Schlägen sind sichtbar, seine Nase ist gebrochen».
An Bord der Maschine waren nach Einschätzung von Ryanair-Chef Michael O'Leary auch Agenten des belarussischen Geheimdienstes KGB. Der Vorfall sei «sehr beängstigend» gewesen, für Personal und Passagiere, die stundenlang von Bewaffneten festgehalten worden seien. Die Nato will sich am Dienstag mit dem Vorfall befassen.
Belarus zeigte sich offen für eine internationale Untersuchung des Vorfalls. «Ich bin sicher, dass wir in dieser Angelegenheit in der Lage sind, volle Transparenz zu gewährleisten», sagte der Sprecher des Aussenministeriums, Anatoli Glas, in Minsk. Wenn nötig sei Belarus auch bereit, «Experten zu empfangen» und Informationen offenzulegen, um Unterstellungen zu vermeiden. Der Kreml in Moskau sprach sich ebenfalls für eine internationale Untersuchung aus.
Die Bürgerrechtlerin und frühere Präsidentschaftskandidatin in Belarus, Swetlana Tichanowskaja, zeigte sich beunruhigt: «Jetzt versteht jeder, dass nicht nur Belarussen bedroht sind. Es wurde ein Akt des Staatsterrorismus begangen. Jeder Passagier in einem Flugzeug, das über Weissrussland fliegt, ist jetzt in Gefahr. Das Regime hat unser Land zu einem Nordkorea inmitten von Europa gemacht», meinte die im Exil lebende Oppositionelle.
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