Die Chefs der Islamisten Diese Männer führen die Taliban an

Von Lukas Meyer

17.8.2021

Mullah Abdul Ghani Baradar (Mitte) mit Mitgliedern der Taliban-Delegation an der Friedenskonferenz in Moskau.
Mullah Abdul Ghani Baradar (Mitte) mit Mitgliedern der Taliban-Delegation an der Friedenskonferenz in Moskau.
KEYSTONE

Die Taliban sind in Afghanistan wieder an der Macht. Wer sind die Anführer der militanten Islamisten? Wie sind sie organisiert?

Von Lukas Meyer

17.8.2021

Die Taliban sind zurück. Von 1996 bis 2001 regierten sie bereits über Afghanistan, nun wollen sie das zweite Islamische Emirat errichten.

Die Struktur

Die Taliban haben einige Gebiete in Afghanistan schon seit Längerem kontrolliert und etablierte Strukturen. Ein Führungsrat um den Taliban-Chef, dessen Stellvertreter und rund zwei Dutzend weitere Personen trifft die wichtigen Entscheidungen. Daneben gibt es diverse Kommissionen für einzelne Ressorts, die wie Schattenministerien funktionierten.

Zudem haben sie in den letzten Jahren auch gelernt, wie man Propaganda macht. Zwei Sprecher sind auch im Kontakt mit den westlichen Medien, bei den Kämpfen sind eigene Medienteams dabei. Sie sollen zeigen, dass die Taliban für Ruhe und Ordnung stehen und sich nicht rächen wollen.

In den letzten 20 Jahren planten die Taliban die Rückeroberung in ihrem Exil in Pakistan. Sie finanzierten sich lange durch den Anbau von Schlafmohn, aus dem Opium gewonnen wird. Mittlerweile verfügen sie gemäss Schätzungen der NATO über rund 85'000 Kämpfer und gewinnen jeden Tag mehr.

Die Köpfe

Viele Anführer der Taliban gingen nach der Intervention der USA 2001 in den Untergrund. Darum ist über die meisten sehr wenig bekannt, oft gibt es nicht einmal Fotos. In den vergangenen Jahren zeigten sich einige politische Vertreter, die mit den USA und der Regierung in Kabul verhandelt haben.

Haibatullah Achundsada ist seit 2016 Anführer der Taliban. Er folgte auf den bei einem US-Drohnenangriff getöteten Mullah Mansur. Achundsada hat als oberster «Anführer der Gläubigen» das letzte Wort in politischen, religiösen und militärischen Fragen. Wenn die Taliban wie vermutet ein Emirat proklamieren, wäre er automatisch auch der oberste Mann im Staat.

Haibatullah Achundsada.
Haibatullah Achundsada.
KEYSTONE

Davor war der 60-Jährige Prediger und Religionslehrer in der pakistanischen Stadt Kuchlak. Während des ersten Emirats war er oberster Richter der Taliban oder Leiter der Gerichtshöfe, je nach Quelle. Er war ein enger Vertrauter von Mullah Omar und gilt als Hardliner.

Siradschuddin Hakkani ist einer von drei Stellvertretern von Achundsada und verantwortlich für die finanziellen und militärischen Ressourcen der Taliban in Pakistan. Er ist etwa Mitte 40 und führt das Hakkani-Netzwerk an. Dieses wurde von seinem Vater gegründet, dem verstorbenen Mudschaheddin Jalaluddin Hakkani. Die USA stufen das Netzwerk als Terrororganisation ein und haben auf Hakkani ein siebenstelliges Kopfgeld ausgesetzt.

Mullah Jakub ist der älteste Sohn des legendären Gründers Mullah Omar, der 2013 einer Krankheit erlag. Er ist ebenfalls Stellvertreter von Achundsada und ist verantwortlich für die Milizen und die Militäroperationen. Er gilt als Mastermind des aktuellen Feldzugs der Taliban, dessen Erfolg ihm weiter Auftrieb geben dürfte.

Er sollte bereits 2016 die Führung der Taliban übernehmen, schlug dann aber Achundsada vor, da er sich für zu jung und unerfahren hielt.

Mullah Akhtar Mohammad Mansur (links) übernahm 2013 von Mullah Omar (rechts).
Mullah Akhtar Mohammad Mansur (links) übernahm 2013 von Mullah Omar (rechts).
KEYSTONE

Mullah Abdul Ghani Baradar ist ein Gründungsmitglied der Taliban und war lange der Stellvertreter von Mullah Omar. 2010 wurde er in Pakistan gefangengenommen, 2018 auf Druck der USA wieder freigelassen, weil sie in ihm einen moderaten Verhandlungsführer sahen. Er leitet das politische Büro der Taliban und ist ebenfalls ein Stellvertreter von Achundsada.

Er handelte mit den USA das Abkommen über das Ende des Militäreinsatzes in Afghanistan aus, traf mehrmals Aussenminister Mike Pompeo und sprach auch mit Donald Trump.

Mullah Abdul Ghani Baradar (rechts) und Zalmay Khalilzad, Gesandter der USA, nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens zwischen den Taliban und den USA in Doha im Februar 2020.
Mullah Abdul Ghani Baradar (rechts) und Zalmay Khalilzad, Gesandter der USA, nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens zwischen den Taliban und den USA in Doha im Februar 2020.
KEYSTONE

Sher Mohammad Abbas Stanikzai war Teil der Regierung in den 90ern und lebt seit zehn Jahren in Doha. Dort ist er seit 2015 Leiter des politischen Büros, das die internationale Repräsentation der Taliban sicherstellt. Er hat an den verschiedenen Verhandlungen teilgenommen.

Der Gesandte von Russland in Afghanistan, Zamir Kabulow, spricht mit Baradar (dritter von links) und Stanikzai (dritter von rechts).
Der Gesandte von Russland in Afghanistan, Zamir Kabulow, spricht mit Baradar (dritter von links) und Stanikzai (dritter von rechts).
KEYSTONE

Mullah Abdul Hakim Hakkani ist der Chefunterhändler der Taliban. Zudem leitet er die juristischen Gremien der Taliban sowie den Rat der Religionsgelehrten. Er gilt als enger Vertrauter von Achundsada.