Nach Leo Varadkars überraschendem Rücktritt Simon Harris soll jüngster Regierungschef von Irland werden

Von Julia Kilian und Bendikt von Imhoff, dpa

9.4.2024 - 06:26

Simon Harris hatte vor zwei Wochen als einziger Bewerber bereits den Posten des Parteichefs der liberalkonservativen Regierungspartei Fine Gael übernommen.
Simon Harris hatte vor zwei Wochen als einziger Bewerber bereits den Posten des Parteichefs der liberalkonservativen Regierungspartei Fine Gael übernommen.
Bild: Keystone/EPA/Damien Eagers

Manche nennen ihn schon jetzt den Tiktok-Premier: Simon Harris soll neuer Regierungschef von Irland werden. Wer ist der Mann, der mit 37 Jahren die Führung eines EU-Landes übernimmt?

Von Julia Kilian und Bendikt von Imhoff, dpa

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  • Irland soll den jüngsten Premierminister seiner Geschichte bekommen.
  • Der bisherige Hochschulminister Simon Harris soll heute zum Premierminister ernannt werden.
  • Der 37-Jährige würde damit auf den bisherigen Regierungschef Leo Varadkar folgen, der Mitte März überraschend seinen Rücktritt angekündigt hatte.

Irland soll den jüngsten Premierminister seiner Geschichte bekommen. Der bisherige Hochschulminister Simon Harris soll heute zum Premierminister ernannt werden. Der 37-Jährige würde damit auf den bisherigen Regierungschef Leo Varadkar folgen, der Mitte März überraschend seinen Rücktritt angekündigt hatte. Harris gilt als Favorit. Er wäre bei seinem Amtsantritt noch ein Jahr jünger, als Varadkar es damals war.

Harris hatte vor zwei Wochen als einziger Bewerber bereits den Posten des Parteichefs der liberalkonservativen Regierungspartei Fine Gael übernommen. Das Parlament in Dublin soll ihn nun auch zum Regierungschef wählen. Die Koalitionspartner – die ebenfalls liberalkonservative Partei Fianna Fáil sowie die Grünen – unterstützen seine Wahl zum «Taoiseach», wie das Amt auf Irisch offiziell heisst.

Wie Harris soziale Medien nutzt

Harris – geboren im Oktober 1986 – hatte bereits mehrere Kabinettsposten inne, war beispielsweise zu Pandemiebeginn Gesundheitsminister seines Landes und ist derzeit Minister für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung. Geprägt hat ihn nach eigenen Angaben die Autismus-Diagnose seines Bruders. Damals habe er angefangen, sich für bessere Informationen und Unterstützung einzusetzen.

Für seine Politik nutzt Harris auch Plattformen wie Instagram und Tiktok. Dort veröffentlicht er regelmässig Videos, weshalb ihn das Portal «Politico» und die britische Zeitung «Guardian» bereits als «Tiktok-Premierminister» bezeichneten. In den Clips wirbt er für politische Entscheidungen, kocht auch mal Tee oder ermutigt Schüler vor ihren Prüfungen.

Die Zeitung «Irish Times» schrieb, ein Kollege habe Harris mal als niedlich, gerissen und schlau beschrieben: «Man ist zufrieden damit, dass er einem zugehört hat, auch wenn er danach nicht liefert. Und er weiss alles, was in deinem Wahlkreis passiert.» Von Harris wird aber nach Einschätzung der Zeitung auch erwartet, dass er es schafft, mehr junge Menschen für seine Partei zu gewinnen.

Opposition fordert Neuwahlen

Die linksgerichtete Oppositionspartei Sinn Fein wirft Harris eine schlechte Bilanz als Gesundheitsminister vor und fordert Neuwahlen. Harris werde bereits der dritte Premierminister innerhalb einer Legislaturperiode sein, kritisierte der Abgeordnete Pearse Doherty. Varadkar war Ende 2022 auf Fianna-Fáil-Chef Micheál Martin gefolgt – diese Ämterteilung hatten die Koalitionspartner abgesprochen, auch um Sinn Fein aus der Regierung zu halten. «Es ist Zeit für eine Parlamentswahl», sagte Doherty. Irland mit seinen gut 5,1 Millionen Einwohnern muss spätestens im Frühling 2025 ein neues Parlament wählen.

Der bisherige Regierungschef Varadkar hatte Mitte März seinen Rücktritt angekündigt und damit sowohl die eigene Partei als auch die Koalitionspartner überrascht. Der 45-Jährige verwies auf persönliche wie politische Gründe, nannte aber keine Details.

Der homosexuelle Varadkar öffnete nach Ansicht von Kommentatoren die streng katholische Gesellschaft weiter. Seine Regierung erlitt zuletzt aber Niederlagen bei zwei Volksabstimmungen: Sie wollte zwei Stellen in der Verfassung zum Familienbegriff und zur Rolle der Frau im Haushalt modernisieren, bekam dafür aber keine Mehrheit. Kritiker machten dafür das chaotische Vorgehen der Regierung verantwortlich. Varadkar wurden zudem Fehler in der Sozial- und Wohnungspolitik vorgeworfen.

Wie Harris zur Wiedervereinigung mit Nordirland steht

Harris kündigte bereits an, seine Schwerpunkte bei der Wohnungspolitik, der Durchsetzung von Recht und Ordnung sowie der Unterstützung kleiner Unternehmen setzen zu wollen. Aussenpolitisch dürfte interessant werden, wie sich Irland weiterhin zum Gaza-Krieg positioniert. Varadkar hatte das Verhalten Israels schon früh kritisiert.

Gefragt wurde Harris bereits, wie er zu einer Wiedervereinigung mit Nordirland steht. Nordirland ist ein Landesteil des britischen Vereinigten Königreichs. In einem langen Bürgerkrieg zwischen Gegnern und Befürwortern der politischen Union waren Tausende Menschen getötet worden.

Der TV-Sender Sky News fragte Harris, ob er die Meinung seines Vorgängers teile, dass er zu seinen Lebzeiten noch ein vereinigtes Irland erleben werde. Es sei ein legitimes politisches Ziel, ein vereintes Irland sehen zu wollen, derzeit aber nicht eine seiner Prioritäten, sagte Harris. Der Brexit sei eine herausfordernde Zeit gewesen. Während Grossbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten ist, ist Irland weiterhin EU-Mitglied – deshalb sind spezielle Regeln für die Grenze zu Nordirland nötig.