HaitiPräsident Moïse zu Hause erschossen – Ungewissheit in Haiti
SDA
8.7.2021 - 09:14
Nach der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse sind nach Angaben der Polizei vier mutmassliche Täter getötet und zwei festgenommen worden. Die Hintergründe des Attentats blieben zunächst jedoch unklar – ebenso wie die Nachfolge des Staatschefs. Die Regierung des Karibikstaates rief am Mittwoch jeweils 15 Tage Belagerungszustand und Staatstrauer aus. Aussenminister Claude Joseph unterzeichnete beide Erlasse am Mittwoch als Übergangs-Premierminister. Moïse hatte am Montag Ariel Henry zu Josephs Nachfolger im Amt des Regierungschefs ernannt, Henry war aber bislang nicht vereidigt worden.
08.07.2021, 09:14
SDA
Unbekannte waren in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in die Residenz des 53 Jahre alten Staatschefs Moïse in einem Vorort der Hauptstadt Port-au-Prince eingedrungen und hatten ihn erschossen. Seine Ehefrau Martine wurde verletzt und zur Behandlung in die rund 1000 Kilometer entfernte US-Stadt Miami gebracht, wie Haitis Botschafter in den USA, Bocchit Edmond, internationalen Medien sagte. Die Angreifer seien nach ersten Erkenntnissen Ausländer gewesen, die sich als Angehörige der US-Anti-Drogenbehörde DEA ausgegeben hätten.
Nach Angaben der haitianischen Botschaft in Washington handelte es sich um einen wohl koordinierten Angriff durch eine gut ausgebildete und schwer bewaffnete Gruppe. Joseph sagte in einer Ansprache an die Nation, die Täter hätten Englisch und Spanisch gesprochen. Haitianisches Kreol und Französisch sind Haitis Amtssprachen.
Joseph rief dazu auf, die Ruhe zu bewahren. Die Lage sei unter Kontrolle. Der Flughafen von Port-au-Prince wurde vorübergehend geschlossen. Berichten zufolge waren die Strassen am Mittwoch ungewöhnlich leer, immer wieder waren allerdings Schüsse zu hören. Der Belagerungszustand erlaubt es der Regierung unter anderem, das Militär für Polizeiaufgaben einzusetzen und Bürgerrechte einzuschränken.
Haiti – das ärmste Land des amerikanischen Kontinents – steckte schon zuvor in einer tiefen politischen Krise. Da eine für Oktober 2019 vorgesehene Parlamentswahl unter anderem wegen heftiger Proteste gegen Moïse ausgefallen war, gibt es dort seit Januar 2020 kein handlungsfähiges Parlament mehr. Moïse regierte seither per Dekret.
Weder Henry – der bereits der siebte Premierminister seiner Amtszeit gewesen wäre – noch Joseph und dessen Vorgänger Joseph Jouthe konnten daher verfassungsgemäss als Regierungschef bestätigt werden. Auch der Oberste Gerichtshof ist geschwächt – der vorsitzende Richter René Sylvestre starb vor wenigen Wochen. Am 26. September stehen in Haiti Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum an. Mit dem Referendum wollte Moïse die Rolle des Staatschefs stärken.
Joseph telefonierte am Mittwoch mit US-Aussenminister Antony Blinken, wie beide Seiten bekanntgaben. Joseph versprach dabei einen Dialog mit den Anführern der Opposition, um für Ruhe zu sorgen und die Wahlen nach dem bisherigen Zeitplan durchzuführen. Er traf sich nach Angaben seines Büros ausserdem mit Vertretern der sogenannten Kerngruppe der internationalen Gemeinschaft in Haiti, der auch der deutsche Botschafter angehört. Joseph versicherte ihnen demnach, dass durch seine Führung des Ministerrates das Funktionieren des Staates gewährleistet sei und er die Lage unter Kontrolle habe.
Viele Vertreter der Opposition waren der Ansicht, Moïses Amtszeit endete im Februar. Moïse erklärte daraufhin am 7. Februar, es habe einen Putschversuch und einen Mordkomplott gegen ihn gegeben, und verkündete 23 Festnahmen – darunter ein Richter am Obersten Gerichtshof. Die Präsidentenwahl von 2015 war wegen Betrugs annulliert und Moïse erst nach einer Neuwahl ein Jahr später vereidigt worden. Die fünfjährige Amtszeit des Bananenunternehmers von der konservativen «Kahlkopf»-Partei wäre daher aus seiner Sicht – wie auch nach Ansicht der noch immer einflussreichen, früheren Besatzungsmacht USA – erst im kommenden Februar zu Ende gegangen.
Proteste gegen Moïse haben Haiti in den vergangenen drei Jahren immer wieder lahmgelegt. Ihm wurden Korruption und Verbindungen zu gewalttätigen Banden vorgeworfen. Blutige Kämpfe solcher Banden um die Kontrolle über Teile von Port-au-Prince haben nach UN-Zahlen seit Anfang Juni mehr als 14 700 Menschen in die Flucht getrieben.
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