Weltkriegs-Reparationen Polen will 1,3 Billionen Euro von Deutschland fordern

dpa/AP/uri

1.9.2022

Das durch die Nazis zerstörte Warschauer Ghetto im Jahr 1945. (Archiv)
Das durch die Nazis zerstörte Warschauer Ghetto im Jahr 1945. (Archiv)
Bild: Keystone

83 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs präsentiert Polen einen Bericht zu den im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kündigt Reparationsforderungen in Billionenhöhe an.

dpa/AP/uri

Ein polnisches Gutachten hat die Kosten des deutschen Überfalls und der nachfolgenden Besetzung des Landes im Zweiten Weltkrieg auf 1,3 Billionen Euro beziffert.

Der Chef der Regierungspartei, Jaroslaw Kaczynski, bekräftigte nach der Vorstellung des Gutachtens am Donnerstag, dem 83. Jahrestag des deutschen Angriffs, dass Polen den Gegenwert als Reparation von Deutschland fordern werde. Dazu sei Polen verpflichtet. «Wir haben nicht nur das Gutachten erstellt, sondern wir haben auch über weitere Schritte entschieden», sagte er.

Die Deutschen «haben uns enormen Schaden zugefügt»

Das Gutachten wurde zum 83. Jahrestag des Beginn des Zweiten Weltkriegs im Königsschloss der polnischen Hauptstadt vorgestellt. Es soll die Reparationsforderungen von Polens nationalkonservativer Regierung an Deutschland untermauern.

«Die Deutschen sind in Polen eingefallen und haben uns enormen Schaden zugefügt. Die Besatzung war unglaublich verbrecherisch, unglaublich grausam und hatte Auswirkungen, die in vielen Fällen bis heute anhalten», sagte Kaczynski, der als starker Mann der polnischen Politik gilt.

«Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, nur weil es jemandem so vorkommt, als befände sich Polen in einer besonderen, radikal niedrigeren Position als andere Länder.» Er sei sich bewusst, dass es zu den Reparationen ein «langer und schwieriger Weg» sei.

Bis zu sechs Millionen Tote allein in Polen

Die nationalkonservative PiS-Regierung, die das Nachbarland seit 2015 führt, hat das Thema Entschädigungszahlungen immer wieder aufgebracht. Die PiS rief 2017 für das Gutachten eine Parlamentskommission ins Leben.

Zudem gründete Polen ein Forschungsinstitut für Kriegsschäden. Der mehrfach angekündigte Bericht wurde nun an einem symbolischen Tag präsentiert: Am 1. September 1939 begann der deutsche Überfall auf Polen.

Dies war auch der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit mindestens 55 Millionen Toten – andere Schätzungen kommen sogar auf bis zu 80 Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Allein in Polen kamen nach Schätzungen bis zu sechs Millionen Menschen ums Leben.

30 Experten an Gutachten beteiligt

Nach Angaben von Arkadiusz Mularczyk, dem Leiter der Parlamentskommission, waren an dem Gutachten 30 Experten beteiligt, darunter Historiker, Wirtschaftsfachleute und Immobiliengutachter.

Der erste Band umfasst mehr als 500 Seiten und ist in neun Kapitel unterteilt – Berechnungen zu den polnischen Kriegsverlusten in den Bereichen Demografie, der wirtschaftlichen Bewertung der menschlichen Verluste sowie den materiellen Verlusten. Ausserdem geht es um den Verlust von Kultur- und Kunstgütern sowie verschiedenen Arten von Finanzmitteln, Bankguthaben und Wertpapieren.

Der polnische Oppositionspolitiker Grzegorz Schetyna nannte das Gutachten innenpolitisch motiviert. Polen sei auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland angewiesen, sagte er. Die Bundesregierung lehnt jegliche Reparationsforderungen ab. Für sie ist die Frage mit dem 2+4-Vertrag über die aussenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit abgeschlossen.