Rubel-Diktat oder Lieferstopp Dreht Putin den Hahn zu, ist das Gas auch für ihn verloren

uri

29.3.2022

Moskau will sein Gas in Rubel bezahlt bekommen oder die Lieferungen stoppen. Das zumindest hat der Kreml angekündigt. Der Vollzug dieses Schrittes dürfte allerdings nicht nur westliche Staaten vor Probleme stellen.

uri

29.3.2022

«Keine Bezahlung – kein Gas»: Mit dieser Aussage hat Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montagabend einen möglichen neuen Eskalationsschritt in der Auseinandersetzung mit den westlichen Ländern angedroht. Bereits zuvor hatte Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnet, dass «unfreundliche» Staaten – zu denen der Kreml auch die Schweiz zählt –, Gas nur noch bei Bezahlung in Rubel geliefert bekommen sollen.

Mit der Aktion könnte Russland nicht nur die eigene Währung stützen, sondern zugleich auch westliche Länder vorführen, da diese so ihre eigenen Sanktionen unterlaufen müssten. Entsprechend wiesen verschiedene Staats- und Regierungschefs Putins Forderung bereits mit der Begründung zurück, dass der Schritt einen Vertragsbruch bedeuten würde.

Noch fliesst das Gas ungebremst

Unabhängig von der Ankündigung aus dem Kreml liefert Russland bislang allerdings weiter in grossem Umfang Gas durch die Ukraine nach Europa. Wie bereits in den vergangenen Tagen würden auch am Dienstag 109,5 Millionen Kubikmeter Gas durch das Leitungssystem gepumpt, sagte der Sprecher des Energieriesen Gazprom, Sergej Kuprijanow, der Agentur Interfax zufolge. Das entspricht der vertraglich möglichen maximalen Auslastung pro Tag.

Der Stopp der Gaslieferung würde allerdings nicht nur Staaten in Europa hart treffen, sondern auch Russland selbst, denn Putin kann die Kriegsmaschinerie und den Staatshaushalt wohl nur mithilfe der gigantischen Einnahmen aus dem Energiegeschäft aufrechterhalten. So wurden aus der EU Anfang März im Schnitt 660 Millionen Dollar an russische Gaskonzerne überwiesen – und zwar täglich, wie das «Manager Magazin» berichtet.

Installationen zur Erdgasförderung auf der Gydan-Halbinsel in Westsibirien. 
Installationen zur Erdgasförderung auf der Gydan-Halbinsel in Westsibirien. 
Bild: Getty  Images

Ob Russland seine Drohung mit dem Gas-Lieferstopp tatsächlich wahrmacht, ist schwer abzusehen. Technisch jedenfalls ist es kein Problem, den Gashahn schlagartig zuzudrehen, wie Dominik Möst, Energiewirtschaftsprofessor an der TU Dresden, dem Mitteldeutschen Rundfunk erklärte. Dafür müsse man lediglich ein Ventil am Regelwerk schliessen. «Das geht relativ schnell und dann ist die Leitung abgeschaltet», so Möst.

China dürfte einen Teil des Gases abnehmen

Fraglich sei in dem Fall aber, so der Experte, was Russland dann mit all dem Gas anfange, welches dann anfalle. Die Kapazitäten, es zu speichern, seien nämlich nicht vorhanden. «Ein Teil der Mengen wird sicherlich Abnehmer in China finden», glaubt Möst. Die komplette Umleitung der wertvollen Ressource in andere Kanäle sei aber ebenfalls nicht möglich.

Zwar könne Russland das Gas natürlich auch in die Atmosphäre entweichen lassen, sagt Möst. Dabei handle es sich aber wohl eher um eine theoretische Option, denn schliesslich vernichte man so im grossen Stil eigene Werte. Der Wissenschaftler vermutet, dass Russland auch weiterhin ein Interesse habe, die bestehenden Verträge zu bedienen, um immense Einnahmen zu generieren. Allerdings gibt auch er zu bedenken: «Letztendlich kann man nicht in den Kopf von Herrn Putin reinschauen und deswegen denke ich, man tut schon gut daran, jetzt auch möglichst schon so weit, wie es geht, Vorsorge zu treffen.»

Auch müsse man sich in Europa zudem fragen, ob man sich überhaupt einen Boykott russischen Gases leisten könne, sagt Möst. Die bislang von Russland abgenommenen Mengen seien nämlich so gross, dass sie sich wenigstens kurzfristig nicht komplett ersetzen liessen.

Die direkte Abhängigkeit der Schweiz ist relativ gering

Die ehemalige Energieministerin Doris Leuthard hält einen entsprechenden Schritt hierzulande immerhin für möglich. «Die Schweiz könnte einen Öl- und Gasboykott gegen Russland verkraften», sagte Leuthard der «Schweiz am Wochenende».

Für ihre Einschätzung führte Leuthard an, dass die Schweiz hinsichtlich der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen bedeutend besser dastehe als etwa Deutschland. Gas mache im Schweizer Energiemix lediglich zwischen 14 und 15 Prozent aus. Davon komme allerdings die Hälfte aus Russland, so Leuthard. Dieser Anteil «liesse sich aber ersetzen», gab sie sich überzeugt. Die Folgen seien jedoch höhere Preise für Privathaushalte und selbstverständlich auch für viele Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit dadurch leide.

Betroffen von einem Boykott oder auch von einem russischen Gas- und Öl-Lieferstopp wären allerdings auch die wichtigen Handelsplätze in Genf, Zug, Lugano und Zürich. Wie der «Blick» aufgrund eines Berichts der Schweizer Botschaft in Moskau aus dem November 2021 schreibt, werden hier nämlich rund 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels abgewickelt.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Keystone-SDA