Russlands Präsident Wladimir Putin hat von katastrophalen Verlusten für die Ukraine bei deren Gegenoffensive gesprochen. «Meiner Berechnung nach hat die Ukraine 25 bis 30 Prozent der vom Ausland gelieferten Technik verloren», sagte er am Dienstag bei einem Treffen mit russischen Militärkorrespondenten.
14.06.2023
Moskau hat 25 bis 30 Prozent der westlichen Waffen zerstört. Trotzdem sollen die USA aufhören, zu liefern. Russlands Rüstung? Verdreifacht. Trotzdem fehlt es an allem. Ja, was denn nun, Wladimir Putin?
Von Philipp Dahm
15.06.2023, 06:45
15.06.2023, 10:45
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Wladimir Putin hat bei einem Treffen mit Bloggern und Kriegsreportern am 13. Juni über die Ukraine gesprochen.
Kiews Gegenoffensive scheitert demnach auf ganzer Linie: Moskau will über 160 Panzer und 300 gepanzerte Fahrzeuge zerstört haben.
Die eigene Rüstungsindustrie habe sich im letzten Jahr verdreifacht und bei gefragter Ausrüstung gar verzehnfacht.
Trotzdem fehlen Raketen, Munition, Flugzeuge, Drohnen, Panzer und Panzerabwehrwaffen, räumt Putin ein.
Die Verluste liegen bei 1:10 zu Ungunsten der Ukraine, so Putin. Eine weitere Mobilisierung schliesst er dennoch nicht aus.
Putin deutet einen erneuten Vorstoss nach Kiew an.
Zugegeben: In einem Krieg sollte man sich nicht in die Karten schauen lassen, damit die Gegenseite den nächsten eigenen Schritt nicht ausrechnen kann.
So gesehen hat Wladimir Putin alle Trümpfe in der Hand: Der russische Präsident widerspricht sich in verschiedenen Punkten derart, dass man ihn nicht festnageln kann. Den Anfang macht der Beginn der ukrainischen Gegenoffensive, die ein reines Desaster ist, wenn man Putin Glauben schenkt.
Die ukrainischen Streitkräfte haben eine «grossangelegte» Offensive am 4. Juni gestartet, berichtet der Kreml-Chef neun Tage später bei einem Treffen mit linientreuen Kriegsreportern und Bloggern. Ihre Verluste? «Katastrophal», weiss Putin. 10 zu 1 sei das Verhältnis zuungunsten von Kiews Kräften.
Und der russische Präsident liefert auch Zahlen: 25 bis 30 Prozent aller Fahrzeuge, die der Westen geliefert hat, seien bereits zerstört worden. Über 160 Panzer und mehr als 300 gepanzerte Fahrzeuge habe man ausgeschaltet: Die deutschen Leopard-2-Panzer und die amerikanischen Bradley-Schützenpanzer «brennen sehr gut», grinst der 70-Jährige.
Zurück nach Kiew?
Die Gegenoffensive habe «in keinem Sektor» Erfolg: Russland habe bloss 54 Panzer verloren. Auch die Rüstungsproduktion sei auf Zack: Sie habe sich beinahe verdreifacht, tönt Putin. Die gefragteste Ausrüstung werde im Jahr 2022 sogar zehnmal häufiger hergestellt.
Selenskyj: Erfolge bei Offensive
Nach der Rückeroberung mehrerer Dörfer im Osten der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj von einem Erfolg der bisherigen Offensivschläge gegen die russischen Streitkräfte gesprochen.
«Dank unseren Männern für jede ukrainische Flagge, die an ihren rechtmässigen Platz in den Dörfern der neu von der Besatzung befreiten Gebiete zurückkehrt», sagte Selenskyj in seiner am Montagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft.
«Die Kämpfe sind hart, aber wir kommen vorwärts, und das ist wichtig.» Seit Tagen melden die ukrainischen Streitkräfte die Befreiung einer wachsenden Zahl von Dörfern vor allem im Gebiet Donezk, das Russland annektiert hatte.
14.06.2023
Der Kreml überlege sogar, selbst in die Offensive zu gehen, um eine Pufferzone gegen Überfälle auf russisches Gebiet oder Beschuss zu bilden. Was die Tiefe angeht, gebe es verschiedene Pläne, so der Präsident. Seine Truppen «waren bereits nahe Kiew», deutet er einen erneuten Vorstoss auf die ukrainische Hauptstadt an. «Sollten wir dorthin zurück?», fragt er rhetorisch und antwortet: «Nur ich kann eine Antwort geben.»
Doch obwohl scheinbar alles läuft für Moskau, gibt es Bremsklötze, muss Putin einräumen. Trotz der angeblich so hohen Verluste auf der Gegenseite will der frühere Geheimagent nicht ausschliessen, dass es eine weitere Teil-Mobilisierung geben wird. Das hänge davon ab, wie sich die militärische Lage entwickle.
Ukraine in die Nato? «Die spinnen, oder nicht?»
Trotz der gesteigerten Rüstungsproduktion fehlt es auch an Material. «Im Laufe der militärischen Spezial-Operation ist ein Mangel an vielen Dingen klar geworden: Präzisionsmunition, Kommunikationsausrüstung, Drohnen, Flugzeuge und so weiter», gesteht Putin. «Wir haben sie, aber leider nicht genug davon.»
Es fehlten zudem «moderne Panzerabwehr-Waffen und Panzer», heisst es weiter. Wohl deshalb ist Putin auch zu Friedensgesprächen bereit: Ein Angebot, das sich für Kiew wie eine Drohung anhören muss. Das Angebot geht nämlich an die USA: «Wenn sie eine Verhandlungslösung sehen wollen, reicht es, wenn sie den Waffen-Nachschub stoppen», sagt Putin.
Dass die Nato mit der Ukraine verhandelt, kann der Kreml-Chef übrigens fast nicht fassen: «Die spinnen, oder nicht?», ruft er aus. Denn: Die besetzen Gebiete sind «unsere historischen Gebiete», erklärt Putin. Das Verhalten des Westens und der Ukraine ist auch der Grund, warum er ein Ende des Getreideabkommens erwägt.
Die USA und Co. behindern den Finanzsektor und Schiffsversicherungen, während Kiew den Korridor angeblich für maritime Drohnen-Angriffe im Schwarzen Meer nutzt. Russland habe nur zugestimmt, um den ärmsten Ländern zu helfen, versichert Putin.