Verurteilter Serbenführer Schuld an Srebrenica: Vor zehn Jahren wurde Radovan Karadzic gefasst

tsch / dpa / SDA / AFP

20.7.2018

Vor zehn Jahren wurde der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic nach jahrelanger Flucht bei Belgrad verhaftet und an das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag ausgeliefert. 

Als Radovan Karadzic am 21. Juli 2008 endlich festgenommen wurde, war das grosse Massaker fast genau 13 Jahre her: Im Juli 1995 wurden nahe Srebrenica über 8'000 Bosniaken ermordet, ein Verbrechen, dass in Den Haag später als Genozid und Völkermord klassifiziert wurde. Verantwortlich, so das Gericht, war neben den Generälen vor allem Karadzic. Er soll das Massaker als damaliger Präsident der serbischen Teilrepublik Bosnien-Herzegovinas 1995 befohlen haben.

Damals hatten serbische Einheiten unter dem serbischen General Ratko Mladic die damalige Uno-Schutzzone überrannt und dann tausende muslimische Männer und Knaben ermordet. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkrieges.

Karadzic war nach dem Krieg geflohen und untergetaucht -  erst nach 13 Jahren wurde er in  Serbien entdeckt, enttarnt und an das Gericht ausgeliefert worden. In Belgrad hatte er sich versteckt gehalten und als Mediziner mit alternativen Heilmethoden niedergelassen. Mit stark verändertem Aussehen hatte er jahrelang unbehelligt unter dem Namen Dragan David Dabić gelebt. Die Papiere für die falsche Identität hatte er sich besorgt.

Zuvor hatte er sich dem Zugriff der NATO-Truppen immer wieder entziehen können -auch durch die Hilfe von Regierungsbeamten der Republika Srpska. Zudem wurde Karadzic vermutlich von Bevölkerungsteilen besonders im Osten Bosniens gedeckt. Selbst eine von den USA ausgerufene Belohnung von fünf Millionen für Hinweise führte nicht zu seiner Ergreifung.

40 Jahre Gefängnis

Nach dem jahrelangen Prozess, verhängte das Gericht im März 2016 in erster Instanz eine Strafe von 40 Jahren Gefängnis; verurteilt wurde Karadzic wegen Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch der Ex-Serbenführer will sich damit nicht abfinden. Der 73-Jährige sieht sich als «Friedensstifter». Ende April 2018 begann in Den Haag das Berufungsverfahren. «Das ist keine Gerechtigkeit», hatte er vor dem Uno-Tribunal gesagt. Seine Anwälte forderten, dass das Urteil aufgehoben werde.

In erster Instanz hatten die Richter seine Schuld für tausendfachen Mord als erwiesen angesehen; für Zwangsvertreibungen von bosnischen Muslimen und auch für die 44 Monate lange dauernde Belagerung der bosnischen Stadt Sarajevo. Dabei waren etwa 10'000 Bürger getötet worden.

Karadzic, der sich seit 2008 vorwiegend selbst verteidigt, präsentierte sich im Gerichtssaal als Warner: «Ich habe vor dem Krieg gewarnt, aber ihn nicht geschürt», sagte er den fünf Richtern. Die Serben hätten nur von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht. «Wir haben nie jemanden vertrieben», sagte Karadzic. «Das ist ein Mythos.»

Bosnische Muslime und Kroaten hätten damals eine Allianz geschmiedet, um Serben zu vernichten, sagte er. Dabei zog der frühere Psychiater mehrfach die Parallele zum Zweiten Weltkrieg und Massakern an Serben durch die faschistischen kroatischen Ustascha.

Berufung legten allerdings auch die Chefankläger ein. Sie halten das Urteil gegen Radovan Karadzic für zu milde und fordern eine lebenslange Strafe.

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