ÜbersichtRussland ordnet Ausweitung der Angriffe in der Ukraine an
Agenturen/red
16.7.2022
Luftangriffe im Donbass: Einwohner von Kramatorsk evakuiert
Die russischen Luftangriffe im ostukrainischen Kramatorsk nehmen nicht ab. In der Nacht auf Samstag wurde die Stadt mehrfach bombardiert. Zahlreiche Menschen werden evakuiert.
16.07.2022
Die Kämpfe in der ukrainischen Donbass-Region dürften in den kommenden Tagen wieder zunehmen. Angaben über russische Erfolge sind nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten aber mit Vorsicht zu geniessen. Die Ereignisse des Tages im Überblick
Agenturen/red
16.07.2022, 21:42
16.07.2022, 21:43
In der Ostukraine zeichnet sich eine Verstärkung der russischen Angriffe ab. Darauf deuteten am Samstag sowohl Äusserungen von Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hin als auch Angaben von ukrainischer Seite und unabhängiger Militärexperten. Moskau bestätigte unterdessen einen russischen Raketenangriff auf die ukrainische Millionenstadt Dnipro in der Nacht zum Samstag, bei dem laut der ukrainischen Behörden 3 Menschen getötet und 15 verletzt wurden. Ziel soll russischen Angaben zufolge ein Rüstungskonzern gewesen sein.
Moskau befiehlt Ausweitung von Angriffen
Nach Angaben seines Ministeriums in Moskau vom Samstag hat Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu bei einer Inspektion der am Ukraine-Krieg beteiligten Truppenteile eine Ausweitung der Angriffe auf das Nachbarland befohlen.
Der Generalstab in Kiew teilte am Samstag mit, die Ukraine habe in den vergangenen 24 Stunden russische Sturmversuche in Richtung Bachmut und vor Donezk abgewehrt. «Nach einer Umgruppierung hat der Feind den Angriff auf das Wärmekraftwerk Wuhlehirsk wieder aufgenommen, die Kampfhandlungen halten an», heisst es zudem.
Hinweise für eine Verstärkung der Kämpfe sahen auch die Militärexperten des in den USA angesiedelten Institute for the Study of the War (ISW). Es gebe Anzeichen, dass die russischen Truppen die Verschnaufpause beendeten, die sie nach der Einnahme des Ballungsraums Sjewjerodonezk/Lyssytschansk eingelegt haben, heisst es in der Analyse des ISW am Samstag. Derzeit handle es sich noch um kleinere Gefechte. «Wenn die operative Pause tatsächlich zu Ende ist, werden die Russen wahrscheinlich in den nächsten 72 Stunden ihre Angriffe fortsetzen und verstärken», so die Experten weiter.
Seit knapp fünf Monaten führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Nach anfänglichen Misserfolgen im Norden des Landes konnten die russischen Truppen später durch massiven Artillerieeinsatz im Donbass Geländegewinne erzielen und die für Moskau symbolisch wichtige Eroberung des Gebiets Luhansk vermelden. Durch den Einsatz der Himars-Raketenwerfer auf ukrainischer Seite musste das russische Militär in den vergangenen zwei Wochen allerdings empfindliche Rückschläge einstecken, weil hochrangige Kommandopunkte sowie Munitions- und Waffendepots im besetzten Hinterland zerstört wurden.
London: Russland macht Falschangaben zu angeblichen Erfolgen
Angaben über russische Erfolge sind nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten mit Vorsicht zu geniessen. Russland habe zum wiederholten Mal falsche Angaben zu angeblichen Erfolgen bei seiner Invasion in die Ukraine gemacht, hiess es in dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London am Samstag. Umfang und Ausmass russischer Vorstösse seien weiterhin begrenzt. Die Behauptung der Russen vor einigen Tagen, sie seien in die Stadt Siwersk vorgestossen, seien nicht wahr gewesen.
«Russland hat auch zuvor voreilige und falsche Behauptungen über Erfolge gemacht», hiess es in der Mitteilung weiter. Grund dafür sei wohl zumindest teilweise der Wunsch, der Bevölkerung zuhause Erfolge vorzuweisen und die Kampfmoral der eigenen Truppen zu stärken.
Die Ukrainer hätten hingegen seit dem Rückzug aus der Stadt Lyssytschansk erfolgreich russische Angriffe zurückgeschlagen, so die Angaben der britischen Experten. Die Verteidigungslinie sei seitdem verkürzt und gestärkt worden, was sich als wesentlich erwiesen habe, um der russischen Offensive den Schwung zu nehmen.
Moskau bestätigt Raketenangriff auf Dnipro
Das russische Verteidigungsministerium bestätigte den zuvor von der Ukraine gemeldeten Raketenangriff auf die Industriestadt Dnipro im Osten der Ukraine. Moskau sprach von einem militärischen Ziel des nächtlichen Beschusses, bei dem nach ukrainischen Angaben drei Menschen getötet und 15 verletzt wurden. Auf dem Gelände des Rüstungsindustriekonzerns «Juschmasch» seien Fabrikhallen für die Ersatzteilproduktion und Reparatur ballistischer Raketen vom Typ Totschka-U vernichtet worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag. Laut der Militärverwaltung von Dnipro soll ausser dem Industriegebiet aber auch eine belebte Strasse in der Umgebung getroffen worden sein. Unabhängig lassen sich die Angaben der Kriegsparteien derzeit nicht überprüfen.
USA: Moskau weiter an iranischen Drohnen interessiert
Die US-Regierung geht unterdessen weiterhin davon aus, dass Russland iranische Kampfdrohnen erwerben will. Die USA hätten Informationen, wonach eine russische Regierungsdelegation einen iranischen Flughafen für eine Vorführung angriffsfähiger Drohnen besucht habe, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter am Samstag am Rande des Besuchs von US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien. Russland wolle die Drohnen «offensichtlich für den Einsatz im Krieg in der Ukraine». Er fügte hinzu, Russland setze im Nahen Osten auf den Iran. Die USA setzten dagegen auf eine stärker integrierte, stabilere, friedlichere und wohlhabendere Region.
Die Ereignisse des Tages im Überblick:
Das Wichtigste in Kürze:
Die prorussische Verwaltung in der Region Saporischschja im Südosten der Ukraine führt nach eigenen Angaben in grossem Umfang Getreide aus.
Das russische Verteidigungsministerium hat den zuvor von der Ukraine gemeldeten Raketenangriff auf die Industriestadt Dnipro im Osten der Ukraine bestätigt.
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat bei einer Inspektion der am Ukraine-Krieg beteiligten Truppenteile eine Ausweitung der Angriffe auf das Nachbarland befohlen.
Russland hat britischen Geheimdienstexperten zufolge zum wiederholten Mal falsche Angaben zu angeblichen Erfolgen bei seiner Invasion in die Ukraine gemacht.
Nach ukrainischen Angaben haben die russischen Streitkräfte nach einer Umgruppierung die Angriffe im Osten des Landes wieder verstärkt.
Im südöstlichen Gebiet Dnipro starben Behördenangaben zufolge bei Angriffen mindestens drei Menschen.
Die Ereignisse vom Freitag kannst du hier nachlesen.
Russland feuert laut ukrainischer Armee Raketen vom Kaspischen Meer aus ab
Russland hat die Ukraine Angaben aus Kiew zufolge von der Region des Kaspischen Meeres aus mit Raketen beschossen. Vier von insgesamt sechs Raketen seien am Samstag über den Gebieten Dnipro im Osten und Saporischschja im Süden abgefangen worden, teilten die ukrainischen Luftstreitkräfte mit. Zwei weitere seien auf landwirtschaftlich genutztem Gebiet in der zentralukrainischen Region Tscherkassy eingeschlagen. Der Schaden werde noch untersucht.
An das Kaspischen Meer grenzen neben Russland unter anderen auch die Südkaukasus-Republik Aserbaidschan und das zentralasiatische Kasachstan. Nach ukrainischer Darstellung sollen bei dem Beschuss Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-95 zum Einsatz gekommen sein. Aus Moskau gab es zunächst keine Bestätigung.
Russland hatte zuvor allerdings angekündigte, knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn die Angriffe auf das Nachbarland wieder ausweiten zu wollen. Nachdem bereits am Freitag zwischenzeitlich in der gesamten Ukraine Luftalarm ausgelöst worden war, heulten die Sirenen auch am Samstag wieder in fast allen Landesteilen.
20.45 Uhr
Russische Truppen bereiten sich auf neue Offensive vor
Wie die Zeitung «The Kyiv Independent» unter Berufung auf Vadim Skibitsky, Vertreter des Geheimdienstdirektorats des ukrainischen Verteidigungsministeriums, berichtet, bereiten sich die russischen Truppen derzeit auf eine neue Offensive vor.
Demnach würde die russische Militäraktivität «eindeutig zeigen, dass Vorbereitungen für die nächste Phase der Offensive am Laufen sind».
Skibitsky fügte hinzu, dass die Gefahr einer Attacke aus Belarus derzeit nicht so hoch sei wie noch vor Beginn der russischen Invasion.
19.36 Uhr
Saudi-Arabien will Öl-Förderkapazität um eine Million Barrel steigern
In Diskussionen um eine stärkere Ausweitung der weltweiten Ölproduktion will Saudi-Arabien seine mögliche Förderkapazität pro Tag um eine Million Barrel erhöhen. Die maximal mögliche Menge solle von derzeit 12 auf 13 Millionen Barrel erhöht werden, kündigte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman während eines Besuchs von US-Präsident Joe Biden in Dschidda an. Darüber hinaus habe das Königreich keine extra Kapazitäten mehr, um die Fördermenge noch weiter zu erhöhen, sagte er. Zusagen darüber, tatsächlich mehr Öl zu fördern, machte der Kronprinz aber nicht.
Biden und Kronprinz Mohammed nahmen in Dschidda an einem Gipfel des Golf-Kooperationsrats teil - zusammen mit den weiteren Öl-Schwergewichten Irak, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Am Vorabend hatten die USA und Saudi-Arabien in einer gemeinsamen Erklärung bereits von der Verpflichtung Saudi-Arabiens gesprochen, auf einen «Ausgleich globaler Ölmärkte» hinzuwirken.
Die Erhöhung der Förderkapazität dürfte ein positives Signal an Biden sein. Dieser steht in den USA wenige Monate vor den wichtigen Kongresswahlen wegen stark gestiegener Benzinpreise unter Druck. Ein höheres Angebot würde mittelbar helfen, die Spritpreise zu dämpfen.
Über tatsächliche Ölfördermengen entscheidet die Öl-Allianz Opec+. Saudi-Arabiens Produktionsziel für August liegt der Gruppe zufolge bei etwas über 11 Millionen Barrel täglich. Dieses Niveau hat das Land allerdings nur einige wenige Monate in den Jahren 2018 und 2020 erreicht. Der saudische Staatskonzern Saudi Aramco kann nach eigenen Angaben täglich rund 12 Millionen Barrel Öl aus der Erde holen.
19.11 Uhr
Deutschland bereitet sich auf Gas-Mangel vor
Angesichts eines drohenden Gasmangels im kommenden Winter hat der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck Unternehmen mit Büroräumen aufgefordert, sich am Energiesparen zu beteiligen. Auch öffentliche Gebäude müssten in Randzeiten nicht voll beheizt werden, sagte Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Nach Angaben des Deutschen Städtetages versuchen die Städte jetzt schon alles, um ihren Gasverbrauch zu senken. Die Krisenstäbe der Städte arbeiteten an einem Stufenverfahren für den Zeitpunkt, zu dem man wisse, wie es um die Gasversorgung stehe, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy im Deutschlandfunk.
Hintergrund der Diskussion ist die ungewisse Versorgung Deutschlands und Europas mit russischem Erdgas als indirekte Folge des Ukraine-Krieges. Seit Montag fliesst gar kein Gas mehr durch die wichtigste Pipeline Nord Stream 1. Der Gastransport wurde für jährliche Wartungsarbeiten an den Verdichterstationen der Leitung unterbrochen. Diese Arbeiten sollen nach Angaben der Betreibergesellschaft bis 21. Juli dauern. In Deutschland gibt es die Sorge, dass die Pipeline aber nicht wieder in Betrieb genommen und im Winter das Gas knapp wird.
17.52 Uhr
Protest gegen geplantes LNG-Terminal in der Toskana
Im italienischen Küstenort Piombino in der Toskana haben Hunderte Menschen gegen ein wegen des Krieges in der Ukraine geplantes Flüssiggas-Terminal demonstriert. «Piombino gehört uns, und das rührt man nicht an», riefen die Menschen am Samstag auf den Strassen der Kleinstadt, von der die Fähren auf die beliebte Insel Elba ablegen. «Die Positionierung der Gasverflüssigungsanlage im Hafen von Piombino ist eine falsche Wahl», hatte Bürgermeister Francesco Ferrari von der rechtsextremen Oppositionspartei Fratelli d'Italia in der vergangenen Woche gesagt.
Die von der Stahlindustrie geprägte Stadt beauftragte deshalb einen Anwalt, um dagegen vorzugehen. Gegner des Vorhabens sehen in dem Terminal ein unkalkulierbares Risiko für ihre Sicherheit, den Tourismus und die lokale Wirtschaft etwa mit Blick auf die Aquakulturen.
Die italienische Regierung will in Piombino für drei Jahre ein Schiff festmachen, an das Flüssiggas (LNG) angeliefert und dann in Gas umgewandelt werden kann. Der zuständige Gasnetzbetreiber Snam rechnet damit, dass die 330 Millionen Euro teure «Golar Tundra» 6,5 Prozent des landesweiten Gas-Bedarfs abdecken kann. Ende Oktober sollen laut Medienberichten die ersten Leitungen gelegt werden, um das schwimmende LNG-Terminal im Januar 2023 an das Gasnetz anzuschliessen, damit es am März funktioniert.
Das Mittelmeerland braucht das Schiff, weil es wegen Moskaus Angriffskrieg in der Ukraine von russischem Gas unabhängig werden will. Die Alternativ-Lieferungen, die Italien mit anderen Staaten wie Katar bereits vereinbarte, sollen unter anderem an diesem Umschlagpunkt ankommen.
17.03 Uhr
G20-Minister uneinig in Ukraine-Frage
Ohne eine gemeinsame Abschlusserklärung ist in Indonesien das Treffen der G20-Finanzminister zu Ende gegangen. Die Vertreter der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer hätten sich bei ihrem zweitägigen Treffen auf der Insel Bali nicht einigen können, ob eine Stellungnahme zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine darin einfliessen solle, teilte die indonesische Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati mit.
Einig waren sich hingegen alle Teilnehmer, dass die weltweite Nahrungsmittelkrise angegangen werden müsse.
«Wir waren uns alle einig, dass die Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung Aufmerksamkeit, ein Einschreiten und eine passende Politik erfordern, und deshalb haben wir darüber diskutiert, wie wir Unterbrechungen der Versorgung angehen können», sagte die Ministerin. Ihr Land hat in diesem Jahr den Vorsitz der G20 inne und ist deshalb Gastgeber aller Treffen. Der Protektionismus müsse beseitigt werden, damit Nahrungsmittel leichter von den Erzeuger- in die Empfängerländer gelangen könnten, so die Ministerin.
Einige Länder hätten darauf bestanden, dass ihre Sichtweisen zum Ukrainekrieg in eine Abschlusserklärung einfliessen sollten. «Länder haben Positionen, die sich nicht miteinander in Einklang bringen lassen», sagte Indrawati.
In ihrer Eröffnungsrede hatte die Ministerin am Freitag vor sozialer Instabilität und Unruhen in Teilen der Welt aufgrund steigender Preise gewarnt. Die dreifache Bedrohung durch Krieg, steigende Rohstoffpreise und eine höhere globale Inflation könne sich auch bei Schwellenländern und sogar Industriestaaten auf die Schuldenlage auswirken, hatte sie gewarnt.
16.42 Uhr
Russischer Militärverwalter prahlt mit Getreideausfuhr aus besetztem Gebiet
Die prorussische Verwaltung in der Region Saporischschja im Südosten der Ukraine führt nach eigenen Angaben in grossem Umfang Getreide aus. «Mehr als 100 Waggons wurden bereits abgeschickt, ein weiterer Vertrag über 150'000 Tonnen wurde mit einem Getreidehändler abgeschlossen», teilte der Chef der russischen Militärverwaltung von Saporischschja, Jewgeni Belitzki, auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Ukraine wirft Russland bereits seit Monaten Getreidediebstahl vor.
In einem Eisenbahnwaggon können bis zu 90 Tonnen Getreide transportiert werden. Per Bahn kann das Getreide nur nach Russland oder auf die von Russland seit 2014 annektierte Halbinsel Krim gebracht werden. Laut Belitzki ist neben dem Eisenbahntransport aber auch die Verschiffung über den Seeweg geplant. «Etwa 100'000 Tonnen werden über den Seehafen Berdjansk exportiert», kündigte er an.
Russland hat nach Beginn des Einmarsches in die Ukraine im Februar schnell den südlichen Teil der Region Saporischschja mit dem dort befindlichen Hafen Berdjansk am Asowschen Meer erobert. Der Vormarsch nach Norden wurde allerdings gestoppt, so dass die Gebietshauptstadt Saporischschja selbst weiterhin unter der Kontrolle Kiews steht.
Die Ukraine war vor dem Krieg einer der grössten Getreideexporteure der Welt. Nach Angaben aus Kiew stecken durch den russischen Angriff und die Seeblockade im Schwarzen Meer mehr als 20 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide fest. Erst allmählich gelingt es der Ukraine, alternative Exportrouten zu etablieren. Weltweit haben sich durch die Unsicherheiten infolge des Kriegs viele Lebensmittel verteuert. Parallel dazu raubt Russland ukrainischen Angaben zufolge in den besetzten Gebieten Getreidevorräte. Moskau bestreitet dies. Bildern des US-Satellitenbetreibers Maxar zufolge haben russische Schiffe ukrainisches Getreide unter anderem nach Syrien verfrachtet.
16.09 Uhr
Russland droht «NZZ» nach Kritik an Putin mit Klage
Russland hat der «Neuen Zürcher Zeitung» nach der Publikation von kritischen Berichten und einer Karikatur von Kremlchef Wladimir Putin mit einer Klage gedroht. Die russische Botschaft veröffentlichte einen entsprechenden Brief an NZZ-Chefredaktor Eric Gujer.
«Wir sind äusserst empört über die Veröffentlichung der beleidigenden Karikatur vom Präsidenten der Russischen Föderation», hiess es in dem Schreiben. Dieses veröffentlichte der Pressedienst der Russischen Botschaft in der Schweiz auf seiner Internetseite.
«Wir glauben, dass die Meinungsfreiheit in keiner Weise mit Freiheit der Verbreitung der Beleidigungen und Fakes kompatibel ist», schrieb die russische Botschaft. Man behalte sich das Recht vor, den Artikel sowie mögliche künftige «verleumderische und beleidigende» Publikationen hinsichtlich der russischen Staatsführung wegen übler Nachrede und Verleumdung anzuzeigen, hiess es.
Anlass ist den Angaben zufolge ein Artikel in der NZZ-Ausgabe von vor einer Woche am 9. Juli unter dem Titel «Superhelden und Schurken entfalten Schlagkraft im Internet». Darin schrieb die Zeitung, dass der Krieg in der Ukraine auch ein Gefecht der Narrative sei. Sogenannte Memes würden «aufsteigende Underdogs und gefallene Bösewichte» zeigen.
Illustriert war der Text unter anderem mit einem retuschierten Foto von Putin mit roter Clownnase und Regenbogenfarben auf dem Gesicht. Das Foto war zuvor auf Twitter unter dem Hashtag «#PutinWarCriminal» (zu Deutsch «#PutinKriegsverbrecher») verbreitet worden.
Die russische Botschaft hatte die NZZ bereits früher für Berichte über Russland und den Ukraine-Krieg kritisiert. Von der NZZ lag zunächst keine Stellungnahme vor.
Seit der Entsendung von Truppen in die Ukraine geht Russland im Inland in beispielloser Weise gegen Medien und die Opposition vor. Das Land erklärte mehrere Organisationen für «unerwünscht» und bezeichnete sie als «Bedrohung». Wenn ausländische Organisationen, Stiftungen oder Unternehmen als «unerwünscht» eingestuft werden, drohen Russen mit Verbindungen zu solchen Organisationen hohe Geldstrafen oder Haftstrafen von bis zu sechs Jahren.
15.28 Uhr
Russland feuert nach ukrainischen Angaben von Akw Saporischschja aus Raketen ab
Die russische Armee schiesst nach ukrainischen Angaben vom Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja aus Raketen auf benachbarte Gebiete ab. Die «russischen Besatzer» griffen von dort aus die benachbarte Region Nikopol an, erklärte der Präsident der ukrainischen Atomenergiebehörde Energoatom, Petro Kotin, im Online-Dienst Telegram. Die Situation im Kraftwerk Saporischschja sei «extrem angespannt», die Lage verschärfe sich Tag für Tag.
Derzeit kontrollieren demnach 500 russische Soldaten die Anlage. Das Akw Saporischschja ist das grösste Kernkraftwerk Europas. Es wird seit Anfang März von russischen Truppen besetzt, die es wenige Tage nach Beginn ihrer Invasion der Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Das Kraftwerk trug 2021 rund ein Fünftel zur Stromproduktion der Ukraine bei.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) konnte das Atomkraftwerk seit Beginn der russischen Invasion nicht mehr besichtigen. IAEA-Chef Rafael Grossi hat mehrfach seine Sorge über die nukleare Sicherheit in Saporischschja ausgedrückt.
Die ukrainische Regierung lehnt einen Besuch von IAEA-Vertretern ab, solange das Akw von russischen Truppen besetzt ist. Möglich sei ein solcher Besuch erst, wenn die Ukraine wieder die Kontrolle über die Anlage habe, erklärte Energoatom vergangene Woche. Die ukrainische Atombehörde argumentiert, ein Besuch von IAEA-Experten könne die Präsenz Russlands legitimieren.
14.51 Uhr
Russland ist laut US-Regierungskreisen weiter an Irans Drohnen interessiert
Die US-Regierung geht weiterhin davon aus, dass Russland iranische Kampfdrohnen erwerben will. Die USA hätten Informationen, wonach eine russische Regierungsdelegation einen iranischen Flughafen für eine Vorführung angriffsfähiger Drohnen besucht habe, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter am Rande des Besuchs von US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien. Russland wolle die Drohnen «offensichtlich für den Einsatz im Krieg in der Ukraine». Er fügte hinzu, Russland setze im Nahen Osten auf den Iran. Die USA setzten dagegen auf eine stärker integrierte, stabilere, friedlichere und wohlhabendere Region.
Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte am vergangenen Montag gesagt, dass es Hinweise gebe, wonach der Iran Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen wolle. In diesem Zusammenhang bereite sich Teheran auch darauf vor Drohnen bereitzustellen, die auch Waffen transportieren können. Irans Aussenminister Hussein Amirabdollahian hatte der Ukraine danach aber versichert, keine Drohnen nach Russland zu liefern. Er sprach von einem amerikanischen «Propagandaakt».
14.22 Uhr
Zivilisten bei diversen russischen Raketenangriffen getötet
Russland hat seine Raketenangriffe auf ukrainische Städte fortgesetzt. In Tschuhuiw im Norden des Landes seien am frühen Morgen mindestens drei Zivilisten getötet worden, teilte der regionale Polizeichef Serhij Bolwinow mit. Die vier Raketen seien wahrscheinlich von russischem Gebiet abgefeuert worden. Ein Wohngebäude sei teilweise zerstört. Es gebe auch drei Verletzte. Tschuhuiw liegt rund 120 Kilometer von der Front entfernt.
In der Nachbarregion Sumy gab es nach Angaben von Gouverneur Dmytro Schywyzky einen toten und sieben verletzte Zivilisten, als russische Truppen mit Geschützen und Granatwerfern drei Städte und Dörfer beschossen.
In der umkämpften Donbass-Region wurden binnen 24 Stunden sieben Zivilpersonen getötet und 14 verletzt. Ukrainische Truppen hätten aber einen russischen Angriff auf eine strategisch wichtige Fernstrasse zurückgeschlagen, sagte der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj. Die Angreifer versuchten, die Strasse zwischen Lyssytschansk und Bachmut schon seit mehr als zwei Monaten einzunehmen.
Aus der Gegend am Schwarzen Meer berichtete Gouverneur Vitalij Kim vom Beschuss der Städte Mykolajiw und Baschtanka. Dabei seien zwei Menschen verletzt worden. Auch Nikopol am Dnjepr geriet unter Raketenbeschuss. Dabei habe es zwei Tote gegeben, erklärten Rettungsdienste. Getroffen worden seien ein fünfstöckiges Wohngebäude, eine Schule und eine Berufsschule, erklärte der Gouverneur von Dnipropetrowsk, Valentyn Resnitschenko.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu verlieh Tapferkeitsmedaillen und wies die Invasionstruppen an, ihre Aktionen in sämtlichen Einsatzgebieten zu verstärken. Ziel sei es, ukrainische Raketen- und Artillerieangriffe auf zivile Infrastruktur und Wohngebiete im weitgehend von Russen besetzen Donbass und anderen Regionen zu verhindern, teilte sein Ministerium mit.
14.03 Uhr
Gazprom fordert von Siemens Rückgabe der in Kanada gewarteten Turbine
Der russische Gazprom-Konzern hat den deutschen Siemens-Konzern zur Rückgabe einer in Kanada reparierten Turbine aufgefordert, um den Weiterbetrieb der Pipeline Nord Stream 1 gewährleisten zu können. Gazprom habe am 15. Juli einen offiziellen Antrag auf Rückgabe gestellt, erklärte der russische Unternehmen. Ein Sprecher von Siemens Energy sagte dazu, grundsätzlich würden derzeit keine Informationen zum Zustand der Turbine herausgegeben oder dazu, wo sie sich gerade befinde.
Gazprom habe bei Siemens einen Antrag auf Erhalt der «Dokumente gestellt, die den Export der Turbine der Portowaja-Station ermöglichen», hiess es in einer Mitteilung des russischen Konzerns mit Blick auf die Verdichterstation nahe der russischen Stadt Wyborg. Er baue darauf, «dass der Siemens-Konzern seinen Verpflichtungen zur Reparatur und Wartung von Gasturbinenmotoren, von denen die Zuverlässigkeit des Betriebs der Nord Stream-Gaspipeline und die Erdgaslieferungen an die europäischen Verbraucher abhängen, bedingungslos nachkommt».
Der Siemens-Sprecher verwies auf eine Erklärung des Unternehmens vom vergangenen Wochenende, darin hatte es geheissen: «Aktuell arbeiten unsere Experten mit Hochdruck an allen weiteren formalen Genehmigungen und der Logistik.» Ziel sei es, «die Turbine so schnell wie möglich zu ihrem Einsatzort zu transportieren».
Durch Nord Stream 1 fliesst seit dem 11. Juli wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr; ob Russland nach Beendigung der Arbeiten, deren Dauer Berlin mit etwa zehn Tagen veranschlagt, den Gashahn wieder aufdreht, gilt als offen. Schon seit Mitte Juni hatte Gazprom unter Verweis auf die defekte Turbine die Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline stark gedrosselt.
Wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland war zunächst nicht klar, ob die Rücksendung der inzwischen reparierten Turbine aus Kanada möglich sein würde. Am vergangenen Wochenende gab Ottawa dann grünes Licht für die Ausfuhr nach Deutschland; der Siemens-Konzern hatte daraufhin erklärt, die Turbine so schnell wie möglich installieren zu wollen.
Der Krieg in der Ukraine hat die Gaspreise weltweit in die Höhe schnellen lassen und die Abhängigkeit Deutschlands und anderer EU-Staaten von russischen Gaslieferungen deutlich zu Tage treten lassen. Der Westen hatte nach Kriegsbeginn massive Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, die Gas-Importe davon aber zunächst ausgenommen.
13.16 Uhr
Moskau bestätigt Raketenangriff auf Millionenstadt Dnipro
Das russische Verteidigungsministerium hat den zuvor von der Ukraine gemeldeten Raketenangriff auf die Industriestadt Dnipro im Osten der Ukraine bestätigt. Moskau sprach jedoch von einem militärischen Ziel des nächtlichen Beschusses, bei dem nach ukrainischen Angaben 3 Menschen getötet und 15 verletzt wurden.
Auf dem Gelände des Rüstungsindustriekonzerns «Juschmasch» seien Fabrikhallen für die Ersatzteilproduktion und Reparatur ballistischer Raketen vom Typ Totschka-U vernichtet worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag.
Auch Kiew zufolge richtete sich der Beschuss gegen ein Industriegebiet in der Millionenstadt. Getroffen worden sei aber auch eine belebte Strasse in der Umgebung, teilte der Chef der Militärverwaltung von Dnipro, Walentyn Resnitschenko, zuvor auf seinem Telegram-Kanal mit. Unabhängig lassen sich die Angaben beider Kriegsparteien derzeit nicht überprüfen.
12.51 Uhr
Russische Führung gibt Befehl zur Ausweitung der Angriffe in Ukraine
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat bei einer Inspektion der am Ukraine-Krieg beteiligten Truppenteile eine Ausweitung der Angriffe auf das Nachbarland befohlen.
«Nach Anhörung (des Lageberichts) hat der Chef des russischen Verteidigungsministeriums die nötigen Anweisungen zur Ausweitung der Aktivitäten der Heeresgruppen in alle Angriffsrichtungen gegeben, um dem Kiewer Regime die Möglichkeit zu nehmen, weiter massive Artillerie- und Raketenangriffe auf Infrastruktur und Zivilisten im Donbass und in anderen Regionen durchzuführen», teilte das Ministerium am Samstag mit.
Es ist die zweite Inspektion der russischen Einsatzkräfte in der Ukraine durch Schoigu. Die erste fand Ende Juni statt. Bei der jetzigen Veranstaltung zeichnete der russische Verteidigungsminister zwei hochrangige Generäle aus, unter anderem den Chef der Heeresgruppe «Zentrum», Generaloberst Alexander Lapin, der als mit federführend für die Eroberung des Ballungsraums Sjewjerodonezk - Lyssytschansk im Donbass durch moskautreue Truppen gilt.
11.45 Uhr
London: Moskau macht Falschangaben zu angeblichen Erfolgen in Ukraine
Russland hat britischen Geheimdienstexperten zufolge zum wiederholten Mal falsche Angaben zu angeblichen Erfolgen bei seiner Invasion in die Ukraine gemacht. Umfang und Ausmass russischer Vorstösse seien weiterhin begrenzt, hiess es in dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London am Samstag. Die Behauptung der Russen vor einigen Tagen, sie seien in die Stadt Siwersk vorgestossen, seien nicht wahr gewesen.
«Russland hat auch zuvor voreilige und falsche Behauptungen über Erfolge gemacht», hiess es in der Mitteilung weiter. Grund dafür sei wohl zumindest teilweise der Wunsch, der Bevölkerung zuhause Erfolge vorzuweisen und die Kampfmoral der eigenen Truppen zu stärken.
Die Ukrainer hätten hingegen seit dem Rückzug aus der Stadt Lyssytschansk erfolgreich russische Angriffe zurückgeschlagen, so die Angaben der britischen Experten. Die Verteidigungslinie sei seitdem verkürzt und gestärkt worden, was sich als wesentlich erwiesen habe, um der russischen Offensive den Schwung zu nehmen.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar veröffentlicht die britische Regierung regelmässig Geheimdienstinformationen zum Verlauf. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
8.35 Uhr
Nach operativer Pause: Russland aktiviert Kampfhandlungen im Donbass
Nach ukrainischen Angaben haben die russischen Streitkräfte nach einer Umgruppierung ihrer Kräfte die Angriffe im Osten des Landes wieder verstärkt. Die Ukraine habe in den vergangenen 24 Stunden russische Sturmversuche in Richtung Bachmut und vor Donezk abgewehrt, teilte der Generalstab in Kiew am Samstag in seinem Lagebericht mit. «Nach einer Umgruppierung hat der Feind den Angriff auf das Wärmekraftwerk Wuhlehirsk wieder aufgenommen, die Kampfhandlungen halten an», heisst es zudem. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.
Allerdings haben auch die Militärexperten des Institute for the Study of the War (ISW) beobachtet, dass die russischen Truppen die Verschnaufpause beenden, die sie nach der Einnahme des Ballungsraums Sjewjerodonezk/Lyssytschansk eingelegt haben. Derzeit handle es sich noch um kleinere Gefechte. «Wenn die operative Pause tatsächlich zu Ende ist, werden die Russen wahrscheinlich in den nächsten 72 Stunden ihre Angriffe fortsetzen und verstärken», heisst es in der Analyse des ISW.
8.14 Uhr
Selenskyj: Russlands Gesellschaft für Generationen «verkrüppelt»
Selenskyj sieht auch die russische Gesellschaft angesichts des Kriegs gegen sein Land für Jahrzehnte geschädigt. Die Ukraine werde sich «Menschlichkeit und Zivilisation» bewahren, sagte er in der Nacht zum Samstag in seiner Video-Ansprache.
Zerstörte Bildungseinrichtungen würden wieder aufgebaut, versprach er. «Aber die russische Gesellschaft mit so vielen Mördern und Henkern wird für Generationen verkrüppelt bleiben - und zwar aus eigener Schuld.»
Angesichts neuer Angriffe auf mehrere Regionen am Abend appellierte Selenskyj einmal mehr an seine Landsleute, Luftalarm nicht zu ignorieren.
7.55 Uhr
Luftalarm in der gesamten Ukraine
Am Freitagabend heulten die Sirenen in der gesamten Ukraine. In sozialen Netzwerken kursierten Videos und Fotos, die fliegende Raketen und Rauchwolken etwa in der südöstlichen Grossstadt Dnipro zeigen sollen. Dabei kamen 3 Menschen ums Leben, 15 wurden verletzt.
Der Gouverneur des zentralukrainischen Gebiets Poltawa, Dmytro Lunin, bestätigte Explosionen in Krementschuk. Eine weitere Rakete wurde laut dem Odessaer Militärgouverneur Maxym Martschenko über dem südukrainischen Gebiet abgeschossen. Details zu möglichen Opfern und Zerstörungen waren noch nicht bekannt.