Polen Siebter Tag in Folge Proteste gegen Abtreibungsverbot

dpa/sda/toko

28.10.2020

Frauenrechtsaktivisten nehmen am Dienstag an einem von der Frauenrechts-Organisation «Strajk Kobiet» organisierten «Generalstreik» teil.
Frauenrechtsaktivisten nehmen am Dienstag an einem von der Frauenrechts-Organisation «Strajk Kobiet» organisierten «Generalstreik» teil.
Czarek Sokolowski/AP/dpa

Die Menschen in Polen protestieren den siebten Tag in Folge gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts. Am Mittwoch blieben viele ihrer Arbeit fern. Die nationalkonservative PiS-Regierung hat die Stimmung im Land falsch eingeschätzt — und bemüht nun Verschwörungstheorien.

In mehreren polnischen Städten sind am Mittwochabend erneut Tausende Menschen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsverbots auf die Strasse gegangen. Es war der siebte Protesttag in Folge seit der umstrittenen Entscheidung des Verfassungsgerichts, wonach Frauen auch dann nicht abtreiben dürfen, wenn ihr Kind schwere Fehlbildungen hat.

In Polens drittgrösster Stadt Lodz zogen nach Angaben des Senders TVN24 etwa 20'000 überwiegend junge Menschen durch die Innenstadt. Auch im Zentrum der Hauptstadt Warschau versammelten sich am Abend viele Menschen. Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift «Kämpft mit dem Virus, nicht mit den Frauen» und «Kümmert euch um den Leib Christi». Auf anderen Plakaten wurde die nationalkonservative Regierungspartei PiS mit derben Schimpfwörtern attackiert.

Die Organisation Allpolnischer Frauenstreik, die bei den Protesten federführend ist, hatte für Mittwoch zu einem Streik aufgerufen. In vielen Städten blieben in den Stadtverwaltungen, Universitäten und manchen privaten Firmen die Beschäftigten der Arbeit fern — oft mit Billigung ihrer Vorgesetzten. Für den Abend forderte die Organisation die Protestierenden in Warschau auf, vor das Gebäude des Parlaments (Sejm) zu ziehen, wo die Abgeordneten tagten. «Alle vor den Sejm, wir organisieren ihnen den Lockdown», schrieben die Aktivistinnen auf Facebook.



Von den Protesten in die Ecke getrieben, bemüht Kaczynski alte Feindbilder und Verschwörungstheorien. Der 71-jährige Vize-Regierungschef rief die PiS-Anhänger auf, «um jeden Preis» die Kirchen zu schützen. Diese würden nicht zufällig angegriffen. Vielmehr könne man bei den Attacken eine Vorbereitung und sogar Schulung erkennen. «Diese Attacke soll Polen vernichten. Sie soll zum Triumph von Kräften führen, deren Herrschaft die Geschichte des polnischen Volkes, so wie wir es kennen, beenden soll.»

Während sich die politische Stimmung aufheizt, hat die Corona-Pandemie Polen weiter fest im Griff. Die Anzahl der gemeldeten Neuinfektionen eines Tages erreichte am Mittwoch den Rekordwert von mehr als 18 000 Fällen. Die PiS-Regierung könnte bald den Ausnahmezustand verhängen, warnt Polens Menschenrechtsbeauftragter Adam Bodnar. «Ich befürchte, dass die Situation ausgenutzt wird, um unsere Bürgerrechte und -freiheiten ernsthaft einzuschränken», sagte Bodnar dem Portal «Bezprawnik». Unter anderem könnte dann auch die Versammlungsfreiheit ausgesetzt werden. Für die Strassenproteste wäre das das Ende.

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