Russisch-ukrainische Grenze Ein Vertrag sollte Ordnung schaffen, endete aber im Chaos

mmi

28.1.2023

Zwei Fussgängerinnen passieren nicht identifizierte Bewaffnete, die den ukrainischen Infanteriestützpunkt in Perewalne, Ukraine, bewachen – gut zwei Wochen, bevor Russland die Krim überfällt. 
Zwei Fussgängerinnen passieren nicht identifizierte Bewaffnete, die den ukrainischen Infanteriestützpunkt in Perewalne, Ukraine, bewachen – gut zwei Wochen, bevor Russland die Krim überfällt. 
Keystone

Elf Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten die Ukraine und Russland ihre Grenze vertraglich festgelegt: Das würde sich am Samstag zum 20. Mal jähren. Mit Betonung auf «würde». Ein Blick zurück.

mmi

28.1.2023

Russland brauche die Ukraine «als strategischen Partner auf lange Sicht» – das sagte der damalige und heutige russische Präsident Wladimir Putin zu den Medien.

Es war der Dienstag, 28. Januar 2003. Kurz zuvor hatten der Präsident der Russischen Föderation und der damalige ukrainische Präsident Leonid Kutschma den Vertrag in Kiew unterzeichnet, der die Grenze zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken festlegen sollte.

Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland begann der Vertrag 2014 allmählich einzureissen, bis er mit Putins Angriffskrieg vergangenen Februar definitiv Makulatur wurde.

Zum 20. Jahrestag ein Überblick, wie das Grenzabkommen zustande kam – und weshalb es heute Geschichte ist.

Nur symbolische Grenzen

Zu Sowjetzeiten hatte die Grenze nur symbolische Bedeutung. Sie verlief mitten durch Ortschaften, teils sogar durch einzelne Grundstücke. Doch mit dem Zerfall der Sowjetunion im Dezember 1991 drängte vor allem die Ukraine auf die Anerkennung ihrer Grenze durch die Machtzentrale in Moskau. 

So schloss sich die Ukraine nach einem Unabhängikeitsreferendum ebenfalls im Dezember 1991 der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) an – einem Zusammenschluss von Nachfolgestaaten der Sowjetunion. 

30 Verhandlungsrunden und diverse Abkommen

Doch es brauchte etwa 30 Verhandlungsrunden und weitere Abkommen – etwa 1997 über die russische Schwarzmeerflotte und den Vertrag über die wirtschaftliche Zusammenarbeit 1998 –, bis 1999 durch den «Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Parternschaft» Russland die Ukraine vollumfänglich als unabhängigen Staat anerkannte.

Es brauchte 30 Verhandlungsrunden und weitere Abkommen, bis Russland die Unabhängigkeit der Ukraine offiziell anerkannte.
Es brauchte 30 Verhandlungsrunden und weitere Abkommen, bis Russland die Unabhängigkeit der Ukraine offiziell anerkannte.
Keystone

Das war der Grundstein für den vier Jahre später folgenden russisch-ukrainischen Grenzvertag. Darin einigten sich Kiew und Moskau auf eine international anerkannte, 2063 Kilometer lange Landgrenze vom Dreiländereck zwischen Belarus, Russland und der Ukraine bis zum Schwarzen Meer.

Damit hätten die Streitigkeiten und territorialen Ansprüche Russlands engültig geregelt sein sollen. Hätten.

Bruch des Budapester Memorandums

Trotz Vertragsunterzeichnung häuften sich die Anzeichen, dass die russisch-ukrainische Grenze vom Kreml nicht respektiert würde. Die Euromaidan-Revolution, die im Februar 2014 den damaligen pro-russischen Präsidenten der Ukraine, Wiktor Janukowytsch, aus dem Amtes jagte, war für Moskau zu viel. Für Putin wurde die Gefahr real, den Nachbarstaat an den Westen zu verlieren.

Daraufhin erzwang die Russische Föderation mittels militärischer Intervention die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Frühjahr 2014. Gleichzeitig unterstützte sie die pro-russischen Separatisten im Donbass politisch und militärisch.

Damit brach die russische Regierung sämtliche völkerrechtlichen Verträge wie das Budapester Memorandum von 1994. 2018 kündigte Kiew an, auf die Verlängerung des Vertrags nach jeweils zehn Jahren zu verzichten. Das Abkommen lief 2019 aus.

Zum Schutz der brüchigen Grenze lancierte die ukrainische Regierung im Herbst 2014 ein Verteidigungssystem entlang der russischen Grenze. Noch im Juni 2020 rechnete der staatliche Grenzschutz damit, dass das Projekt bis 2025 fertiggestellt sein würde. Der Rest ist Geschichte.