Niger nach dem Coup Was wird aus dem Uran, den US-Basen und deutschen Soldaten?

Von Philipp Dahm

7.8.2023

Niger: Ultimatum abgelaufen – Militärs befürchten Einmarsch

Niger: Ultimatum abgelaufen – Militärs befürchten Einmarsch

Die neuen Militärmachthaber im Niger haben den Luftraum des Landes gesperrt, weil sie einen Einmarsch der Ecowas-Staaten befürchten. Deren Ultimatum zur Wiedereinsetzung des nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum war in der Nacht abgelaufen.

07.08.2023

Die Militärs in Niger haben ein Ultimatum verstreichen lassen und den Luftraum gesperrt: Ausländische Soldaten stecken dort fest, während die Nachbarländer beraten, wie es weitergeht. 

Von Philipp Dahm

7.8.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Junta in Niger lässt Ultimatum verstreichen: Die Ecowas-Staaten wollen am 10. August beraten, wie sie reagieren.
  • Die neuen Machthaber haben die militärische Kooperation mit Frankreich, das bis zu 1500 Soldaten im Land hat, gekündigt.
  • In Niger halten sich zudem 1100 amerikanische, 200 italienische und 100 deutsche Soldaten auf.
  • Niger hat in den letzten zehn Jahren 20 Prozent des Urans für französische Kernkraftwerke geliefert. Es gibt aber Alternativen.
  • Russland und China könnten von dem Coup profitieren.

Die Ecowas-Staaten, die elf aktive Mitglieder in Westafrika zählen, haben den Putschisten in Niger ein Ultimatum nach deren Machtübernahme Ende Juli gestellt. Sie haben die neue Junta aufgefordert, den gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum wieder einzusetzen. Andernfalls würden sie Massnahmen ergreifen, die auch Gewalt beinhalten könnten. Das Ultimatum ist bereits am 6. August ausgelaufen.

Die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland ist am Montag nach Niger gereist. An einem Treffen mit dem neuen Stabschef der Streitkräfte, Moussa Salo Barmou, und drei weiteren Mitgliedern der Militärjunta, sei ihre Bitte, den entmachteten und festgesetzen Präsidenten zu treffen, abgelehnt worden. Das Gespräch bezeichnete sie in einer Schalte mit Reportern als «sehr offen und bisweilen schwierig».

Wie es nun weitergeht und welche Faktoren für das Ausland eine Rolle spielen, klären die folgenden fünf Fragen und Antworten.

Was passiert nach Ablauf des Ultimatums?

Die Ecowas-Staaten werden am 10. August über das weitere Vorgehen beraten. Die Staats- und Regierungschefs der Mitglieder sollen in Nigerias Hauptstadt Abuja zusammenkommen, wie Ecowas-Sprecher Amos Lungu am 7. August der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

Die Ecowas-Militärchefs haben bei einem dreitägigen Treffen bereits einen Plan für eine mögliche militärische Intervention als Antwort auf den Putsch im Niger entworfen. Die Staats- und Regierungschefs wollen anhand der Empfehlung über ihr Vorgehen entscheiden.

Wie ist das Verhältnis der Junta zu Paris?

Frankreich hat zwischen 1000 und 1500 Soldaten in Niger stationiert. Wenn die Militärjunta an der Macht bleibt, werden diese das Land verlassen müssen, schätzt François Gaulme von Institut français des relations internationales (IFRI) die Lage ein.

Anhänger der Putschisten protestieren in Niger

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Es mache keinen Sinn, dass die Truppen im Land bleiben, um Islamisten zu bekämpfen, wenn Paris die neue Regierung nicht anerkenne. «Ich denke, es läuft auf eine Evakuierung der französischen Truppen hinaus», meint auch Florence Boyer vom Institute de Recherche pour le Développement.

Die Franzosen unterhalten Stützpunkte in Madama unweit der Grenze zu Libyen, in Aguelal, das 85 Kilometer östlich der nationalen Uran-Vorkommen liegt, und in der Hauptstadt Niamey sowie eine Station in Diffa an der Grenze zu Nigeria. Die militärische Zusammenarbeit mit Niger ruht: Die Junta hat diverse entsprechende Verträge gekündigt.

Braucht Frankreich nicht Nigers Uran?

Frankreichs 18 Kernkraftwerke verbrauchen laut «Le Monde» jährlich 8000 Tonnen Uran. In den letzten zehn Jahren sind demnach 88'200 Tonnen importiert worden, von denen 27 Prozent aus Kasachstan, 20 Prozent aus Niger und 19 Prozent aus Usbekistan gekommen sind.

Insgesamt ist Niger jedoch nur für vier Prozent der weltweiten Uran-Produktion verantwortlich: Paris hat nicht nur Alternativen wie Australien, Namibia oder Kanada, sondern auch gewisse Vorräte. Zudem hat der nigerische Bergbau-Betreiber Orano angekündigt, Frankreich weiter beliefern zu wollen, so «Le Monde».

Minen in Niger: In Arlit und Akokan wird Uran abgebaut.
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Welche ausländischen Soldaten sind noch da?

Die USA unterhalten in Niamey und Agadez zwei Basen, in denen rund 1100 Soldaten stationiert sind. Ausserdem sind laut «Reuters» 300 italienische Militärangehörige im Land. In Niamey befinden sich ausserdem 100 Bundeswehrsoldaten.

Sie sollen eigentlich den Abzug von 862 deutschen Soldaten aus Mali bis Ende des Jahres sicherstellen. Die EU hat zuvor in der Hauptstadt auch eine Basis für die EU-Militärmission (EUMPM) in Niger gehabt, doch deren Angehörige sind bereits abgezogen worden.

Grundsätzlich sitzen aktuell alle ausländischen Militär fest, weil Niger seinen Luftraum gesperrt hat. Grund dafür ist die Ecowas-Drohung eines Angriffs. Sorge hat zumindest die Bundeswehr deswegen nicht: Es bestehe «keine akute Bedrohung aus dem Putsch und den Nachläufen dazu für das Kontingent», sagte ein Sprecher heute in Berlin. «Es richtet sich nicht gegen unsere Kräfte.»

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Wer profitiert im Ausland von dem Coup?

Hierzu zwei Zeitungskommentare vom heutigen 7. August – zuerst von der ostfranzösischen Regionalzeitung «Les Dernières Nouvelles d’Alsace»:

«Russland und die Wagner-Söldner, die sich an die anti-französischen Haltungen der Militärjuntas anpassen, sind nicht Quelle des Durcheinanders, aber profitieren zynischerweise davon. Um diese unheilvolle Woge, die Westafrika durchzieht, einzudämmen, muss Paris seine Doktrin überdenken und die Ecowas unverzüglich dazu ermutigen, noch nach diplomatischen Lösungen zu suchen. Auf jeden Fall darf Frankreich nicht den Eindruck erwecken, dass irgendeine Form von militärischer Unterstützung seinerseits zur Lösung der Krise beitragen könnte. Diese Zeiten sind vorbei.»

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03.08.2023

Die spanische «La Vanguardia» schreibt über den Uran-Produzenten:

«Der Appetit auf diese Rohstoffe mit grossem Zukunftspotenzial wächst und wächst. Und der koloniale Machtwechsel, bei dem China und Russland danach streben, die alten europäischen Mächte zu ersetzen, gewinnt ebenfalls mit jedem Tag an Boden. Man kann deshalb sagen, dass das, was derzeit im Niger auf dem Spiel steht, zu einem doppelten Verlust für den Westen führen könnte – sowohl im Hinblick auf die Sicherheit als auch auf die Kontrolle der Ressourcen.»

Mit Material von dpa.