Russland Selenskyj wirft Teheran Lügen vor – Kämpfe um Cherson

SDA

6.11.2022 - 06:09

Ein ukrainischer Soldat kommuniziert über ein Walkie-Talkie über mögliche Verletzte in der Gegend um Terny. Die ukrainischen Truppen setzen ihre Gegenoffensive im Osten des Landes fort, stoßen aber in der Region Luhansk auf heftigen Widerstand. Foto: Ashley Chan/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Ein ukrainischer Soldat kommuniziert über ein Walkie-Talkie über mögliche Verletzte in der Gegend um Terny. Die ukrainischen Truppen setzen ihre Gegenoffensive im Osten des Landes fort, stoßen aber in der Region Luhansk auf heftigen Widerstand. Foto: Ashley Chan/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Keystone

Die iranische Führung hat nach Einschätzung Kiews Unwahrheiten in eine offizielle Stellungnahme gepackt. Nach dem Eingeständnis Teherans, Kampfdrohnen an Russland geliefert zu haben, warf der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dem Iran Lügen vor.

«Selbst bei diesem Geständnis lügen sie», sagte der ukrainische Staatschef am Samstag in seiner täglichen Videobotschaft. Die Zahl der von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossenen iranischen Kampfdrohnen übersteige die vom Iran genannten «wenigen» Drohnen, begründete Selenskyj seinen Vorwurf.

Der Iran hatte am Samstag erstmals Drohnenlieferungen an Russland eingeräumt. Aussenminister Hussein Amirabdollahian sagte, die Islamische Republik habe Russland vor dem Krieg in der Ukraine eine begrenzte Anzahl von Drohnen zur Verfügung gestellt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. Weitere Waffenlieferungen nach Beginn des russischen Angriffskriegs sowie Bereitstellung von Raketen dementierte der Chefdiplomat jedoch.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben bereits Hunderte Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ Schahed-136 abgeschossen. «Allein gestern wurden elf Schahed-Drohnen abgeschossen», sagte Selenskyj. Die ukrainische Militärführung vermutet, dass Russland 2400 solcher Drohnen bestellt hat, mit denen das russische Militär zuletzt verstärkt die ukrainische Energieversorgung angegriffen hat.

Scholz fordert von Russland klares Nein zu Atomschlag

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland aufgefordert, den Einsatz von Atomwaffen im Angriffskrieg gegen die Ukraine eindeutig auszuschliessen. «Es ist nicht erlaubt, es ist unvertretbar, in diesem Konflikt Nuklearwaffen einzusetzen», sagte Scholz am Samstag beim SPD-Debattenkonvent in Berlin. «Wir fordern Russland auf, dass es klar erklärt, dass es das nicht tun wird. Das wäre eine Grenze, die nicht überschritten werden darf.»

Am Freitag hatte Scholz bei seinem Peking-Besuch gemeinsam mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor einer nuklearen Eskalation gewarnt. Scholz nannte nukleare Drohgebärden Russlands «unverantwortlich und brandgefährlich». Xi sagte: «Der Einsatz von nuklearen Waffen oder die Drohung damit muss abgelehnt werden.»

Schwere Kämpfe rund um Cherson

Rund um die südukrainische Stadt Cherson haben sich ukrainische Truppen und russische Besatzer am Samstag schwere Kämpfe geliefert. Nach russischer Darstellung seien verschiedene Frontabschnitte in der Region unter schwersten Artilleriebeschuss geraten. An einigen Stellen seien grössere Truppenverlegungen und Bewegungen ukrainischer Panzerverbände registriert worden. «Offenbar bereiten die ukrainischen Truppen einen neuen Angriff vor», spekulierte der von Russland eingesetzte Vize-Verwaltungschef der besetzten Region, Kirill Stremoussow.

Auch das ukrainische Militär hatte zuvor von schweren Kämpfen und Artillerieduellen in der Umgebung von Cherson berichtet. Die ukrainische Führung will die Region im Süden des Landes nach ersten Erfolgen noch komplett befreien.

Kühlsysteme des AKW Saporischschja wieder an Stromnetz angeschlossen

Die externe Stromversorgung des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ist nach zwei Tagen Unterbrechung wieder hergestellt worden. Wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien am Samstagabend berichtete, wurden zwei Leitungen repariert. Das von Russland besetzte AKW ist zwar derzeit nicht im Betrieb, doch die Anlage braucht weiterhin Elektrizität, um Kernmaterial zu kühlen und einen Atomunfall zu verhindern.

Die zwei Leitungen waren nach einem Beschuss auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet in rund 60 Kilometer Entfernung von dem AKW beschädigt worden. Die Stromversorgung des grössten europäischen Atomkraftwerks wurde bis zur Reparatur mit Notgeneratoren sichergestellt, die über genug Treibstoff für rund 15 Tage verfügen.

Selenskyj will Crowdfunding für Seedrohnen-Flotte

Nach dem Überraschungsangriff ukrainischer Seedrohnen gegen die russische Schwarzmeerflotte in deren Kriegshafen bei Sewastopol auf der Krim will die Ukraine weitere Waffen dieser Art kaufen. «Wir werden in der kommenden Woche noch eine Fundraising-Aktion starten, wir wollen Mittel für eine ganze Flotte von Seedrohnen sammeln», kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstagabend in seiner Videoansprache an. Sinn und Zweck dieser Drohnen sei klar. «Wie das funktioniert, haben alle schon gesehen.»

Nach ukrainischer Darstellung wurden bei dem Angriff auf Sewastopol am vergangenen Wochenende drei russische Kriegsschiffe getroffen, darunter das neue Flaggschiff «Admiral Makarow». Das russische Militär hat lediglich einige leichtere Schäden eingestanden, ohne genauere Angaben zu machen.