Vatikan Papst fordert konkrete Massnahmen gegen sexuellen Missbrauch

dpa/jfk

21.2.2019

Der Papst spricht zum historischen Missbrauchstreffen eine Warnung aus: Die Zeit der «vorhersehbaren Verurteilungen» sei vorbei. Nun muss sich die katholische Kirche bewegen. Aber mit ihr auch die ganze Gesellschaft.

Papst Franziskus hat von den Spitzen der katholischen Kirche zu Beginn des Anti-Missbrauchsgipfels «konkrete und wirksame Massnahmen» gefordert. «Das Volk Gottes schaut auf uns und erwartet von uns keine einfachen und vorhersehbaren Verurteilungen», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Donnerstag in der Synodenaula des Vatikans.

«Hören wir den Schrei der Kleinen, die Gerechtigkeit verlangen.» Der Papst erinnerte die Chefs der Bischofskonferenzen der Welt an ihre Verantwortung und verlangte «Mut und Konkretheit», um das «Übel» des sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen.



An dem historischen Treffen nehmen bis Sonntag neben den etwa 110 Chefs der nationalen Bischofskonferenzen auch Vertreter der römischen Kurie und von Orden teil. «Die Jungfrau Maria möge uns erleuchten, um diese schweren Wunden zu heilen, die der Skandal der Pädophilie sowohl den Kleinen als auch den Gläubigen zugefügt hat», sagte der Papst.

Theologen für Gewaltenteilung

Schon in den 1980er Jahren kamen erste Missbrauchsfälle durch Geistliche ans Licht. In den vergangenen Jahren wurde der Druck auf die Kirche und den Papst nach Skandalen in Deutschland, Irland, Chile und den USA immer grösser. Viele Gläubige haben sich deshalb von der Kirche abgewandt, viele Opfer leiden zusätzlich an der Vertuschung nach dem Missbrauch. «Keiner hat mir zugehört, ... keiner hat mein Weinen gehört, ich frage mich, warum hat Gott mir nicht zugehört», verlas der deutsche Pater Hans Zollner, der den Gipfel mit vorbereitet hat, zum Auftakt.

Die Erwartungen sind hoch, dass Franziskus endlich einen Weg aus der Krise findet. Der deutsche Kardinal Reinhard Marx erhofft sich von dem Treffen Impulse nicht nur für die Kirche, sondern für die gesamte Gesellschaft. «Ein Ziel muss sein, dass alle Bischöfe begreifen, das ist eine Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen. Überall, in der Kirche und in der Gesellschaft natürlich auch», sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in Rom. Das «furchtbare Übel des sexuellen Missbrauchs» müsse überwunden werden.

Papstbesuche in der Schweiz sind eine Seltenheit

Opferverbände verlangen, dass der Papst seine immer wieder angekündigte Null-Toleranz-Politik jetzt wirklich durchsetzt. Gefordert wird eine Änderung des Kirchenrechts dahingehend, dass pädophile Geistliche nicht mehr als Priester arbeiten dürfen. Kritische Theologen sprechen sich darüber hinaus für eine Gewaltenteilung und stärkere Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern aus.

Keine bindenden Beschlüsse

In der Kirche gebe es keine unabhängige Verwaltungsinstanz, die Priester oder Bischöfe kontrolliere, kritisierte der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt (D), Ansgar Wucherpfennig, im Deutschlandfunk. Er sprach sich für die Einrichtung einer Wahrheitskommission und für unabhängige Berater an der Seite der Bischöfe aus, die Fälle an die Staatsanwaltschaft weiterleiten könnten.

Die Zeit der «salbungsvollen Worte» sei vorbei, sagte Matthias Katsch vom deutschen Opferschutzverband Eckiger Tisch. Er war verärgert, dass der Papst bei einem Vorabtreffen zwischen Opfern und dem Vorbereitungskomitee am Mittwoch nicht dabei war. «Das Treffen selbst war enttäuschend, weil die Organisatoren eigentlich nicht recht sagen konnten, was der Zweck war.» Auch andere Opfer kritisierten, von der Konferenz ausgeschlossen zu werden.

Der erste Tag des Gipfels begann mit einem Gebet. In Arbeitsgruppen sollen bis Sonntag die drei Themen Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Transparenz besprochen werden. Die Konferenz endet mit einer Messe und einer Abschlussrede des Papstes in der prächtigen Sala Regia im Vatikan. Bindende Beschlüsse können die etwa 190 Teilnehmer auf der Konferenz nicht fassen. Auch eine Abschlusserklärung steht nicht auf der Agenda.

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