Putins Söldner in Afrika«In der Zentralafrikanischen Republik haben sie das Heft in der Hand»
Von Carley Petesch und Gerald Imrey, AP
30.4.2022 - 12:29
Sie tragen auf ihren Kampfanzügen einen Totenkopf als Emblem: Söldner der privaten russischen Wagner-Gruppe kämpfen nicht nur in der Ukraine. Putin setzt sie auch in Afrika ein, sind sich westliche Militärs sicher.
Von Carley Petesch und Gerald Imrey, AP
30.04.2022, 12:29
Von Carley Petesch und Gerald Imrey, AP/uri
Als Ende März in Mali 300 Menschen zusammengetrieben, niedergeschossen und in Massengräbern verscharrt wurden, gab es wenig Zweifel daran, wer an dem Massaker beteiligt war: Söldner der russischen Wagner-Gruppe. Schon lange bevor sich diese gefürchteten professionellen Soldaten im Ukraine-Krieg Russlands Truppen anschlossen, hat der Kreml sie bei Militäroperationen unter dem Radar in mindestens einem halben Dutzend afrikanischer Länder eingesetzt. Das Ziel: Präsident Wladimir Putins globale Ambitionen voranzutreiben und Demokratie zu untergraben.
Die Wagner-Gruppe stellt sich selbst als ein privater militärischer Auftragnehmer dar, und der Kreml bestreitet jegliche Verbindung zu ihr, ja manchmal sogar, dass sie überhaupt existiert. Aber Wagners Verflechtung mit russischen Interessen ist in der Ukraine offen zutage getreten: Dort sind die Kämpfer der Gruppe mit ihrem weissen Totenkopf-Emblem auf ihrer Kleidung unter den russischen Soldaten, die gegenwärtig den Osten der Ukraine angreifen.
Im Afrika südlich der Sahara hat die Gruppe wesentlich dazu beigetragen, dass Russland gleich in mehreren Ländern – der Zentralafrikanischen Republik, Sudan und Mali – Fuss fassen konnte. Wagners Rolle dort geht Experten zufolge weit über angebliche blosse Sicherheitsdienste hinaus. «Sie haben in der Zentralafrikanischen Republik praktisch das Heft in der Hand» und seien eine wachsende Kraft in Mali, sagte General Stephen Townsend, Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Afrika, unlängst in einer Kongressanhörung.
Finanziert wird die Wagner Group nach US-Erkenntnissen von Jewgeni Prigoschin, einem engen Vertrauten des russischen Präsidenten, der wegen seiner beim Kremlchef beliebten Restaurants manchmal «Putins Koch» genannt wird. Die USA haben ihn wegen Verschwörung zur Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016 angeklagt und gemeinsam mit der EU Sanktionen gegen die Wagner-Gruppe verhängt.
Russlands Einfluss in Afrika reicht nördlich bis nach Libyen und südlich bis nach Mosambik, und Putins Spielplan für den Kontinent ist in gewisser Weise einfach, wie Analysten sagen. Moskau sucht Bündnisse mit Regierungen oder Junten, die vom Westen gemieden werden oder mit Aufständen und anderen internen Herausforderungen für ihre Herrschaft konfrontiert sind.
Die Wagner-Gruppe ist ein nützliches Werkzeug für Putin
Die afrikanischen Führungspersonen erhalten Anerkennung vom Kreml und militärische Unterstützung von Wagner. Sie revanchieren sich dafür, indem sie Russland bevorzugten Zugang zu ihrem Öl, Gas, Gold, zu ihren Diamanten und anderen wertvollen Mineralien gewähren.
Russland kann damit auf einem strategisch wichtigen Kontinent Fuss fassen – und das zugleich für einen ideologischen Kampf nutzen, wie Joseph Siegle, Forschungsdirektor des Afrika-Zentrums für strategische Studien, einer Einrichtung des US-Verteidigungsministeriums, erläutert. Ziel sei es, westliche Ideen von Demokratie zu untergraben und Länder dazu zu bringen, sich Moskau zuzuwenden. Die Wagner-Gruppe werde dabei als Werkzeug eingesetzt.
Sie fördert Russlands Interessen nicht nur mit Soldaten und Waffen, sondern auch durch Propaganda und Desinformation. In der Zentralafrikanischen Republik patrouillieren Kämpfer der Gruppe in der Hauptstadt Bangui in Militärfahrzeugen, die wie zivile aussehen, und sie beschützen die Gold- und Diamantenminen des Landes. Sie haben geholfen, bewaffnete Rebellengruppen abzuwehren und Präsident Faustin-Archange Touadéra an der Macht zu halten.
Aber ihr Ziel reicht viel weiter. Der Russe Waleri Sacharow ist Touadéras nationaler Sicherheitsberater und zugleich eine «Schlüsselfigur» in Wagners Kommandostruktur, wie es in EU-Dokumenten heisst, in denen der Söldnergruppe schwere Menschenrechtsverletzungen angelastet werden.
Der strategische Erfolg kostet Russland wenig
Ein 2021 in Bangui errichtetes Denkmal stellt russische Soldaten Seite an Seite mit einer Frau und deren Kindern dar – als ihre Beschützer. Insgesamt wird Russland als Retter des Landes präsentiert, und es hat Demonstrationen zur Unterstützung der Ukraine-Invasion gegeben – wobei mehrere Teilnehmer sagten, dass sie bezahlt worden seien. Russlands Vorgehen in der Ukraine sei Selbstverteidigung, sagt beispielsweise auch Didacien Kossimatchi, ein Mitglied von Touadéras politischer Partei.
Derartige Unterstützung seitens afrikanischer Länder ist ein strategischer Erfolg für Russland. Als die Vereinten Nationen über eine Resolution zur Verurteilung der Invasion abstimmten, waren 17 der 35 Staaten, die sich enthielten, afrikanisch. Afrika werde in einem raschen Tempo «essenziell» für Putins Bestrebungen, «den Einfluss der USA und deren internationaler Bündnisse zu verwässern», hiess es im März in einem Bericht des gemeinnützigen Tony Blair Institute for Global Change.
Die Kosten für Russlands Strategie in Afrika sind wirtschaftlich und politisch minimal. Analysten schätzen, dass Wagner gerade mal mit ein paar Hundert bis 2000 Söldnern in einem Land operiert. Viele sind ehemalige russische Militärgeheimdienstler, wie Siegle sagt.
Wagner-Gruppe werden zahlreiche Verbrechen angelastet
Der wirkliche Preis wird von der allgemeinen Bevölkerung gezahlt. Frankreich, die USA und Menschenrechtsgruppen lasten den Wagner-Söldnern die Tötung von Zivilisten in der Zentralafrikanischen Republik an. Ein UN-Expertengremium befand, dass private militärische Gruppen und «insbesondere die Wagner-Gruppe» Menschen brutal verfolgt und Vergewaltigungen sowie andere sexuelle Gewalttaten begangen hätten. Und das sind nur die jüngsten in einer ganzen Reihe von Vorwürfen.
Russland versucht jetzt, seine Strategie nach dem zentralafrikanischen Muster auch in Mali und anderswo in Afrika anzuwenden. Nach Putschen 2020 und 2021 zieht Frankreich seine Truppen aus seiner ehemaligen Kolonie ab, die dort seit 2013 im Kampf gegen islamische Extremisten geholfen hatten. Die Wagner-Gruppe zog ein, schloss eine Sicherheitsvereinbarung mit Malis neuer Militärjunta ab, die dann den französischen Botschafter auswies und französische Fernsehsender verbot. Spannungen mit dem Westen und die Gewalt im Land eskalierten.
Im März wurden bei einer Offensive des malischen Militärs und ausländischer Soldaten, die Zeugen als Russen beschrieben, 300 Männer in der ländlichen Stadt Moura getötet. Manche waren mutmassliche Extremisten, aber die meisten Zivilisten, wie die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch sagt. Sie spricht von einem «vorsätzlichen Gemetzel».
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