Nordkorea will im Atomstreit mit den USA auf Augenhöhe verhandeln. Sein Atomprogramm will Kim doch nicht so leicht hergeben. Eine überraschende Pirouette des Machthabers - und der Ball liegt wieder in Washington.
Erneute Kehrtwende, Taktik oder Anzeichen innenpolitischer Probleme? Mit seiner plötzlichen Absage geplanter Versöhnungsgespräche mit Südkorea und der Drohung, das Gipfeltreffen mit den USA im Juni platzen zu lassen, stösst Nordkorea den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In und US-Präsident Donald Trump gleichermassen vor den Kopf.
Im März hatte Trump die Welt in Erstaunen versetzt, als er einen Vorschlag des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un für ein Treffen akzeptierte. «Wir werden beide versuchen, dies zu einem sehr speziellen Moment für den Weltfrieden zu machen!», twitterte Trump später. Am 12. Juni in Singapur soll es passieren - wenn das Treffen denn wirklich zustande kommt.
Zunächst zeigten sich die USA unbeeindruckt von den ersten Medienberichten, dass Nordkorea mit der Absage des Gipfels drohe. Die Gipfel-Planungen gingen weiter, betonte das Aussenministerium. Dahinter steckt die Hoffnung, dass Pjöngjang mit seinen Erklärungen nur versucht, die Oberhand bei den schwierigen Verhandlungen über sein Atomprogramm zu gewinnen und die Initiative zu behalten.
Experte: Jede Partei will mehr Einfluss haben
Auch für Trump, der gerade nach dem einseitigen Ausstieg aus dem multilateralen Iran-Atomabkommen viel Kritik einstecken muss, steht viel auf dem Spiel. Ein Abkommen über einen detaillierten Fahrplan für die Beseitigung der Atomwaffen Nordkoreas würde ihm als aussenpolitischer Erfolg zugeschrieben werden.
Doch Nordkorea stört sich daran, dass Trump die Annäherung Pjöngjangs seiner Politik des «maximalen Drucks» zuschreibt. Die international isolierte Regierung in Pjöngjang will sich ihre Handlungen nicht von aussen diktieren lassen.
Kim Jong Un wird zuhause als erfolgreicher Stratege dargestellt. «Doch jetzt sehen die USA irrigerweise die Grossmut und die grosszügigen Initiativen der Volksrepublik als Zeichen der Schwäche und verkaufen dies als Produkt von Sanktionen und Druck», erklärte am Mittwoch Vize-Aussenminister Kim Kye Gwan - selbst ein erfahrener Unterhändler im Atomstreit.
Trump hatte angedroht, dass er «respektvoll» den Tisch verlassen werde, wenn der Gipfel mit Kim Jong Un nicht den gewünschten Erfolg verspreche. Jetzt hat Nordkorea mit seiner Drohung praktisch gleichgezogen.
Er habe selbst mit Nordkorea verhandelt und sei daher überhaupt nicht überrascht über das, was gerade passiere, sagte der Nordkorea-Experte und Direktor der Organisation Ploughshares Fund in San Francisco, Philip Yun, im US-Sender CNN. «Das ist eine sehr holprige Strasse, jede Partei will mehr Einfluss haben.» Auch schliesst Yun nicht auch, dass in Nordkorea unter den Generälen Unzufriedenheit herrsche. Denn bisher galten die Atomwaffen als Absicherung des Systems.
Erklärung gegen Bolton?
Kim Jong Un hatte sich beim innerkoreanischen Gipfel im April zum Ziel bekannt, eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel durch die «komplette Denuklearisierung» zu schaffen. Schwierig sind die Verhandlungen aber auch deshalb, weil Nordkorea und die USA unter «Denuklearisierung» verschiedene Dinge verstehen.
Kim hatte zuletzt von synchronen Schritten gesprochen, die zum Abbau des Atomprogramms führen - was einen dehnbaren Abrüstungsprozess andeutet. Auch verlangt Pjöngjang starke Sicherheitsgarantieren.
Die jetzige Erklärung Nordkoreas zielt möglicherweise in erster Linie auf Trumps obersten Sicherheitsberater John Bolton, der als wenig zimperlich im Umgang mit Pjöngjang bekannt ist. Bolton sprach sich für eine sofortige Abgabe der Nuklearwaffen Nordkoreas aus. Die Erklärung Nordkoreas sei «mit Bedacht gegen Bolton gerichtet, nicht Trump», twitterte die Forscherin Laura Rosenberger vom German Mashall Fund in den USA. Die Nordkoreaner würden austesten, «wer im Fahrersitz» sei. «Ihre Hoffnung scheint zu sein, dass Trump einsehen wird, dass Bolton seinen wertvollen Gipfel bedroht, und ihn daher unter den Bus wirft.»
Deutlich kritisierte der nordkoreanische Vize-Aussenminister auch Boltons Bemerkung, das «libysche Modell» könne auch im Fall Nordkoreas angewandt werden. Der nordafrikanische Staat hatte vor 15 Jahren unter Muammar al-Gaddafi einer Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen zugestimmt, wenn die internationalen Sanktionen aufgehoben werden. Das hinderte die USA und die europäischen Atommächte Frankreich und Grossbritannien nicht daran, den Sturz des Langzeitmachthabers im Oktober 2011 nach landesweiten Aufständen zu unterstützen.
Hat Kim Jong Un etwa Furcht davor, ein ähnliches Schicksal könne ihn ereilen? Die Politik Washingtons sei eine «Manifestation eines schrecklich dunklen Motivs, unserem würdigen Staat das Schicksal Libyens oder Iraks aufzudrücken, die zusammengebrochen sind, weil sie sich grossen Mächten ergaben», erklärte Vize-Aussenminister Kim Kye Gwan.
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